Getrennte Wege

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Wie hypnotisiert flanierte Alaina durch die engen Gassen Lunas, die Menschen neben ihr lachten und tauschten freundliche Konversationen aus, doch dies ging alles an ihr vorbei. Sie fühlte sich leer und weg von der Realität, wie eine Hülle ohne Leben. Diese ganzen Ereignisse waren hart und sie musste das alles erst einmal begreifen. Ihre mittlerweile getrocknete Kleidung war hing an ihrem leblosen Körper und sie blickte in die warme Sonne. Wo zur Hölle sollte sie jetzt hin? In Luna wollte sie nicht bleiben, denn in jedem Pflasterstein, in jedem Haus, in jedem Blick und in jedem Atemzug waren die Gedanke bei ... ihm und den anderen, ihrem ... Vater. Dieses Wort hatte sie das erste mal richtig ausgesprochen oder wohl eher gedacht. Ihr Vater war ein Lord, doch nicht irgendeiner, einer der großen acht Lords. Sie war eine Adelige, das wurde ihr erst jetzt richtig bewusst. Schnaubend schüttelte sie den Kopf. Wie lächerlich, sie war ein Nichts und Niemand.

"Wir sind bereit." Lukas stand hinter James, der seinen besten Anzug anhatte. Sie alle hatten kaum ein Auge zugetan. Mittlerweile war der nächste Tag angebrochen. Viel stand am Plan. Der Leichnam war beseitigt und für die Beerdigung vorbereitet worden, die in ein paar Tagen stattfinden sollte. Leopold war nach dem Tod seines Vaters, der mitten am Ball einfach zusammengebrochen ist und von ihnen gegangen war, am Boden zerstört. Er hatte James angesehen und beide wussten wie ihre Zukunft verlaufen würde. "Ich komme." meinte er zu seinem treuen Untertanen, bald seiner Leibwache. Er hatte großes vor, jedoch hat er sich das alles nie gewünscht. Am liebsten würde er sich im Bett verkriechen und sich mit Alkohol zudröhnen, nur um nicht an sie denken zu müssen. Den Namen konnte er gar nicht erst aussprechen, zu schmerzhaft war die letzte Nacht für ihn. Mit schnellen Schritten ging er mit Lukas zu dem Balkon, wo bereits alle der acht großen Lords versammelt waren, mit einer bedrückten Miene. Mittunter in der Menge stand Leopold oder besser gesagt saß Leopold. Sein Gesicht war noch blasser, als es ohnehin schon war. "Die Ära der Leopolds geht zu Ende." Er blickte seinen Freund an, der ihn fest umarmte. "Es tut mir so Leid. Er war ein guter König und ein guter Freund." Charly gesellte sich ebenso zu ihm und George musste sich schnäuzen. "Lasst uns die Welt informieren, wir alle sollten trauern können." Mit diesen Worten stieß Lord Ejus die Tür auf und alle traten hindurch. Charly und James stützen den Kronprinzen, der sich an den Geländern des Balkons aufstütze und auf den großen Marktplatz hinabblickte und so auch auf die Menge, die sich dort versammelt hatte. "Mein Volk, es gibt schlimme Neuigkeiten." begann er laut zu sprechen und immer mehr Menschen kamen angerannt. Eine solche Kundgebung war in Luna etwas Außergewöhnliches, nur bei Tragödien wurde dieser Balkon genutzt und die Menschen, die sich im Augenblick an jenem Markt befanden, waren die Leuchtfeuer, die diese Information im ganzen Land verbreiteten.

"Der König ist tot." Alaina hörte dieses Gewisper schon den ganzen Tag. Sie war ziellos umhergestreift, unfähig einen Weg einzuschlagen. Sie hatte kein einziges Augen in der Nacht zugetan, keinen Bissen gegessen, keinen Schluck getrunken. Mit blutunterlaufene Augen blickte sie auf jenen Palast, den sie im Moment so sehr hasste. Es waren riesige schwarze Flaggen aufgehängt worden, die den Tod für alle sichtbar machten, der so greifbar nahe war. Ihr tat es Leid, der König war ein guter Herrscher, er hatte die Sklaverei abgeschafft, jedoch ihrer Meinung nach zu spät, denn jetzt war sie erst seit ungefähr zwei Jahren verboten. Aber wenigstens hatte er gehandelt und zudem hatte er sich den rizanischen Landleuten großzügig erwiesen. Dabei fiel ihr die Mission wieder ein. Was James jetzt wohl machen würde? Sicherlich würde das alles vertagt werden, zuerst müsste der König beerdigt werden. Vor allem tat ihr aber Leopold Leid, sie wusste aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, ein Elternteil zu verlieren und dazu blickte er seinem eigenen Tod entgegen. Diese Welt war einfach nicht gerecht, das war sie noch nie, diese ganzen Monate voller Frieden und Glück waren nur eine kurze Phase. Das, was sie jetzt erlebte, das war das richtige Leben, welches sie kannte, diesen Schmerz und diese Leere. Es war nicht fair, das war es nie. In ihren Gedanken versunken lief sie weiter immer weiter, bis sie bei den Stadttoren angekommen war. Mut den Tapferen, diese Inschrift hatte sie bei dem ersten Eintreffen dieser Stadt so begeistert, jetzt konnte sie nur ironisch die Augen verdrehen. Sie war tapfer bei Gott, sie hatte viel riskiert, um ihn zu retten, um die Soldaten von dem Eintreffen von James zu erzählen und sie hatte sich dem Hof der Adeligen gestellt und doch endete sie so. Du hast ihn verlassen, du hast dich dazu entschieden, redete ihr eine leise Stimme in ihrem Kopf ein. Das ist wahr, sie hatte ihn verlassen, nicht er sie, sie hatte sich dazu entschieden, aber er hatte ihr auch Gründe dafür geliefert. Diese Lüge, die alle, wirklich alle gewusst haben, schmerzte so sehr und sie konnte das nicht einfach vergessen. Mit einem letzten Blick auf diese Stadt, diese wunderschöne Stadt, die sie zu lieben geglaubt hatte, drehte sie sich um und blickte auf den Weg, der in einen Wald führte. Benommen taumelte sie und setzte einen Fuß nach den anderen raus in die Wildnis der amherranischen Landschaft.

"Sie ist wirklich weg." Liliana sah ihren Bruder fassungslos an und auch Ella wirkte neben der Spur. "Und sie ist eine Adelige." Kopfschüttelnd ließ sich Ella auf einen Stuhl nieder. Es war Stunden nach der Ankündigung. Alle hatten sich in dem Besprechungszimmer wiedergefunden, alle der großen Lords und deren Familie hatten sich hier niedergelassen. "Und meine Schwester." murmelte Charly, der seinem Vater einen bösen Blick zuwarf, er hatte es ihm noch nicht verziehen. Dieser wiederum rieb sich seufzend die Haare. Die Nacht war eine Katastrophe. Lord Orion trat auf einmal aus der Menge der Adeligen hervor. "Auch wenn die letzten Stunden hart waren, wir müssen an die Krone, an das Reich denken." Leopold, der in einer Trauerstarre versunken war, richtete sich auf und blickte seine treuen Freunde an. "Ich ... ich werde nicht mehr lange haben, bis dahin werde ich jedoch die Krönung vollziehen und so lange König sein, bis ich ... sterbe." Bei dem letzten Wort wurde seine Stimme ganz leise und er biss krampfhaft die Zähne zusammen. George lag ihn mitfühlend eine Hand auf die Schultern und blickte betroffen zu seinen Freunden, die einen verzweifelten Gesichtsausdruck annahmen. Das Geschlecht der Leopolder nahm wirklich kein gutes Ende. "Dann werde ich unterdessen mit William die Mission, die wir noch alle gemeinsam geplant hatten, durchziehen mit ein paar Änderungen." James stand auf und wendete sich seinen zukünftigen Beratern zu. Überrascht blickte sie ihn an, man möge meinen, ihn hätte dies unfähig gemacht, irgendetwas zu tun, so habe man sich getäuscht. James war kein untätiger Mann, egal welches Leid man ihm zutue, er handelte immer noch im Sinne seines Vaterlandes. "Dank ... ihr.." würgte er hervor. "Können wir mittels des Geheimganges den König umbringen, doch noch mehr können wir erreichen, wir werden die gesamte rizanische Aristokratie unterwerfen und manipulieren, sodass wir Riza als Teil des amherranischen Reiches sehen mit einer Art Eigenverwaltung." Stille entstand im Raum. "Was?" brachte schließlich Lord Hiver hervor. "Wie?" Lord Montagne blickte seinen zukünftigen König an. "Erpressung." William trat vor und gesellte sich zu James, der bestätigend nickte. "Das ist riskant." Lord Orion und Lord Geminus warfen ihre Bedenken ein. "Wenn dir etwas passiert James, dann haben wir keinen Herrscher mehr. Und vor allem habe ich dann keinen Sohn mehr." "Doch habt ihr, es gibt genügend junge Männer hier, wieso nicht noch einmal eine Wahl per Los durchführen? Ich werde das durchziehen, entweder überlebe ich, oder aber nicht. Dann wäre ich sowieso nicht würdig dieses Land zu regieren." "Wenn das mit Alaina zu tun hat." warf Lord Sol ein, doch James warf ihm einen unbarmherzigen Blick zu. "Das war vorher doch auch schon eine Selbstmordkommission, meine Entscheidung steht fest. Leopold du entscheidest." Mit diesen Worten richteten sich alle Blicke auf Leopold, der der Konversation aufmerksam gefolgt war. Dieser wiederum nahm sich Zeit, bevor er antwortete. "James hat Recht." Ein Rauen ging durch die Menge, diese Entscheidung nahm man mit gemischten Gefühlen entgegen. James Eltern blickten besorgt und auch die Lordschaften Geminus tauschten sorgenvolle Blicke. "Gut dann ist es entschieden. William wir brechen morgen auf. " Mit diesen Worten marschierte James aus dem Saal. Auf dem Weg schnappte er sich noch eine Flache Whiskey und nahm einen großzügigen Schluck von dieser. Heute Nacht würde er sich besaufen.

WüstenköniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt