Reue

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Die Monate flogen dahin. Alaina war mit Jera, Miria, Anna und Lydia zusammengezogen in eine Stadtwohnung in der Nähe des Künstlerviertels. Charlys Geld hatte den Großteil dazu beigetragen, dass sie es sich leisten konnten. Die ersten Monate waren nicht leicht, eher im Gegenteil, sie hatten zwar die Wohnung, aber noch keine Möbel und so mussten sie die ersten Wochen auf dem Boden schlafen, doch sie waren alle Kämpfer und nach und nach konnten sie sich ihre Wohnung einrichten. Alaina nahm für die ersten Monate, in denen der Bauch noch nicht auffiel die Arbeit in dem Heilgebäude wieder an. Titus war allzu erfreut, sie wiederzusehen. Das war ihre erste Einnahmequelle, währenddessen hatten Lydia und Anna, die mittlerweile, sehr zu Freuden von ihnen allen zusammengefunden hatten, eine andere Geschäftsidee: Sie öffneten eine Bäckerei im unteren Teil der Wohnung, die im Erdgeschoss lag, sie rissen eine Wand hinaus und eröffneten so eine Ladediele. Anfangs lief es noch nicht so gut, doch die süßen Gebäcke und Tortenkreationen überzeugten die Nachbarn und in den nächsten paar Wochen auch das ganze Stadtviertel, in welchem sie wohnten. Es lief alles ziemlich gut, auch Jera und Miria konnten ihren Traum eines eigenen Ateliers verwirklichen, da hatte doch auch Ella ihre Hand im Spiel, die nur zu gerne in junge Künstler investierte und außerdem tat sie Alaina damit einen Gefallen. Generell wurde der Kontakt zu der jungen Adeligen, die mittlerweile mit George verlobt war, immer enger und inniger. Sie verstanden sich sehr gut, nur fehlte Liliana, bei welcher die Stimmung immer noch angespannt war. Alaina konnte ihre verletzenden Worte und ihre Verärgerung gegenüber ihr nicht verstehen, ja fast enttäuscht war sie von diesem Verhalten, doch immer mehr nagte der Gedanke in ihr, dass sie vielleicht Recht haben könnte. Wenn es James wirklich so schlimm ging, dann liebte er sie wahrlich noch. Sie vermisste ihn immer noch schrecklich, konnte keinen anderen Mann nehmen, niemals, das war ihr in den letzten Monaten ebenso klar geworden. Immer mehr hatte sie die Befürchtung, einen riesigen Fehler gemacht zu haben, als sie ihn zurückgewiesen hatte, denn jede Zelle ihres Körpers sehnte sich nach ihm und wollte ihm verzeihen. Mittlerweile war sie auch immer mehr überzeugt davon, ihm in jener Nacht Unrecht getan zu haben. Alaina seufzte, immer diese Gedanken, die unaufhörlich in ihrem Kopf kreisten. Doch eine Sache war ihr klar, sie liebt ihn und wenn er sie auch liebt, wo war denn das Problem? Alaina blickte in den Sonnenuntergang, der sich in den Gassen von Luna widerspiegelte. Sie liebte diese Stadt, die Menschen hier, das Leben, die Schönheit. Alles war so lebendig und voller Lebensfreude. Zudem zeigten sich James Innovationen und Neuerungen bereits jetzt, er wurde von allen gefeiert. Das Heilgebäude wurde ausgebaut, die Ausbildung verbessert, Ressourcen wurden geschaffen, neue Arbeitsplätze. Alles florierte und blühte, es war ein goldenes Zeitalter, wie manche Gelehrten davon sprachen. Nur eine Sache drohte das goldene Zeitalter in den Schatten zu ziehen: Roben, der immer noch unauffindbar war und sich jedem Soldaten im Land seiner Gegenwart entzieht. James selber hatte es öffentlich vorgetragen, dass er lebt und dass jeder Hinweis auf ihn teuer belohnt wird. Doch keine Spur von ihm, weder in Amherra noch in Riza, welches ja mittlerweile auch zum amherranischen Staatsgebiet gehörte. Der zweite Triumph seiner Regierungsperiode. William als Verwalter lieferte gute Arbeit wie Ella ihr einst vor Monaten erzählt hatte, sie hatte bewusst den Kontakt mir ihr vermieden, denn ihr Bauch war mittlerweile riesig, sie war hochschwanger und es fehlten nur noch wenige Wochen bis zum Termin. Rikka war zu ihrer Hauptärztin geworden, die sie jeden Monat untersuchte. Diese hatte mittlerweile eine Praxis in der Nähe ihrer Wohnung aufgemacht. Alaina legte eine Hand auf ihren Bauch. Sie hatte sich entschieden, sie würde es James sagen. Morgen kam Ella und dann erzählte sie es ihr. Die Entscheidung war nicht leicht gewesen, aber er verdiente die Wahrheit trotz der Gefahr, dass sie ihr Kind nie wiedersehen würde, denn ein Prinz und eine Einfache von der Gosse, das waren zwei Komponenten, die sich widersprachen. Die Mütter, die die Bastarde gebaren, verschwanden grundsätzlich von der Bildfläche, so war es schon immer gewesen. Doch damit müsste sie leben müssen, auch wenn es ihr das Herz brach, denn sie liebte ihr Kind mit jedem Atemzug mehr und ihr Mutterinstinkt war immens groß. Morgen würde sie handeln, morgen würde sie sich ihm stellen und beichten, dass sie sein Kind in ihr trug. Morgen würde sie ihn wiedersehen. Es war wirklich erstaunlich, wie sehr sie sich darauf freute ihn wiederzusehen, doch es sollte sie eigentlich nicht überraschen. Vielleicht, vielleicht galt auch dasselbe für ihn, sodass sie ..., nein sie wagte es gar nicht auszusprechen, so unwahrscheinlich es war, aber eine kleine Hoffnung erklomm in ihrem Herzen, dass er sie doch zurücknehmen würde. Es war ein Fehler, ihn in der Zelle zurückzuweisen, doch zu dem Zeitpunkt war sie noch nicht bereit. Jetzt, jetzt war sie es und sie konnte sich verfluchen, alles, dass sie so hart zu ihm gewesen ist. Er war ein verdammt guter König und ein verdammt guter Mann, das waren sie alle, auch ihr Vater und ihr Bruder. Alaina schloss die Augen. Nicht nur sie hatten Fehler gemacht, ja sie hatten sie angelogen und er hatte ihr ein scheußliches Angebot unterbreitet, aber sie hatte ihnen nicht vertraut. Es war für sie so einfach gewesen anzunehmen, sie wären ihr alle in den Rücken gefallen, hätten sie verlassen, denn sie kannte nichts anderes in ihrem Leben, doch dem war nicht so. Sie hätte mehr Vertrauen in ihn, in alle haben können. Sie waren ihre Familie, das hatte sie viel zu spät realisiert. Die Worte in jener Zelle hätten gegen sie gerichtet werden sollten. Zu spät, zu spät und doch war ein kleiner Funken in ihr, der immer noch hoffte, auf ein Verzeihen. Ihre Schuldgefühle zerfraßen sie fast und sie konnte sich vorstellen, wie James sich fühlen müsste. Sie war so ignorant gewesen, doch es halt nichts, sie konnte nur hoffen. 

Gerade wollte sie sich dem Heimgehen widmen, als ihr jemand plötzlich einen schwarzen Sack über den Kopf legte und fest zudrückte. Alaina röchelte sie bekam keine Luft mehr. Panisch schlug sie um sich und wollte schreien, so laut es geht. Nicht jetzt, nein bitte nicht, sie musste es James sagen, das Kind! Rumpfs mit einem Schlag haute ihr jemand mit einem Stock auf den Kopf und alles wurde schwarz. 

"Das Volk liebt euch, mein König." Maximilian Ejus, der Lord stand auf und trug die neuesten Mitteilungen aus dem Volk vor. James hatte eine Anlaufstelle für direkte Beschwerden vom Volk geschaffen, um ihre Wünsche besser umsetzten zu können. Eine gute Idee, wie es sich herausstellte, denn das zog positive Bestätigungen nach sich. Ein guter König schaut auf sein Volk, das hatte Leopold der dritte immer zu seinem Sohn, seinem treuen Freund gesagt. Da fiel ihm ein, dass er wieder das Grab besuchen könnte, welches im schlosseigenen Friedhof lag. Alle würden dort begraben werden, auch er, jedoch bisweilen noch ohne Ehefrau. Die Adeligen dieses Reiches wurden immer begieriger darauf, ihn verheiratet zu sehen. "Nur es wünscht sich langsam eine Königin und einen Erben." Lord Ejus blickte ihn an und das führte zu einem Gemurmel in seinem Beratungssaal. "Der König wird heiraten, wenn er bereit ist." knurrte George und auch Charly warf einen bedrohlichen Blick auf die übrigen Aristokraten, die heute ebenfalls an der Sitzung teilnahmen. Seine Eltern, die Lordschaften Geminus und Ares waren heute ebenfalls dabei, es war eine der offenen Sitzungen, bei denen es hauptsächlich darum ging, den Hofstaat auf dem neuesten Stand zu halten. Normalerweise verbrachten diese die meiste Zeit ihres Ruhestandes in einem Landhaus abseits des Stadtgetrubels. Die Lordschaften Ares hingegen waren auf einer Rundreise, seit Monaten, sie wollten ihre Hochzeitsreise erneut machen. Geminus, Alainas Vater, wohnte mit seiner Frau in einem Stadthaus, welches auch im ersten Ring um das Schloss lag und eher unbekannt war, nur die wenigsten wussten, dass sie dort verweilten. "Genau." pflichtete ihm James bei und er musste sich bemühen nicht die Augen zu verdrehen, als ihm alle weiblichen Adeligen mit gierigen Blick versuchten, seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Sie schmissen sich geradezu an seinen Hals, bei jedem Ball, jeder Veranstaltung, jedem Ausritt, jedem Picknick, jedes verdammte Mal. Er musste sich zusammenreißen, um höflich zu bleiben, doch sie hatten im Prinzip alle Recht. Seit er Alaina das letzte Mal vor einem halben Jahr gesehen hatte, war er nicht imstande sich eine Frau zu nehmen, doch er musste irgendwann. Es war seine Pflicht als König. Alaina, der Gedanke an sie, führte immer noch zu dem gleichen Schmerz in seiner Brust. Er fragte sich langsam, ob das normal war, denn immer noch sehnte er sich unglaublich nach ihr. Wenn er wieder heiraten würde, dann nur wegen dem Erben wegen, aber aus Liebe konnte er nicht, denn es gab nur sie für ihn.Er hatte es versucht, hatte sogar Prostituierte in sein Schlafzimmer eingeladen, in der Hoffnung ihn dadurch auf andere Gedanken bringen können, doch zwecklos, er konnte es nicht, immer wieder lag ihr Gesicht unter ihm, ihr Lachen, ihre blitzende blaue Augen .... "Eure Hoheit." Sein Vater sprach ihn an. Es war immer noch komisch, wenn er ihn so ansprach, zwar nur bei offiziellen Gegebenheiten, aber trotzdem. James riss sich zusammen, er war wieder einmal abgedriftet, wegen ihr. "Ich werde in den nächsten Woche unsere Königin auswählen." verkündete er und das führte zu einem Aufruhr, damit hatte sie wohl nicht gerechnet. Seine Familie, Charly und George rissen erstaunt die Augen auf. Auch seine Schwester schien überrascht, die ihn jedoch sogleich besorgt musterte. Sie hatte sich in letzter Zeit sehr um ihn gekümmert, sie war einer der wenigsten, die seinen Schmerz und seine Sehnsucht sahen. "Es wird mir eine Freude sein." Adele Vanite beugte sich von allen Adeligen hervor, sie rannte ihm fast schon am meisten hinterher, immerhin war sie ihm ja auch versprochen. "Nein, ich werde euch nicht heiraten." Empören von Seiten ihrer Mutter, Lady Montagne und die anderen ihrer Kompagnon, doch er brachte sie mit einem einzigen Wink zum Schweigen. "Ich denke nicht, dass ich euch Rechenschaft schuldig bin, außerdem ist es mir zuwider, jemanden zu heiraten, der die Sklaverei wieder aufleben lassen will." Seine fast zukünftige Frau lief knallrot an, es war eine öffentliche Demütigung für sie, doch James genoss es fast, so sehr angewidert war er von ihr. "Hiermit beende ich die Sitzung." Es war mittlerweile abends. Die Sitzung war lange und anstrengend, er hatte nachher noch eine Besprechung mit Lukas, Roko und den anderen Wachen, die immer noch den Zusammenhang zwischen dem Alius-Gesetz und den Wachen im Südviertel untersuchten, denn diese haben angegeben, dass ihnen jemand zugesteckt hatte, dass dieses Gesetz dem neuen König sehr wichtig wäre und zu dessen Durchführung angefordert haben. Doch dieser jemand hatte sich nicht zu erkennen gegeben. James hatte einen üblen Verdacht, den George und Charly ebenso teilten: Roben, der Zwietracht sähen wollte, irgendetwas plante er, das wusste sie, doch sie überprüften und überwachten alle möglichen Anschlagsoptionen, wie die öffentlichen Plätze oder die Heilgebäude. Er zeigte sich nicht und auch nicht was er vorhatte, das machte sie alle wahnsinnig. Es waren alle Soldaten, alle Wachen dieses Riesenreiches nach einem Mann aus, er müsste bald geschnappt werden. 

WüstenköniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt