Kapitel 4 - Hochwohlgeboren mit der Nase ganz oben!

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Hier saß ich also nun.

In fremden Kleidern, in einem fremden Haus, auf einem fremden Bett. In einer Zeit, die ich nicht kannte. In einer Zeit, über die ich nichts wusste. Und vor allem in einer Zeit, von der ich nicht wusste, wie ich überhaupt hierhergekommen war.

Mein Atem beschleunigte sich, als sich langsam die Panik in mir ausbreitete. Bisher war so viel passiert, seit ich in diesem Stall aufgewacht war, ich hatte kaum eine Sekunde mit meinen Gedanken alleine gehabt. Aber nun überfielen sie mich wie dunkle Schatten. Ich wollte nicht hier sein, ich wollte keine junge Gräfin kennenlernen, auf die ich aufpassen sollte. Das war alles eine riesengroße Verwechslung! Ich war keine Anstandsdame, es musste ein anderes Mädchen geben. Eine Katharina aus Italien. Aber das war sicher nicht ich. Ich wollte einfach nur wieder nach Hause.

Bei dem Gedanken an zu Hause schossen mir die Tränen in die Augen. Mein Vater machte sich wahrscheinlich große Sorgen um mich. Schließlich war ich ja nicht von der Silvester-Party nach Hause zurückgekehrt. Und ich war gestern noch so doof gewesen, einfach abzuhauen, ohne mich von jemandem zu verabschieden. Liz machte sich vermutlich auch furchtbar viele Vorwürfe, dass sie mich alleine hatte gehen lassen. Dann schoss mir ein anderer Gedanke durch den Kopf. Meine Tasche lag heute Morgen nicht neben mir im Stall. Mein Handy hatte ich seit gestern Abend nicht mehr gesehen. Anscheinend war das also nicht mit mir zeitgereist. Ich dagegen war einfach verschwunden.

Würde man davon ausgehen, dass ich entführt worden war? Würde man mich suchen? Würde man von einem Verbrechen ausgehen? Oder würde man mich überhaupt vermissen? Mein Kopf spann diesen verrückten Gedanken weiter. Wenn ich jetzt hier war, und vielleicht für immer hierbleiben musste, würde ich hier sterben und nie wieder zurück ins 21. Jahrhundert kehren? Ich würde nie geboren werden. Oder? Dieses ganze Zeitreisen-Gedöns hatte ich in Filmen und Büchern sowieso noch nie verstanden.

Aber ja, Zeitreisen. Das war das, von dem ich jetzt ausgehen musste. Und das nur, weil Tobi, dieses Riesen-Arschloch, mich geküsst hatte. Mein Körper mit seinem hervorragenden Kurzzeitgedächtnis brachte alle Emotionen sofort zurück. Ich fühlte alles nochmal. Freude, Glück, dann Enttäuschung und das Gefühl von Verrat. Warum hatte er mich küssen müssen? Er hatte mit Sicherheit gewusst, dass ich seit Ewigkeiten auf ihn stand. Dass es zudem noch mein erster richtiger Kuss gewesen war, hatte ihn amüsiert. Er hatte es ausgenutzt. Mit mir und meinen Gefühlen gespielt. Und mit meiner Brust! Ich fühlte mich sofort dreckig und schäbig, als ich an seine Berührung dachte.

Wäre das alles nicht passiert, wäre ich nicht früher nach Hause gegangen. Alleine. Ich hätte auf den Weg geachtet und nicht meine lächerlichen Neujahrsvorsätze gelesen. Ich wäre nicht gestolpert, hätte mir nicht den Kopf gestoßen und wäre vor allem nicht im 18. Jahrhundert aufgewacht.

Meine Neujahrsvorsätze. Ich konnte mich sofort an alle erinnern. Sie hatten sich in mein Gehirn eingebrannt.

Für das Jahr 2021 nehme ich mir vor:

> mehr zu reisen

> einen Job zu machen, der mir Spaß macht

> neue Leute zu treffen und mit ihnen Spaß zu haben

> ein neues Hobby zu lernen

> weniger Handy & Social Media, dafür mehr zu lesen

> mehr für die Umwelt zu tun

> eine Feministin zu sein

> eine Angst zu überkommen

> mich so richtig zu verlieben.

Ungewollt stieß ich ein kleines hysterisches Kichern aus. Na, das konnte ich auf jeden Fall vergessen. Meine Vorsätze waren umsonst. Denn ich war nicht mehr im Jahr 2021.

My past resolutionsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt