Irgendwie schaffte ich es, den Tanzstunden am nächsten Tag zu entkommen. Ich überzeugte Ludmilla, dass es an der Zeit war, sich das passende Kleid für den Spätsommerball auszusuchen. Damit köderte ich sie. Anscheinend war ihr ihr Aussehen und das Kleid wichtiger als meine Tanzfortschritte. Und das war auch gut so. So kam sie nämlich gar nicht auf die Idee, Johann wieder als meinen Tanzpartner einzuspannen.
Er war wirklich der letzte Mensch, den ich heute sehen wollte. Oder morgen. Oder überhaupt. Deshalb half ich Ludmilla nur zu gern beim Kleider anprobieren, an- und ausziehen, denn so konnte mich den ganzen Tag in ihrem Raum verstecken. Ich lief nicht in Gefahr, Johann über den Weg zu laufen. Außerdem konnte ich meine Gedanken von ihm ablenken und mich voll und ganz darauf konzentrieren, welche Farbe Ludmillas Hautton am besten schmeichelte.
Ich bemerkte jedoch auch die Blicke, die Ludmilla mir immer wieder zuwarf, wenn ich mich von ihr abwandte. Sie musterte mich prüfend, als versuchte sie, irgendetwas aus mir oder meinem Verhalten herauszulesen.
"Was ist?", blaffte ich sie schließlich irgendwann an, als ich ihr Gestarre nicht mehr ertragen konnte. Überrascht blinzelte sie.
"Wie bitte? Nichts!"
"Ludmilla, warum schaust du mich die ganze Zeit an? Wenn du mich etwas fragen willst, dann frage mich doch einfach." Mich beschlich das Gefühl, dass Ludmilla gestern nicht nur aus Dringlichkeit den Raum verlassen, sondern mich ganz bewusst mit Johann alleine gelassen hatte. Dieses hinterhältige Biest!
Ludmilla verzog ihren Mund zu einer unschuldigen Schnute. "Nun ja... Ich habe mich nur gefragt, was da gestern passiert ist. Zwischen dir und Johann, meine ich. Als ich von der Toilette zurück kam, warst du einfach verschwunden."
"Es ist nichts passiert.", versuchte ich sie abzublocken. Stattdessen hielt ich ihr einen grünen Hut an den Kopf. Angewidert verzog sie das Gesicht.
"Ach bitte, erzähle es mir! Ich habe dir auch alles von Anton und mir erzählt."
"Erpressung funktioniert nicht, Ludmilla. Es gibt nichts zu erzählen. Zwischen mir und Johann ist nichts, du musst dir das aus dem Kopf schlagen."
"Ich kann dir das einfach nicht glauben. Er sah gestern so glücklich aus, als er dich gesehen hat."
"Er hat sich sicherlich nur gefreut, dich zu sehen."
Ludmilla gab ein zweifelndes Geräusch von sich. Ich wünschte mir währenddessen, sie würde mich einfach in Ruhe lassen. "Hattet ihr einen Streit?"
"Nein, es gibt nichts mehr, worüber man streiten könnte.", antwortete ich genervt.
"Ha!" Ludmilla sprang auf einmal auf und zeigte mit dem Finger auf mich. "Du hast "nicht mehr" gesagt. Da muss also schon mal etwas gewesen sein!"
Geschlagen schloss ich die Augen und atmete durch. Ich musste nachdenken, bevor ich etwas sagte. Jetzt war es zu spät. Und Ludmilla war zu hartnäckig, um mich jetzt noch davon kommen zu lassen. Also beschloss ich ihr die Wahrheit zu sagen. Die grausame, einfache Wahrheit. Vielleicht half das auch mir, damit abzuschließen.
"Wir sind übereingekommen, dass ein Verhältnis von Graf und Anstandsdame nicht funktioniert. Deshalb ist da nichts und wird auch nie wieder etwas sein."
Ludmillas Augen wurden groß und ungläubig.
"Verhältnis?! Zwischen Graf und Anstandsdame?", wiederholte sie, beinahe fassungslos. Ich nickte.
"Er sagte, der Stand einer Anstandsdame und der eines Grafen vertragen sich nicht. Er möchte meinen Ruf nicht ruinieren."
"So ein Unsinn!", rief Ludmilla aus. "Wann hat er das gesagt? Gestern?"
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My past resolutions
Narrativa StoricaIsa könnte nicht glücklicher sein, als ihr langjähriger Schwarm sie endlich küsst. Und das an Silvester, genau um 0:00 Uhr. Schon immer hat sie davon geträumt, so in ein neues Jahr zu starten. Doch dieser meint es nicht ernst mit ihr und Isa ist zu...