Kapitel 23 - In Krankheit und Gesundheit!

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"LÜGNER! IHR SEID ALLE BETRÜGER! ICH WILL MEIN GELD! LASSEN SIE MICH LOS!"

Der Graf schrie und trat um sich. Johann stand wie angewurzelt neben mir. Die Traube der Schaulustigen wurde währenddessen immer größer.

"Johann, tu etwas!" Ich schubste Johann so stark, dass er nach vorne stolperte und aus seiner Starre erwachte. Er drückte sich durch die Menschenmenge zu seinem Vater.

"Lassen Sie mich durch! Ich bin sein Sohn!", brüllte er, als zwei weitere Wachen ihn aufhalten wollten.

"Das ist der Sohn von diesem Verrückten?", hörte ich jemanden neben mir sagen. Ich blickte nach links und sah zwei Mädchen, schlimmer geschminkt als ein Clown. Das war auch der Grund, warum ich nicht genau schätzen konnte, wie alt sie waren, doch sie mussten ungefähr mein Alter haben.

"Wer ist das?", fragte die andere.

"Ich habe keine Ahnung. Aber das müssen wir herausfinden.", quietschte die erste aufgeregt.

"Ob er wohl noch zu haben ist?"

"Das geht euch einen Scheißdreck an!", fauchte ich die Mädchen an. Genug war genug. Völlig pikiert starrten sie mich mit offenen Mündern an. Ich verdrehte nur die Augen und schob mich ebenfalls durch die Menge, zu Johann. Meine Güte, ich musste meine Eifersucht echt in den Griff bekommen.

"Vater, beruhige dich!", schrie Johann. Er versuchte, Graf Ludwig an den Armen zu packen. Ich schnappte nach Luft. Das durfte er nicht tun. Wie gesagt, ich hatte mich früher stark mit der Krankheit meiner Mutter beschäftigt und auch mit Wahnvorstellungen. Auf keinen Fall durfte man halluzinierende Personen anschreien oder ohne ihr Einverständnis anfassen! Man musste ruhig bleiben und versuchen, die Person sanft in die Realität zurückzuführen. Doch Johann wusste das alles nicht.

"Fort mit dir, Bastard!", spie der Graf, riss seinen Arm los und schleuderte Johann seine Faust ins Gesicht. Die Menge schrie erschrocken auf. Ich auch. Johanns Kopf flog herum und er taumelte zur Seite.

"Lasst mich durch.", rief ich und drückte die Kleider und Körper ohne Rücksicht zur Seite. Ich musste Johann helfen.

"Herr Graf!" rief ich, ohne gegen die Lautstärke der Leute ankommen zu können. Ich wollte seine Aufmerksamkeit auf mich lenken, vielleicht schaffte ich es ja, ihn zu beruhigen. "Graf Ludwig!"

Doch der Graf reagierte nicht. Oder hörte mich überhaupt nicht. Energisch schob ich die letzten Leute beiseite und trat in den Kreis, der sich um den Grafen gebildet hatte.

"Ludwig!", sagte ich noch einmal laut und deutlich. Ich nannte ihn mit voller Absicht beim Vornamen. Er war sicher so in seiner Fantasie gefangen, dass er mich nicht einmal erkannte. Aber ich musste eine persönliche Bindung aufbauen. Und es funktionierte. Als er nur seinen Namen hörte, riss er seinen Kopf zu mir herum. Er erblickte mich und plötzlich wurden seine Augen ganz groß. Hatte er gerade eben noch wie ein Löwe gekämpft und gebrüllt, so stand er nun einfach nur da und schaute mich wie ein Lamm an. Aus dem Augenwinkel nahm ich Johanns erstauntes Gesicht wahr, doch ich fokussierte mich auf den Grafen. Endlich hatte ich seine Aufmerksamkeit, die durfte ich jetzt nicht wieder verlieren. Vorsichtig ging ich auf ihn zu, die Hände offen von mir gestreckt. So machte ich ihm klar, dass ich ihn nicht verletzen wollte.

"Es ist alles in Ordnung.", sagte ich ganz langsam und ruhig. "Es gibt keinen Grund zur Aufregung. Was ist los?"

Ich hatte gelernt, man musste mit Menschen sprechen und sie auch sprechen lassen. Sie ernst nehmen und fragen, was sie sahen. Doch der Graf antwortete mir nicht. Er sah mir nur in die Augen, und die seinen füllten sich mit Tränen. Bevor ich reagieren konnte, riss Graf Ludwig sich von den Wachen los, kam zwei Schritte auf mich zu - und umarmte mich.

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