Kapitel 5 - Verstecken spielt man nicht zu Zweit!

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"... Isa, aufstehen!"

Die Stimme meines Vaters drang durch meinen Traum. Ich wurde langsam wach, schlug meine Augen jedoch noch nicht auf. Stattdessen kuschelte ich mich tiefer in die Decken. Ich wollte noch nicht aufstehen. Ich spürte, wie die Kälte sich unter meine Bettdecke stehlen wollte, doch das wollte ich nicht zulassen. Außerdem musste ich sowieso nicht aufstehen! Schließlich hatte ich Semesterferien.

"Fräulein Isabella! Sie müssen aufstehen!"

Das laute Klopfen an der Tür ließ meine Augen schlagartig auffliegen. Ich war sofort hellwach. Mein Blick erfasste den Raum, in dem ich mich befand, und mich eine Welle der Enttäuschung. Ich war immer noch hier. In diesem fremden Zimmer im Haus eines Grafen im 18. Jahrhundert. Hatte ich das schon mal laut ausgesprochen? Merkte eigentlich jemand, wie absurd das klang?

Doch wenn ich ehrlich war, hatte ich etwas anderes erwartet? Die halbe Nacht hatte ich wachgelegen und mir Gedanken gemacht. So müde mein Körper auch war, mein Kopf wollte mich nicht zur Ruhe kommen lassen. Ich hatte eine Lösung finden wollen, aber meine Gedanken kreisten nur um das Problem und halfen mir nicht weiter. Irgendwann schien ich endlich doch eingeschlafen zu sein, wenn auch nur kurz und von wirren Träumen durchzogen. Wieder hämmerte es an die Tür und ich zuckte zusammen.

"Fräulein Isabella! Sind Sie wach? Sie müssen aufstehen!"

Ich hörte Arthurs Schritte davon gehen. Ich wollte nicht aufstehen. Denn dann würde ich mich einen weiteren Tag dieser fremden Realität stellen müssen. Und ich wusste nicht, ob ich die Kraft dazu hatte.

Meinen Optimismus hatte ich irgendwann in der Nacht verloren. Ich hatte überlegt, ob das irgendeine Prüfung einer höheren Macht war. Aber da ich nicht sehr religiös war, verwarf ich den Gedanken schnell wieder. Das hier war eine Bestrafung. Vielleicht für meine begangenen Sünden. Wer wusste das schon? Zumindest war ich zu dem Entschluss gekommen, dass, sollte ich wirklich in der Zeit gereist sein, ich einen Weg zurück finden musste. Vielleicht gab es im Dorf eine alte weise Frau, die mich verzaubern konnte. Ich könnte auch nach einem alten Buch suchen, das meine Fragen beantwortete. Nur, wo gab es so ein Buch? Würde mir irgendjemand glauben, wenn ich erzählte, wie ich hier gelandet war? Oder würden sie mich in die Klapse stecken?

In dieser Hinsicht sollte ich wohl auf die Hilfe von anderen Menschen verzichten. Ich musste alleine einen Weg finden. Aber der fand sich nicht im Bett. Also schob ich vorsichtig meine Füße unter der Decke hervor und stellte sie auf den Boden. Er war eiskalt. In diesem kurzen Moment verfluchte ich mich, dass ich das Feuer gestern gelöscht hatte.

Eilig hüpfte ich zur Kleiderkiste und griff nach den Strümpfen. Ich zog auch gleich die Schuhe darüber - Hauptsache, ich musste keine Sekunde länger auf diesem kalten Boden stehen. Ratlos starrte ich nun in Nachthemd und Schuhen auf den Kleiderhaufen vor mir. Ich versuchte, mich an die Reihenfolge zu erinnern. Zuerst entknotete ich die Bänder des Korsetts. So etwas Umständliches. Hätte es nicht auch in dieser Zeit schon die praktischen BH-Verschlüsse geben können? Ich stülpte es über meinen Kopf, denn blind hinter dem Rücken würde ich es auf keinen Fall zubinden können. Doch meine Schultern waren zu dick. Die Hände in die Luft gestreckt stand ich gefangen da, kam nicht mehr vor und nicht mehr zurück.

"Isa!", ertönte wieder eine Stimme. Diesmal erkannte ich Magda und rief ihren Namen, bevor sie davon eilen konnte. Als Magda vorsichtig die Tür öffnete und mich sah, brach sie in schallendes Gelächter aus.

Ich versuchte, sie durch das Korsett hindurch böse anzustarren. "Ja, sehr witzig. Kannst du mir bitte helfen?"

Sie war natürlich schon komplett angekleidet. "Warum hast du es nicht aufgeschnürt?", fragte Magda zwischen zwei Lachanfällen.

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