Kapitel 12

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Rafael

»Verdammt!« Wütend werfe ich einen Stuhl durch den Raum. »Sie kann nicht spurlos verschwunden sein!« Ich tigere durch Albas Wohnung. Ignoriere das Brennen in meiner Brust und überlege, wo dieses Miststück sein könnte. Irgendetwas müssen wir übersehen haben. Irgendetwas passt nicht ins Bild. Wie kann sie so etwas meiner Schwester angetan haben, wenn sie Kuscheltiere sammelt und nicht einmal Messer oder Ähnliches in der Wohnung hat? Ich meine, jetzt mal im Ernst, sie besitzt ein Buttermesser! Ein einziges! Nirgendwo sind Familienbilder oder Ähnliches. Ihre Wohnung ist sauberer als die Krankenhäuser, in denen ich bisher war! 

Keiner weiß etwas von ihr. Es ist als hätte sie niemals existiert. Als hätte sie einen falschen Namen angenommen. Die einzige Möglichkeit ist, dass sie doch noch nach Hause zurückgekehrt ist. Manuel meint, es wäre völlig unmöglich, aber die Kleine überrascht uns nicht zum ersten Mal. 
»Jiménez«, rufe ich einen der Männer, die seit Wochen ihre Wohnung beschatten. »Lass ein Flugzeug bereitstellen. Ich bin in einer halben Stunde am Flughafen und möchte, dass der Jet sofort losfliegt, ohne Verzögerung!«
Er nickt »Wohin soll es gehen, Señor?«
»Puerto Rico. Ich werde mir die Bitch krallen!«

Am Flughafen gehe ich jedes Bild noch mal einzeln durch. Es muss ein Hinweis geben, wo ich sie finden kann. Irgendetwas. Irgendjemanden. 

Alba


Meine Ankunft liegt nun zwei Wochen zurück. Es ist als hätte ich eine Reinkarnation zu einer neuen, bessern Alba hinter mir. Ich habe nur noch ein Ziel und der Gedanke daran, spendet mir die Energie und die Luft zum Atmen. Pumpt mir das Blut durch meinen Andern, lässt mein Herz höher schlagen.
Mein Vater habe ich einige Male gesehen, aber gesprochen haben wir seitdem nicht. Mir macht es nichts aus, zum ersten Mal in meinem Leben bin ich dankbar für die Härte des Trainings. Schlag. Box. Tritt. Schlag. Box. Tritt. 
Mein neuer Trainer ist Sanchez. Ich bin ihm wirklich unendlich dankbar dafür, dass er mich bis zu meinen Grenzen gehen lässt. Es ist anders als früher, früher habe ich das Training gehasst. Es lag hauptsächlich daran, dass ich gezwungen wurde und dass die Strafe, für das nicht erreichen von Papas Forderungen auf meine Haut dokumentiert wurden wie die Zahlen einer Lotterie. Jedes Mal ein Stich oder Tritt, wenn ich es nicht geschafft habe.  

Ich habe mittlerweile auch neue Tattoos. Das Erste liegt auf der Höhe meiner Brust. In griechischen Buchstaben steht: Nemesis. Sie war die griechische Göttin der Rache und ist mein neues Vorbild. Um die Schrift herum habe ich mir noch einen Phoenix eintätowieren lassen, als Symbol für meine Wiedergeburt, nachdem ich in der Asche der Hilflosigkeit verbrannt bin.  Außerdem habe ich mir die Zahl 15 auf meinem Oberarm tätowiert, als Erinnerung an meinen verlorenen Bruder Alberto der im Krieg gegen seine Vernunft gefallen ist. Alberto hat in mir etwas losgetreten, dass ich so bisher noch nie gefühlt habe. Es ist eine Art Rachedurst oder Blutdurst, der unstillbar zu sein scheint. Ich bin unsagbar wütend auf alles und jeden. Ich habe seit meiner Ankunft mit niemandem außer Sanchez gesprochen. Noch habe ich keinen genauen Plan, aber dafür ein festes Ziel. Mein erstes Opfer steht auch schon fest und ich freue mich darauf es durchzuziehen. Es ist ein Versprechen, dass ich mir selbst gegeben habe. Sie alle werden in gewisserweise Fallen.
Meine Spezialwaffen sind Pfeil und Bogen. Mit Pistolen konnte ich noch nie wirklich gut umgehen, es waren die Spitzen Gegenstände die sich an meiner Haut wie Butter anfühlen: Messer, Pfeile, Speere...  Mit dem Bogen in der Hand fühle ich mich wie Athen oder Ares. Fühle mich unaufhaltsam und dafür geboren, Krieg zu führen. Krieg gegen meine Peiniger. Gegen meinen Vater, Alberto, Don Emilio und Rafael.
Rafael hat mir im Vergleich zu den anderen nicht viel schlimmes angetan, aber die Klinik war mein Baby, und er hat es getötet. Mit dem Verlust der Klinik, hat er mir gezeigt, dass ich nicht dafür geboren bin zu erschaffen, sondern zu zerstören. Sollte ich meinem Lehrer nicht zeigen, wie gut ich aufgepasst habe? 

Mi enemigoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt