Capitulo 10

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Alba
Träge öffne ich meine Augen. Das ständige Piepen von irgendwelchen Geräten lässt mich erwachen. Orientierungslos blicke ich auf die weiße Zimmerdecke, dann schaue ich in den Raum und muss entsetzt feststellen, dass ich nicht alleine bin. Es sind nicht die blauen Augen meines ehemaligen besten Freundes, sondern braune, blaue und grüne Augenpaare. Still horche ich in mich hinein. Was spürst du gerade, Alba? Nichts. Da ist wieder diese alles ausfüllende Leere, obwohl der Raum gefüllt ist mit bekannten Gesichtern, allen voran das von Rafael. Er sitzt auf einen Stuhl neben mir, ebenso wie Francisco, Hernández und Mikael. Sie alle sind eingeschlafen. Ich stehle mit diese wenigen Minuten und betrachte sein schlafendes Gesicht. Ein Teil in mir möchte meine Finger an seine Lippen legen, einfach nur um sie wieder zu spüren. Ein anderer Teil erinnert mich daran, dass ich das Leben seines Freundes zerstören habe. Stolz überkommt mich. Ich habe kein Mitleid mit Pedro. Nicht ein bisschen. Es wurde Zeit den Männern hier ein Zeichen zu setzten. Sie sollten sehen, zu was ich fähig sein kann wenn die Motivation groß genug ist. Ich muss an Amalia denken. Nachdem Ich Rafael geküsst habe, bin ich mit einem Taxi in das Diner gefahren und habe schnell die Notiz hinterlassen. Das Taxi hatte noch auf draußen auf mich gewartet und mich anschließend ins Krankenhaus gefahren, wo ich Amalia alles erzählt habe. Es war nicht nötig gewesen, denn anscheinend kannte sie mich. Sie sprach mich immer zu mit Schwester an. Anfangs habe ich sie noch verbessert, dann war es mir egal. Ich erzählte ihr meine Geschichte. Alles. Pur und ohne Verschönerungen, während sie mir ihre erzählte. All das hat die Wut auf meine Familie nur noch mehr geschürt. Ich hatte mir bereits gedacht, dass ihre Zeit nicht Leicht war, ihre Aussagen haben mir das bestätigt, wobei sie selbst zugibt, dass sie eine Mitschuld daran trägt. Amalia ist ebenso wie Alberto 23 Jahre alt. Sie hat mir erzählt wie sie an meine Familie geraten ist. Was in den zwei Jahren vor ihrer Entführung passiert ist und wie sich dann die folgenden vier Jahre angefühlt haben. Natürlich hat sie mir nicht sofort vertraut, aber das war mir egal. Ich wusste, wenn ich den Anfang mache würde sie folgen.

Rafaels Hand zuckt ein wenig, er müsste gleich aufwachen. Schmerzerfüllt stöhne ich auf, als ich mich zur Seite drehen möchte, damit er mich nicht beim stalken erwischt. Der Kuss mit Rafael war mein erster wirklicher Kuss. Mein erster mit einer Person die ich... Ich was? Liebe? Ich schließe meine Augen vor Schmerz. Was empfinde ich zu Rafael? Es ist keine Liebe oder Verliebtheit, dafür wäre es noch zu früh. Es ist etwas anderes, etwas das ich nicht beschrieben kann und das mir Angst macht.
Ich musste wissen was Rafael für mich empfindet, nur deshalb habe ich ihn geküsst. Und er hat ihn erwidert. Zweimal. Aber was bedeutet es schon bei einem Typen wie Rafael? Ich kenne Männer wie ihn. Sie haben zehn Frauen an einem Finger, wie sollte ich da jemals mithalten? Das Piepsen wird immer Lauter und erst jetzt bemerke ich, dass es das EKG ist und meinen Herzschlag verrät. Ich blicke in die Runde. Meine Augen heften sich an Hernandez. Er trägt schwarz, ebenso wie der Rest in der Runde. Ich will mich aufrichten, doch der Schmerz wird stärker. In meinen Kopf schwirrt nur eine Frage: Was ist mit Mercedes? Mit meinem Geschrei habe ich nun auch die Männer geweckt. »Cayetana« Rafael greift schnell nach meiner Hand, doch ich entziehe sie ihm. »Wie geht es Mercy?« ich höre wie jemand den Raum verlässt, aber meine Augen sind auf Rafaels braunen gerichtet. Er reagiert nicht. Wieso reagiert er nicht? »Rafie?« bringe ich erstickt hervor. Wieso antwortet er mir nicht? Ich blicke zu Hernandez, sehe die dunklen Ringe unter seinen Augen und die Tränensäcke. Ungläubig schüttle ich den Kopf, als ich es verstehe. Das darf nicht wahr sein, das stimmt nicht. Rafael wischt mir mit seinen Daumen die Tränen weg, doch ich schlage seine Hand zur Seite. »Lasst mich fühlen.« ist das einzige, wozu ich noch im Stande bin zu sagen, bis die Tränen wie ein Wasserfall zu fließen beginnen. Mercedes ist Tod. Gestorben durch eine Kugel die für mich bestimmt war. »Es... Es tut mir so leid, Mercy.« Meine Wunde am Rücken beginnt unheimlich zu schmerzen, während meine Schultern beben, aber ich es nicht unterdrücken. Ich will es nicht unterdrücken. Mein schniefen echoet in dem Zimmer, prallt von den Wänden ab und dringt wieder in meine Ohren. Es ist alles meine Schuld! Ein Schrei verlässt meine Mund. So schmerzerfüllt und rau, dass mir die Stimmbänder wehtun. Keiner sagt mehr etwas. Rafael versucht immer wieder meine Hand zu streicheln, irgendwann lasse ich es zu. Denn irgendwann fehlt mir die Kraft. Ich kann nicht mehr schreien, weinen oder fluchen. Eine Ärztin hat mir etwas zur Beruhigung gespritzt. Seitdem liege ich seitlich auf meinem Bett und starre die weiße Wand an. Mercedes Garcia, 25 Jahre alt, Einzelkind, Vater: bei einem Raubüberfall ums Leben gekommen. Mutter: hat ihre Familie verlassen, als sie sieben Jahre alt war. Todesursache: Herzversagen durch einen Schock, verursacht durch eine Kugel in ihrem Bauch.

Mi enemigoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt