Kapitel 13

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Rafael

Das Flugzeug setzt zur Landung an. Die Luft Puerto Ricos verätzt meine Lungen. Ich hasse dieses Land, am liebsten würde ich die ganze Stadt bis auf die Grundmauern verbrennen. Mein Mietwagen wird vorgefahren und ich steige ein. Das weiche Leder der Sitze passt sich mir an, als wären die Sitze nur dafür hergestellt worden, damit ich mich reinsetzten kann. Fast wie angegossen, als würde es etwas an dieses scheiß Land ändern.
Ich habe mir ein Zimmer am Hafen gemietet, von dort aus kann ich die Stadt im Auge behalten. Kann mich eingliedern und somit mehr von den Márquez erfahren, mehr von den Suarez. Erinnerungen an die Gefangenschaft bahnen sich ihren Weg, doch ich versuche mich abzulenken.
Mein Zimmer ist schlicht eingerichtet. Es erinnert mich an unsere traditionellen Motelzimmer, die es zu Haufen in den USA gibt. Ich wollte keine Aufmerksamkeit auf mich ziehen, daher ist das hier die Perfekte Tarnung.
Ich ziehe mein Handy aus der Tasche und wähle die Nummer von Pedro, schreibe ihm das ich gelandet bin und sie mich ab jetzt nicht mehr kontaktieren sollen, wenn es nicht wichtig ist. Gerade komme ich mir vor, als wäre ich wieder sechs Jahre alt und spiele Fangen, nur dass ich der Fänger bin und die Gesuchte besser um ihr Leben rennen sollte oder dafür beten sollte, dass ich sie nie finde.
Ob ich sie sofort erschieße oder sie schön leiden lasse, werden wir sehen, wenn sie vor mir steht.
Das niemand mein Gesicht kennt, sondern nur meinen Namen ist für mich zum Vorteil.
Nach dem Einchecken in das Hotel, schlafe ich einige Stunden, bis die Sonne untergeht und somit das Nachtleben in Lateinamerika und somit auch in Puerto Rico beginnt.

Ich setzte mich in ein Café und lausche den Worten der Leute. Die Aufregung, die hier herrscht, bestärkt meine Vermutung Alba hier zu finden. Als die Kellnerin an mir vorbeiläuft, halte ich sie am Arm zurück und lächle sie freundlich an: »Buenas tardes Señora, können Sie mir vielleicht sagen, ob Ihnen meine Freundin hier über dem Weg gelaufen ist?« Sie lächelt mich süffisant an und spielt mit einer ihrer Haarsträhnen »Señorita« verbessert sie mich. Alles an ihr schreit nach Aufmerksamkeit. Ich mustere sie einen Moment, ehe ich realisiere, was sie gerade versucht. Okeeeyyy.... Es ist nicht so, als wäre sie nicht attraktiv, aber ich würde niemals eine Puertoricanerin an mich heranlassen, nicht einmal, wenn die Welt nur aus ihnen bestünde. Außerdem habe ich gerade nach meiner Freundin gefragt... Anscheinend gehört es zur Tagesordnung, dass sich die Menschen gegenseitig verraten.

»Haben Sie sie gesehen? Ich wollte sie überraschen und na ja...« Ich zucke mit den Schultern und schaue sie gespielt verliebt an »Ich möchte sie bitten meine Frau zu werden.« Frauen lieben Romantik und der beste Beweis dafür ist die junge Kellnerin, die nun zu kreischen beginnt und sich mit beiden Händen an die Wangen fasst.  
»Wie heißt denn die Glückliche? Oder noch besser haben Sie ein Bild von ihr?« Sie ist sofort Feuer und Flamme, hat anscheinend ihre Flirtversuche gänzlich aufgegeben.
»Alba. Alba Cayetana Márquez« ihr Name wiegt wie Blei auf meiner Zunge. Galle steigt in mir auf bei der Vorstellung, sie könnte wirklich meine Frau sein. Erwartungsvoll schaue ich ihr in die Augen, doch die Kellnerin schüttelt den Kopf. Stöhnend lege ich meinen Kopf in den Nacken und fahre mir müde über das Gesicht. Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn ich sie sofort gefunden hätte.

Alba
Frühstück. Ich hasse es zu frühstücken! Ich gehöre eher zu dem Typ Mensch, der lieber länger schläft anstatt zu Essen. Mittag reicht doch, oder?
Darum werde ich aber nicht herumkommen, das Schlimmste an allem ist, dass mein Vater am Tisch sitzen wird.... Mein Vater.
Früher habe ich alles mit mir machen lassen, alles. Und wofür? Für ein wenig Aufmerksamkeit. Um einmal die Worte ich bin stolz auf dich zu hören. Ich wollte nicht einmal ein ich liebe dich oder mi hija. Nein, das Einzige, was ich wollte, war, dass er einmal Stolz auf mich ist. Ein. Mal.
Jetzt ist es mir... egal. Mein Vater hat gestern mehr als deutlich gemacht, dass ich ihm nichts bedeute. 
Wie in Schnelldurchlauf zieht mein Leben an mir vorbei, Erinnerungen wie ich um seine Aufmerksamkeit gekämpft habe strömen auf mich ein wie eine Welle der Unvernunft. Als ich hinter meinen Augen ein Brennen spüre, schließe ich sie. Ich werde seinetwegen nicht mehr weinen. Das habe ich vor zwei Wochen schon getan, als er so freundlich war und mir erklärte, dass der einzige Grund für mein Dasein meine Mutter ist. 
Ich war nur sein Spielzeug, schießt es mir durch den Kopf. Nächste Woche habe ich Geburtstag, ich werde 21 Jahre alt. In El Paso habe ich mich an diesem Tag zurückgezogen. Meinen Freunden habe ich erzählt, dass ich irgendwann im Dezember Geburtstag habe, damit sie nicht versuchen mit mir diesen Tag zu feiern, denn es gibts zu feiern. Ich denke, dass die Prüfung an meinem Geburtstag stattfindet, soll mir etwas verdeutlichen. Was genau will ich gar nicht wissen, selbst wenn ich weiß, dass es mir spätestens nächste Woche klar sein wird. Ein Teil von mir freut sich darüber, ein anderer würde sich gerne unter der Decke verstecken und die Finger in die Ohren stecken. Mir ist durchaus bewusst, dass es nicht einfach wird, aber irgendwie wurde ich jahrelang auf diesen Tag trainiert und vorbereitet. Zumindest wüsste ich nicht genau, wieso er sich sonst diese Mühe gemacht hat, denn ich glaube mich, als seine Waffe einzusetzen, hatte mein Vater nie im Sinn – da bin ich mir mittlerweile sicher. Früher hatte ich das geglaubt, weil es die einzige logische Erklärung gewesen wäre, aber jetzt... Diese Mühe hätte er sich nicht gemacht.
Ich ziehe mir eine graue Jogginghose und ein bauchfreies weißes T-Shirt an, bevor ich die Stufen herunterlaufe, um in das Esszimmer zu gelangen, wo wir immer das Frühstück einnehmen. In den letzten Tagen wurde mir das Frühstück hochgebracht, weil mein Vater und ich zitiere »Keine Parasiten an seinem Tisch duldet« Das Juan vorhin in mein Zimmer kam und mir gesagt hat, ich soll heute unten frühstücken, kann ich nur auf die Ereignisse von gestern schieben. Also habe ich ihn doch beeindruckt. Diese Erkenntnis löst eine kleine Welle der Euphorie in mir auf. 

Mi enemigoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt