Alba
Ich erstarre, verspüre einen tiefen Schmerz, hervorgerufen durch die Sehnsucht, die ich monatelang seinetwegen verspürt habe, fühle mich wie eine Ehefrau, dessen Mann vom Krieg zurückgekehrt ist – unendlich erleichtert, dass er lebt und zugleich wütend, weil er mich überhaupt verlassen hat.
Ich spüre wie meine Augen zu brennen beginnen, wie mein Herz einen Salto springt und sich eine Wärme in meiner Brust freisetzt, die zu lange gefehlt hat. Unwillkürlich schlage ich meine Hände vor meinen Mund zusammen, um ein Schluchzen zu verhindern.
Alberto hat mich nicht gesehen, er steht noch immer an seinem Wagen und starrt auf den Eingang. Seine Hände hat er lässig in seiner Hose vergraben, die Sonnenbrille liegt auf seine Augen und verbergt ihre Schönheit. Nur langsam schaffe ich es mich aus der Starre zu lösen, ziehe mein Handy aus der Clutch und schreibe Manuel eine Nachricht:»Hola, es tut mir leid, aber ich glaube, ich muss unser Treffen heute verschieben ... Alberto ist da! Kannst du dir das vorstellen?«
Mercedes und Manuel haben mich schon öfter aus meiner Trauer befreit, aus meinem Kummer, weil Alberto mir nicht geantwortet hat. Am schlimmsten war es, wenn sein Status mir angezeigt hat, dass er Online war und auch nach Stunden keine Antwort kam. Manuel hat mir gestanden, dass er Alberto nicht leiden könne, aber ich denke es liegt vielmehr daran, dass er mich beschützen möchte. Er kennt Alberto nicht, deshalb sieht er ihn als Rivalen, zudem ...
Meine Gedanken werden durch das Klingen meines Handys unterbrochen, doch ich reagiere nicht auf die Nachricht, denn dadurch hat Alberto mich bemerkt. Seine Blicke fixieren mich, machen mich unbeweglich und lösen in mir eine Mischung der verschiedensten Gefühle aus.
Mit großen Schritten kommt er auf mich zu wie ein Baum, schlage ich Wurzeln an der Stelle, an der ich stehe. Was ist, wenn es doch ein Traum ist? Wenn ich auf der Feier vorhin zu viel getrunken habe? Denn wenn nicht, würde es bedeuten, dass mein bester Freund endlich wieder da ist. Bei dem Gedanken füllt sich mein Herz mit einer Liebe und Vorfreude, die ich für kaum möglich gehalten habe. Mein Herz hämmert gegen meinen Brustkorb, möchte herausspringen und nie wieder zurück. Die Zeit ohne ihn, war schmerzhaft. Alberto ist meine Familie. Mein Freund. Mein alles.»Hermosa«, ruft er, als er bei mir angelangt ist und zieht mich in seine Arme. Ich erwidere seine Umarmung, rieche seinen gewohnten Duft nach Minze und Zitrone, spüre seinen Puls unter meinen Fingern und höre nichts weiter als seinen Herzschlag. Er drückt mich noch fester an sich, während Tränen der Erleichterung meine Wangen herunterfließen und dafür sorgen, dass Rafael und seine jämmerliche Drohung in den Hintergrund geraten. Sie werden ebenso wie die Sehnsucht weggespült und hinterlassen in meinen Gedanken nicht weiter als eine fröhliche Sommerwiese mit duftenden Blüten.
Als Alberto die Umarmung löst, schlage ich ihm mit voller Kraft gegen die Brust. »Aua! Was habe ich getan?« Fragt er gespielt. Ich ziehe eine Augenbraue hoch und betrachte sein Gesicht. Irgendetwas an ihm hat sich geändert, er sieht nicht mehr glücklich aus. Seine Augen haben an Glanz verloren und auf seiner Stirn zeichnen sich einige Falten ab, zudem hat er mehrere neue Tattoos am Hals, die ihn älter wirken lassen, gefährlicher. Er wirkt im Allgemeinen deutlich aggressiver und brutaler als sonst und seine Muskeln wirken eher erdrückend, als dass sie jemandem das Gefühl von Sicherheit geben könnten. Was ist nur aus ihm geworden?
»Das fragst du noch?« Frage ich gespielt empört »Du hast monatelang nicht auf meine Nachrichten reagiert. Ich habe mir Sorgen gemacht!« Er lacht amüsiert auf, ich verlagere mein Gewicht auf das rechte Bein.
»Hermosa, ich hatte viel zu tun, aber jetzt bin ich hier. Was sagst du, hast du Lust mir Texas zu zeigen?« Ich sehe ihn einen Moment lang gedankenverloren an. Er ist wirklich hier. Mein Alberto ist hier. Aber wieso, Alba? Und wieso findet er nicht die Zeit, mir ein kurzes ›Gut‹ oder Ähnliches zu schreiben, wenn er Stunden lang online war? Wieso taucht er urplötzlich nach all der Zeit auf? Meine inneren Zweifel betrüben ein wenig meine gute Laune. In meinen Gedanken kreisen die Fragen, um mich herum wie ein nicht enden wollender Zyklus: Wieso ist er hier und wieso hat er mir nie geantwortet? Ich nehme mir vor, genau das diesen Abend herauszufinden.
»In Ordnung, aber zuerst muss ich mir etwas anderes anziehen und mich noch mal frisch machen.« Eigentlich wollte ich Alberto nur in meine Wohnung locken, damit er sie wenigstens einmal gesehen hat, bevor er wieder verschwindet und womöglich erst zu meiner Beerdigung auftaucht, sollten hinter den Drohungen vorhin, doch mehr stecken als ich vermute.
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Mi enemigo
RomanceAlba Márquez ist die Tochter eines Kartellanführers. Ihr Leben besteht aus Gewalt, Drogen und Gefahren. Oft muss sie mitansehen, wie unschuldige Menschen unter der Gewalt ihrer Familie leiden müssen. Dem Druck nicht mehr standhaltend können, f...