Capitulo 9

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Rafael
Carlos verglich Cayetana einst mit einem Kamin. Er sagte, es wäre unsere Entscheidung, ob wir das Feuer mit Wasser oder Benzin auslöschen würde. Wenn ich sie jetzt betrachte, wie sie neben mir auf dem Beifahrersitz sitzt und ihr Kopf Richtung Fenster gedreht hält, erkenne ich, dass wir nach der falschen Flasche gegriffen haben. Selbst wenn sich ihre Wut offensichtlich nicht gegen mich richtet, scheint es, als könnte ich die Hitze, die ihre Flammen auswerfen auf meine Haut spüren. Es ist als wäre ich zwischen zwei Stühlen gefangen. Ich weiß, dass sie es ernst meint. Sie wird alles dafür tun, um Pedro zu ermorden, also bleiben mit zwei Möglichkeiten: entweder ich verstecke Pedro so lange, bis ihre Wut verflogen ist oder ich töte sie, bevor sie Pedro tötet.
Ich schaue einen Moment zu ihr, bevor ich mein Blick wieder auf die Straße richte. Ihre Wangen sind gerötet. Der Abdruck meiner Faust ist nun noch deutlicher sichtbar, wo sie sich nun beruhigt hat und ihre Wange, bis auf den Abdruck, einen nur sehr leichten rosa Ton angenommen haben. Cayetana wollte mir nicht verraten, was Pedro so wütend gemacht hat. Wieso er gerade Mercedes erschossen hat. Ich wusste, es wäre ein Fehler gewesen Pedro zu schicken, aber hat mir versichert, dass er ihr nichts tun wird. Er wollte unbedingt wissen, was es mit diesem Hernández auf sich hat und was Cayetana verschweigt. Ich schaue zurück auf die Straße. Bis auf ein Taxi ist die Straße leer. Laternen von links und rechts beleuchten den Fahrweg. Das Licht ist leicht gelblich und verhüllt den Schmutz auf der Straße. An einigen Laternenmasten, an denen wir vorbeifahren, hängen Schuhe. Die Stille im Auto ist so erdrückend, dass mir sogar die verkehrt sortierten Müllcontainer auf der Straße auffallen. »Rede mit mir, Cayetana.« Bitte ich sie schließlich. Sie beißt sich einen Moment auf die Unterlippe als müsste sie sich ein Kommentar verkneifen, dann sagt sie: »Halte an, Rafie.« Ich folge ihrer Anweisung in der Erwartung sie wäre nun wirklich bereit mir zu erzählen, was beim Gespräch herausgekommen ist. Ich fahre auf den verlassenen Parkplatz eines Supermarkts. Sie steigt aus, bevor das Auto hält. Ich folge ihrem Beispiel. Im nächsten Moment drückt sie mich gegen mein Auto und presst ihre Lippen auf meine. Etwas überrumpelt erwidere ich den Kuss. Mit meiner Zunge bitte ich sie um Einlass, den sie gewährt. Sie führt ihre Hände an meine Haare, während meine Hände ihren Nacken umfassen. Unsere Zungen tanzen und necken sich gegenseitig. Ein Keuchen entfährt mir an ihren Lippen. Der Kuss ist intensiver als alles, was ich bisher gespürt habe, leidenschaftlich und fordernd. Meine Hände wandern an ihre Taille. Ich ziehe sie näher an mich heran. Der Abstand gleicht einer Schlucht, die zwischen uns steht. Ein Stöhnen entfährt ihr, was mir ein Grinsen an ihren Lippen entlockt. Dann drehe ich uns um, sodass sie an das Auto lehnt und ich zwischen ihren Beinen stehe. Gerade als ich den Kuss vertiefen möchte, beißt sie mir auf die Lippe und löst sich von mir. Unser Atem geht schneller. Ihre warme Luft stößt gegen meinen erhitzen Körper. Ihre Augen sind Lust-getränkt, ebenso wie meine. Ich würde sie gerne in das Auto packen, nach Hause fahren und ihr die Kleider vom Leib reißen.  Doch sie beugt sich nach vorne und flüstert mir ins Ohr: »Ein süßer Abschied, Rafie.« Dann geht sie einige Schritte rückwärts, denn Blick auf mich gerichtet. Sie trägt noch immer das grüne Kleid von heute Abend. Mein Brustkorb hebt, uns senkt sich immer noch sehr schnell. »Vor einigen Monaten kam ich zu dir, weil ich eine Zusammenarbeit wollte. Wie du dir denken kannst, hat Pedro etwas Grundlegendes verändert. Ich will dir kein Ultimatum setzen, Cariño. Deshalb werde ich jetzt gehen. Erinnere dich an das Gefühl, das du jetzt verspürst. Mit diesem Kuss habe ich dir meine Menschlichkeit, meine Gefühle überschreiben. Ich habe dir meine Seele gegeben. Wir werden uns erst zu der Beerdigung von diesem pendejo wiedersehen, wenn ich ihn mir meinen Pfeilen langsam durchbohrt habe, nachdem ich ihn gezeigt habe, wer nun wessen Schlampe ist. Te prometo que no va tardar. (Ich verspreche dir, es wird nicht lange dauern) bis dahin, pass auf meine Geschenke auf, bald werde ich komme und es mir zurückholen« Cayetanas Worte verunsichern mich, zumal ich den Ernst dahinter sehr deutlich sehen kann. Sie wird ihn töten, auch wenn es bedeutet, dass ich sie töten muss. 
»Cayetana, warte. Lass mich zuerst mit ihm sprechen.« Sie schüttelt stoisch den Kopf. »Das Einzige, was du ihm sagen wirst, ist, dass seine Zeit abläuft. Dieser Kampf ist eine Sache zwischen ihm und mir!« Mit diesen Worten verschwindet sie in der Nacht. Meine Lippen kribbeln noch immer von ihrer Teufelszunge. In mir herrscht ein Sturm der Gefühle und vor allem ein Gefühl sticht heraus. Ein Gefühl, dass ich zuletzt vor vier Jahren gespürt habe: Machtlosigkeit. 
»Verdammt!« Fluchend schlage ich auf mein Autodach. Ich öffne die Fahrertür meines Autos und bugsiere mich hinter das Lenkrad. In mir geht gerade so viel durch: Wut, Trauer, Faszination. Es ist als könnte ich noch immer ihre Lippen auf meine spüren. Als wäre ich ein kleines Kind, dessen erster Kuss es gewesen ist. Die Kleine fasziniert mich – schon wieder. Während ich versucht habe auf ihre Distanzierung zu achten, ihr nichts aufzudrängen und keine Schritte zu machen, hat sich mich wortlos geküsst, mich gegen mein Auto gedrängt und mir ihre Zunge in den Hals gesteckt. Ich rolle wieder auf die Fahrbahn. Die Straßen sind leer. Mit diesem Kuss habe ich dir meine Menschlichkeit, meine Gefühle überschreiben. Was hat das zu bedeuten? Ich fahre die Straße entlang, ignoriere die funkelten Lichter, die vorgeschriebene Geschwindigkeitsanzeige. Ignoriere das Pochen in meinem Herzen, die Vorahnung das etwas Schlimmes passieren wird. Ignoriere die Neuigkeit über meine Schwester, die ich vorhin erfahren habe oder die Tatsache, dass mein Freund soeben ein Krieg angezettelt hat. Noch während ich mit über 140 km/h durch die Straße fahre, hole ich mein Handy heraus und rufe Francisco an. »Hallo?« Ich atme erleichtert durch. Er gehört zum Glück zu jenen die immer abrufbereit sind. »Es gibt ein Problem.« Ist das Erste, was ich sage. »Was ist los? Ist etwas mit Cayetana?« Er war dagegen das ich seine Nichte im Stich gelassen und dann noch Pedro geschickt habe. Aber Pedro war der Einzige von meinen absoluten Vertrauten, die verfügbar waren. So schmerzlich es auch ist, aber bei meinen anderen Männern spaltet sich zu sehr die Meinung über Cayetana. »Pedro hat Mercedes angeschossen, jetzt will deine Nichte Blut sehen.« Erkläre ich ihm kurz. Er stößt eine Triade aus Flüchen aus, dann fragt er: »Wo ist der pendejo
»Keine Ahnung, er reagiert nicht auf meine Anrufe.«
»Okay. Ich suche nach der princesa, während du den Idioten suchst. Wenn ich sie finde, ruf ich dich an, entiendes?« An einem anderen Tag hätte ich niemals Befehle von ihm angenommen. Jetzt stimme ich ihm aber zu, weil es auch mein Plan gewesen wäre. »Ruf Manuel an. Er soll die Stellung im Krankenhaus halten, falls sie wieder Mercedes besuchen geht und er soll den Speeren sagen, dass sie die Augen nach ihr offenhalten sollen. Lasst ein Bild von ihr durchgehen.« Füge ich hinzu. Danach legen wir ohne eine Verabschiedung auf.

Mi enemigoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt