Rafael
Gemeinsam mit Francisco stützen wir Alba und begleiten sie zur Hollywoodschaukel. Einer von uns beiden hätte sie auch tragen können, aber außer das sie eine viel zu Stolze Frau ist, wissen wir beide, dass sie Körperkontakt nur dann erträgt, wenn es von ihr kommt oder einer Person die sie wirklich vertraut. Also quasi wie bei einem Tier, dass nur von seinen Herrchen gestreichelt werden möchte.
Die Decke und das Wasser, die ich vorhin geordert habe, werden gerade von einem meiner Männer gebracht. Francisco nimmt ihm die Decke ab und wirft sie über seine Nichte. Ich finde es wirklich rührend, dass Francisco nicht mehr so stumpf ist, sondern endlich Gefühle zeigt. Seitdem er von der Verwandtschaft weiß, ist er wie ausgewechselt. Es war seine Idee ihre Wohnung einzurichten, dafür hat er seine Gruppe, also meine Männer, Krieger... zu Handwerkern und Umzugshelfern gemacht. Dass sie sich mit ihrer Freundin getroffen hat, hat uns perfekt in die Karten gespielt.
Er reicht ihr vorsichtig das Glas Wasser. »Cayetana?« Versucht er es vorsichtig. Er nennt sie nie Alba, während es bei Manuel und mir noch manchmal passiert, dass wir sie versehentlich so nennen. Er ermahnt uns dann immer mit seinen Blicken. Kurz gesagt: Er hasst den Namen Alba.
»Wo ist Paco?« Sie wirkt weggetreten.
»Keine Sorge, er lebt... noch.«
»Er hat mich gefunden. Er weiß, dass ich lebe und was noch schlimmer ist, ich wusste nicht das er lebt.« Sie spricht im Wahn.
»Wer, Cayetana?« Frage ich
»Ich muss hier weg! Sofort, wenn ich Glück habe...« Sie wird immer leiser. Ihre Wörter sind kaum zu verstehen. Sie zählt irgendwas an ihren Fingern ab. Die Kleine ist wirklich verstört. Francisco packt sie an ihren Schultern, sanft und beschützend. »Cayetana, hey, sie mich an. Komm, Kleines, sieh mich an.« sie unterbricht ihre Berechnung und sieht ihn panisch an. Es hängen noch kleine Äste und Blätter in ihren Haaren. Ihr Gesicht ist mit Dreck verschmiert, ebenso wie ihre Handflächen. Sie muss gefallen sein im Wald. »Du bist in Sicherheit, Alba Cayetana, hörst du? Hier bin ich und Rafael und 35 weitere Männer. Hab keine Angst, wir beschützen dich.« Er spricht langsam, appellierend. Sie sieht zu mir. Ich nicke, weil ich nicht weiß wie ich sonst reagieren sollte. Langsam entspannt sie sich. Sie scheint wieder in unserer Welt angekommen zu sein. Ihre Augen schließend, atmet sie tief durch und wiederholt einen Mantra, den ich nur schwer verstehe.
»Geht's dir besser?« Fragt Francisco. Er entspannt sich sichtlich, als sie langsam ihr Kopf senkt und dann wieder hebt. »Es tut mir leid, dass ich euch solche Sorgen bereitet habe.« mir ist schon öfter aufgefallen, dass sie sich oft grundlos entschuldigt oder bedankt, das ist irgendwie merkwürdig. Ich bin so was gar nicht gewohnt. »Rafael, ich muss mit Paco sprechen.« Ich wollte schon antworten, da unterbricht sie mich. »Es ist wichtig. Wenn es dich beruhigt, kannst du dabei sein, aber bitte lass mich mit ihm sprechen.« Die Kleine lernt mich wirklich immer besser kennen. »In Ordnung, wenn du mir erklärst, was das eben war.«
»Das nennt man Panikattacke, Rafael. Schlag es nach.« Kaum zu glauben, da ist die Cayetana die ich kennengelernt habe. Es war vorhin ernst gemeint als ich sagte, sie würde mich verwirren. Das tut sie auf so viele verschiedene Arten.
»Das meine ich nicht und das weißt du.« Erwidere ich. Sie seufzt, schüttelt den Kopf. Ich sehe, dass sie zwanghaft versucht nicht zu weinen. »Es tut mir leid. Ich... Ich kann es dir nicht erzählen - Noch nicht.«
»Vertraust du mir immer noch nicht?« Ich habe verstanden, wieso sie mir am Anfang misstraut hat. Wir hatten beide Gründe gehabt den anderen Tod sehen zu wollen. Aber ich habe sie in mein Reich aufgenommen. Sie hat meine Männer beim Trainieren zugesehen, hat das Prinzip unserer Gruppierungen verstanden und erfahren, wer wofür zuständig ist. Ich habe ihr teilweise so sehr vertraut, dass ich sie nicht mit ihren Plänen, die sie schmieren sollte, genervt habe, obwohl es mich ständig in den Fingern gejuckt hat nachzufragen und ich habe sie wieder zu sich ziehen lassen. Obwohl ich sie dabei nicht kontrollieren kann, mit wem sie sich trifft und ob sie vielleicht etwas gegen mich geplant hat. Also, wieso traut sie mir noch immer nicht genug, um mir zu verraten, was in ihr vorgeht? Ich kenne ihre Geschichte, den Grund wieso man sie tot sehen wollte und dennoch weiß ich nichts von ihr. »Das hat nichts mit vertrauen zu tun, Rafael.« Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen, starre sie in der Erwartung an, sie würde noch etwas dazu sagen. »Womit dann, Cayetana? Was hat dir dein Informant gestern erzählt und wieso willst du mit Paco sprechen?« Sie steht auf und brüstet sich vor mir. »Ich habe dir bereits erklärt, dass ich es noch nicht kann. Misstraust du mir etwa in der Hinsicht? Glaubst du, dass ich dich hintergehen könnte?«
»Ich misstraue dir in der Hinsicht, dass du nicht immer ehrlich zu mir bist.« Antworte ich ihr. Sie lacht auf. »Bring mich zu Paco, dann wirst du erfahren, wozu ich nicht fähig bin es dir zu erzählen.«
»Nicht fähig oder nicht bereit?« Sie schaut beschämt auf den Boden. »Dachte ich's mir doch.«
»Rafael, es ist nicht so leicht wie du es dir vorstellst.«
»Doch, Cayetana, ist es. Was ist in den letzten zwei Tagen passiert?« Sie reagiert nicht. Genervt lasse ich nach diesem Paco rufen. Cayetana verschränkt wie ein trotziges Kind ihre Arme vor der Brust. Ihr Blick ist seitlich auf die Wiese gerichtet, ihr Gewicht hat sie auf das rechte Bein verlagert. »Das ist deine letzte Chance, Cayetana. Das letzte Mal, dass ich dich darum bitten werde mir etwas zu erzählen. Ein nächstes Mal wird es nicht geben. Ich spiele hier keine Spiele. Und glaub mir die Rache an Alberto ist mir nicht genug Wert, damit ich mir von dir auf der Nase herumtanzen lassen.«
»Wenn du glaubst, dass ich Spiele spiele, Rafael, dann hast du nichts von all dem verstanden.«
»Erkläre es mir. Mehr verlange ich doch gar nicht.« Sie löst ihre Arme vor der Brust, kommt einige Schritte näher auf mich zu und sagt nur einen Namen. Einen mit dem ich absolut gar nichts anfangen kann. »Hernández«
Paco wird gebracht. Cayetana nimmt automatisch mehr Abstand zu mir ein. »Lange nicht mehr gesehen, Puppe.« Zwinkert er ihr zu. Cayetana lässt sich nichts anmerken. Keine Regung, kein Gefühl. Sie trägt wieder ihre Maske, die es sogar für mich unmöglich macht, dahinter zu schauen.
»Noch nicht ausgewachsen, Paco? Ich dachte, das hätten wir bereits hinter uns.« Ich halte mich zurück. Es wird vermutlich das erste und letzte Mal gewesen sein, dass ich die Möglichkeit habe, Cayetana bei einem Verhör zu beobachten – Immerhin hat unsere Zusammenarbeit ein Verfallsdatum. In einem ausreichenden Abstand stelle ich mich hinter ihr. »Ich weiß, wieso du mit mir sprechen möchtest.« Sagt er spöttisch, als würde sie nicht seinem Niveau entsprechen. Wie ein Kaiser der zum Bauer spricht, nur vergisst er seine momentane Position. Er ist hier der Bauer und wenn Cayetana nicht wäre, würde sein Blut nun meinen Rasen tränken. »Dann sprich. Du hast vorhin gesagt, dass ihr hereingelegt worden seid. Stimmt es?«
»Was denkst du?« Er will besser nicht wissen, was ich denke. Cayetana überrascht mich, indem sie ihr Knie hebt und es ihm zwischen die Beine rammt. »Ich finde es nicht witzig, Paco.« Er stöhnt schmerzerfüllt auf, verkneift sich aber eine Beleidigung. »Wurdet ihr hereingelegt: Ja oder Nein?!« Er schüttelt den Kopf, aber erst, nachdem er zu mir gesehen hat. »Nein, es war ein Auftrag. Wir sollten die Aufmerksamkeit von Don Rafael erwecken und ihn herauslocken.« Ich sehe zu Francisco. Er ist genauso verwundert. Dann richte ich mein Blick wieder zu Cayetana, die sichtlich ihre Geduld verliert. Ich frage mich, wieso man mich in letzter Zeit ständig für irgendetwas benutzt und es immer wieder mit der dunkelhaarigen Schönheit vor mir zu tun hat. Ich merke wie mein Blut schneller durch meine Adern pulsiert, sobald ich daran denke.
»Wieso?« Er antwortet nicht, mit einem rechten Hacken bringt sie seine Nase zum Bluten und beschert ihm eine aufgeplatzte Lippe. Ich bin mir sicher, wenn er nicht angebunden wäre, dann hätte er sie längst angegriffen. »Ich bin keine geduldige Person, Paco.« Beschwört sie ihn. Immer noch keine Reaktion. Sie läuft an ihn vorbei zu dem Rasen, wo noch immer ihre Waffen liegen. Sie nimmt ihren Bogen und Köcher, ebenso wie ihren Messergurt und kommt wieder auf uns zu. Als sie vor ihm zu stehen kommt, rammt sie ihm wortlos eines ihrer Messer in den Oberschenkel. Bisher habe ich nur die Geschichten der Lila-Rächerin gehört. Cayetana selbst habe ich aber nur bis auf das eine Mal, wo sie uns bedroht hat, noch nie wirklich in Aktion gesehen. Paco schreit auf. »Du Verdammte...« Er beißt sich auf die Lippe als er Franciscos Blick bemerkt. Mein Freund mutiert zu einer Bulldogge. »Wieso wollte man dass Rafael hier rauskommt?« Seine Blicke töten sie, als er das ausspricht, was ich mir gedacht habe »deinetwegen.« Auch Cayetana fühlt sich in ihrer Vermutung bestätigt. »Er wollte sich mit dir treffen. Er meinte, ihr würdet euch kennen, aber er wollte alleine mit dir sprechen. Meine Jungs und ich sollten für die Ablenkung sorgen« ich verstehe gerade gar nichts mehr. Wer ist dieser Hernández? Wieso hat sie in all ihren Erzählungen nicht einmal seinen Namen erwähnt? »Hat er jetzt sein eigenes Kartell, oder wie darf ich deine Tätowierung am Hals verstehen?« Er schnalzt mit der Zunge, rümpft dabei seine Nase. »Nein« weiter kommt nichts. Cayetana fragt nicht weiter nach. Es ist, als würde ihr die Antwort reichen. »Wie kontaktierst du ihn?«
»Gar nicht. Er kontaktiert uns.« Wie auf Knopfdruck, klingelt dann das Handy in Franciscos Tasche, dass er Paco gestern Nacht entnommen hatte, als er ihn gefunden hat. Er reicht es sofort Cayetana die ihn dankend zunickt. Ich lasse einen meiner Männer den Idioten in die Zelle bringen, während sie das Handy auf Laut stellt:
»Hallo?«
»Hallo, Albita.« Ihr Gesicht verliert an Farbe, sie wird sofort leichenblass.
»Ich dachte, du wärst tot.« Ihre Finger verkrampfen sich beim Halten des Telefons. »Denken das unsere Familien nicht auch von dir?« Sie sieht zu mir. Ich beobachte das alles weiterhin, ohne mich einzumischen. »Wie hast du mich gefunden, Hernández?«
»Wer sagt, dass ich dich jemals verloren habe, Cariño?« Ihr Puls geht schneller, sie versucht sichtlich stark zu bleiben und sich zu konzentrieren. »Was willst du, Hernández?«
»Ist das noch nicht klar? Ich will dich treffen. Du könntest mir ja auch so ein Festmahl vorbereiten, wie bei dem Cifuentes-Jungen.«
»Wie hast du-« er unterbricht sie, diesmal schroffer »Hörst du mir überhaupt zu? Ich verfolge dich, Márquez und das schon seit Jahren. Ich bin immer in deiner Nähe gewesen, außer als du bei meinem Bruder warst. «Dann sagt er in ruhiger Stimme »Morgen Abend bei dir, ich komme pünktlich. Ach, und Alba: Ich bringe Besuch mit. Ich denke, das ist in Ordnung immerhin wirst du auch nicht alleine sein, nennen wir es doch einfach... einen Doppeldate?« Dann legt er auf. Sie hält das Telefon noch eine Weile in der Hand, bevor sie es wegwirft.
»Wer war das?« Frage ich.
»Hernández Suárez. Albertos jüngerer Bruder.« Sie dreht sich um und geht mir festen Schritten in das Haus.
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Mi enemigo
RomanceAlba Márquez ist die Tochter eines Kartellanführers. Ihr Leben besteht aus Gewalt, Drogen und Gefahren. Oft muss sie mitansehen, wie unschuldige Menschen unter der Gewalt ihrer Familie leiden müssen. Dem Druck nicht mehr standhaltend können, f...