Auf der Spur

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Als Dani am nächsten Morgen aufwachte, fühlte er sich so ausgeruht wie schon lange nicht mehr. Das erste was er sah, war Tygrans Hand, die auf seiner lag, und seinen Arm, den er um Danis Oberkörper drapiert hatte. Langsam drehte er den Kopf, Tygrans Augen waren geschlossen, sein Atem lang und ruhig.

Vorsichtig hob Dani eine Hand und strich Tygrans Haar aus seiner Stirn. Die Platzwunde schien zu verheilen, wenn auch nur langsam, aber immerhin war sie nicht entzündet. Die Schramme auf seiner Wange hatte einen leicht gelblichen Farbton angenommen, ähnlich wie das Veilchen an seinem Auge. Dani wusste, dass sein eigenes Gesicht wohl nicht wirklich besser aussah...

Mit einem Lächeln auf den Lippen betrachtete er Tygrans Gesicht. Er sah gut aus... verdammt nochmal... Dani rückte noch ein wenig näher. Ihm fielen ein paar Dinge auf, die er vorher nicht wahrgenommen hatte. Zum einen Tygrans beinahe unsichtbare Sommersprossen, die Dani eigentlich nur sehen konnte, wenn sie sich küssten. Er grinste leicht, als er Tygrans etwas buschige Augenbraue glatt strich. Dani mochte seine Augenbrauen, sie waren deutlich dichter als seine eigenen und dennoch so symmetrisch. Doch fast lieber mochte er seine Lippen. Sie standen leicht offen, genauso perfekt wie der Rest seines Gesichts. Dani schmunzelte bei dem Gedanken wie gut Tygran einen Schmollmund machen konnte.

Als er weiter durch seine Haare strich, bemerkte er noch etwas. Eine feine Linie zog sich überhalb seines rechten Auges entlang seiner Schläfe. Vorsichtig fuhr Dani mit seinem Daumen über die Narbe. Ein Schnitt, doch er musste mehrere Jahre alt sein, der blassen Linie nach zu urteilen. Dani seufzte leise. Er würde wohl überall auf Tygrans Körper Spuren seiner Vergangenheit finden. Allein seine Hände wiesen ältere Narben und leichte Schnitte auf, die ihm vor langer Zeit zugefügt wurden mussten. Ein gewisser Hass stieg in Dani auf. Hass auf diejenigen, die Tygran so misshandelt hatten. Er war ein Kind gewesen, und er war es immer noch. Sein Onkel war Schuld an dem Ganzen. Warum hatte er sich nicht um Tygran gekümmert? Warum nur hatte er ihn nicht geliebt...?

"Ab jetzt passe ich auf dich auf", flüsterte Dani und küsste sanft Tygrans Stirn. Er würde ihn nicht wecken, er sollte sich ausruhen.
Dachte Dani zumindest...
Denn als er zu seinem Handy griff, erstarrte er förmlich.

"Scheiße...", murmelte er, als er den Chatverlauf mit seiner Mutter öffnete. Zumeist einseitige Nachrichten auf die Dani versucht hatte beschwichtigend zu antworten. Doch die letzte versetzte ihm einen kleinen Schlag.

"Tygran! Wach auf!!" Dani versuchte ihn wachzurütteln, doch Tygran brummte nur etwas Unverständliches, bevor er sich weiter an Dani schmiegte.

"Nein! Komm schon, wach auf, Mann!!" Mit etwas mehr Gewalt schüttelte er seinen Freund. Letzterer setzte sich plötzlich mit einem Ruck auf, eine Hand griff nach Danis Genick.

"Woah!", hustete Dani überrascht, bevor sich Tygrans Augen weiteten und er seine Hand schnell zurückzog.

"Oh! Dani! Tschuldigung, ich hab mich nur so erschrocken!" Er zog Dani hektisch in seine Arme und strich ihm über den Rücken.

"Ist schon gut, Tygran. Wirklich..." Auch wenn Dani es bevorzugt hätte ein wenig länger in Tygrans Armen zu bleiben, war der Inhalt der Nachricht doch dringender.

"Hör zu, wir müssen hier weg! Meine Eltern haben die Polizei gerufen!" Dani öffnete schnell den Schlafsack und rollte seinen Körper etwas ungeschickt heraus.

"Was?!" Entsetzt starrte Tygran ihn an.

"Ja! Die suchen bestimmt schon nach uns, jemand hat uns gestern Abend in der Nähe gesehen!", antwortete er, während er sich hastig die Schuhe anzog.

"Verdammt!"

"Ist ja nicht so, als wären wir unauffällig...", stöhnte Dani und schulterte den Rucksack, aufpassend, dass der kleine Kater nicht herausfiel.

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