Kaum noch zu retten

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Ahhh, ich lebe noch... Sorry für die lange Pause, hatte übel Corona. Aber jetzt kann ich wieder durchstarten!
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Als Dani am nächsten Morgen seinen Fuß in die Schule setzte, dauerte es keine Sekunde bis sämtliche Mitschüler auf ihn zugeschossen kamen und ihn bedrängten. Mit einem genervten Gesichtsausdruck schob er sich teils etwas grob durch die laute Menge.

"Wo ist Tygran?"

"Was ist mit ihm passiert?"

"Wird er von der Schule verwiesen??"

"Ich wusste doch, der tickt nicht ganz richtig!"

"Was ist das eigentlich zwischen euch beiden? Du pfeifst doch sonst auch auf andere!"

Dani schlug beinahe jemandem die Tür an den Kopf, als er seinen Klassenraum betrat. Er ließ sich auf seinen Stuhl fallen und verteilte eine handvoll finstere Blicke an jeden, der es wagte, sich ihm zu nähern.

"Bin ich froh, dass ich nicht mehr mit diesem Psycho zusammen bin..."
Dani drehte seinen Kopf ruckartig und erblickte Maria und ihren Fanclub an der Fensterseite des Raumes.

"Schade, dass so ein gutes Aussehen an jemanden verschwendet wurde, der so gestört ist", pflegte sie bei und betrachtete ihre Fingernägel. Danis Hand ballte sich zur Faust.

"Was ein Freak!"

"Ja wirklich, wisst ihr noch, als er Dani beinahe erwürgt hat?! Ich schwöre, er wollte ihn bestimmt umbringen!", rief ein Mädchen deutlich hörbar durch das Klassenzimmer und alle Blicke fielen auf Dani.

Letzterer blickte starr auf die Uhr, es war bereits fünf nach acht und noch immer kein Lehrer in Sichtweite.

"Falls er wiederkommen sollte, werde ich auf jeden Fall die Schule wechseln! Was wenn er es als nächstes auf mich absieht?" Maria verschränkte ihre Arme unter den schockierten Blicken ihres fragwürdigen Freundeskreises.

Dani erhob sich so schnell von seinem Platz, dass sein Stuhl klappernd zu Boden fiel. Mit weiten Schritten ging er auf Maria zu, die erschrocken einen Satz zurück machte.

"Ich schwöre dir, wenn du noch einmal irgendeine Scheiße über Tygran verbreitest, kriegst du eine verpasst!", zischte er bedrohlich.

"Du willst ein Mädchen schlagen, Dani? Wie erbärmlich... Es sei denn du willst unbedingt mit Tygran den Jugendknast besuchen..." Maria verengte die Augen und Dani fand es auf einmal sehr schwer, seine Faust nicht in ihr Gesicht zu platzieren.
Wie konnte sie nur so über den liebenswürdigsten und sensibelsten Menschen reden, den Dani je getroffen hatte...?

"Du hältst jetzt sofort deine beschissene Klappe!", knurrte er, doch Maria lachte nur.

"Süß, wie du ihn verteidigst. Du bist wirklich ein Masochist, was? Und scheinbar sein schwules Experiment..." Sie warf ihm einen abwertenden Blick zu.

"Echt widerlich."
Bevor Dani ausholen konnte, stellte sich Sam auf einmal zwischen die beiden und verpasste Maria eine saftige Ohrfeige. Der ganze Raum war auf einmal still, während Maria sie ungläubig anstarrte und sich ihr Gesicht hielt. Dann brüllte sie los.

"Bist du bescheuert, du blöde Schlampe?!"

"Hey, was ist hier los?"
Dani seufzte auf, als endlich eine Autoritätsperson in Form eines Lehrers das Klassenzimmer betrat.

"Herr Sanchez zum Direktor, den Rest klären wir später", befahl er und Dani war mehr als glücklich die gaffende Schülermenge hinter sich zu lassen, auch wenn Sam ihm leid tat.

Vor dem Sekretariat wurde er sofort hereingebeten. Etwas nervös setzte er sich auf den Stuhl gegenüber des akribisch aufgeräumten Schreibtisches. Der Schuldirektor wartete einen Moment und betrachtete Dani mit einem emotionslosen Ausdruck.

"Also, Sie wissen warum Sie hier sind?", räusperte er sich und Dani nickte.

"Der Vorfall gestern hat viele Schüler und auch Kollegen schockiert. Herr Sinyakov hat Sie trotz Ihrer Verwarnung erneut angegriffen und ich sehe mich normalerweise gezwungen, ihn von der Schule zu verweisen."

"Nein, das können Sie nicht machen!", protestierte Dani sofort.

"Es war nicht seine Schuld! Er hat halluziniert! Wenn er bei klarem Verstand gewesen wäre, hätte er doch nie-..."

"Ich verstehe worauf Sie hinauswollen, Herr Sanchez. Aber so etwas darf auf gar keinen Fall passieren, eine psychische Störung muss der Schule immer bekannt gegeben werden. Ihre Geschichtslehrerin hätte die Dokumentation mit diesem Wissen gar nicht erst gezeigt. Aber so ist Herr Sinyakov ein Risiko für alle um ihn herum, ganz zu Schweigen von dem Aufruhr, der gestern verursacht wurde."

"Das ist nicht wahr, hören Sie, Tygran tut keiner Seele was! Aber er ist krank und ich verspreche, dass ich aufpassen werde, dass so etwas nicht noch einmal passiert!", versuchte Dani ihn zu beschwichtigen. Der Direktor warf ihm einen unbeeindruckten Blick zu.

"Herr Sinyakov ist volljährig und muss seine eigenen Taten verantworten. Ich habe trotzdem versucht seinen Onkel zu erreichen, doch der geht nicht ans Telefon. Wenn Sie irgendetwas wissen, was in diesem Fall weiterhilft, dann jetzt raus damit."
Dani presste seinen Kiefer zusammen. Sollte er dem Direktor sagen, dass Tygran geschlagen wurde..? Das würde sein Freund sicher nicht wollen, abgesehen davon, dass wahrscheinlich am nächsten Tag die Polizei vor der Tür stehen würde. Er holte tief Luft.

"Tygran... hat es nicht besonders einfach zu Hause. Sein Onkel droht ihn wegen jeder Kleinigkeit auf die Straße zu setzen. Und ich weiß, er ist volljährig, aber er hat nie Unterstützung oder Hilfe bekommen. Meine Mutter hat Tygran erst letztens geholfen einen Therapeuten zu finden, aber davor war er allein!"

"Ist das so?" Der Schuldirektor blickte ihn prüfend an und Dani nickte.

"Dann werde ich einen Besuch veranlassen, um den Stand der Dinge überprüfen. Zudem werde ich den Vorfall mit dem Kollegium noch einmal besprechen. Sie dürfen gehen." Er winkte ihn ohne weiteres hinaus und Dani verließ den Raum mit Herzklopfen. Hätte er mehr sagen sollen? Hatte er zu viel gesagt? Es würde schon gut gehen...

Der restliche Schultag war der Horror und Dani konnte es kaum abwarten nach Hause zu gehen und Tygran zu sehen. Maria verbreitete scheinbar fleißig Gerüchte und immer mehr Schüler fingen an Danis Beziehung zu Tygran zu hinterfragen.

Zum Glück hatte er noch Sam (die immerhin eine Schimpftirade vom Lehrer überstanden hatte), ansonsten hätte Dani schon ein paar Kinnhaken verteilt. Sie begleitete ihn nach Hause und Dani erzählte ihr über das Gespräch mit dem Rektor.

Als sie sein Haus betraten, bekam Dani beinahe einen Lachanfall, als er seine Mutter und Tygran sah, die vor dem Fernseher saßen und mit voller Leidenschaft einen Disney-Film verfolgten.

Tygrans Lächeln, als er sie bemerkte, ließ Danis Sorgen einfach verschwinden. Es war ihm alles egal, solange Tygran einfach nur bei ihm war und glücklich. Immer noch lachend fläzten er und Sam sich zu den beiden aufs Sofa, Dani rutschte ein wenig tiefer, um seinen Kopf in Tygrans Schoß zu legen.

Er konnte es zwar nicht sehen, aber er wusste, wie sein Freund ihn in diesem Moment anblickte. Und als er eine große, warme Hand spürte, die durch seine Haare strich, wusste er, dass er selbst kaum noch zu retten war.

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