Der Gedanke, Josie könnte Max verzeihen, nistete sich in meinem Kopf ein und ließ mir keine Ruhe. Er machte mich rasend. Nachdem ich nun das zweifelhafte Vergnügen gehabt hatte den Kerl kennenzulernen, wuchs der Wunsch, ihm eine reinzuhauen, beinahe sekündlich. Schon allein dafür, wie er über sie gesprochen hatte. Die beiden waren länger zusammen gewesen, so weit ich wusste. Wie konnte er so über sie sprechen? In der Zeit, die ich in Amerika verbracht hatte, hatte ich oft Frauen kennengelernt, auch wenn sie meistens nur eine Nacht eine Rolle spielten und ich sie danach nie wieder sah.
Doch im Leben würde mir nicht einfallen, einem anderen Mann mitzuteilen, wie sie fickten.
Geschweige denn, dass ich so etwas über meine Exfreundin sagen würde.Max war ein Arschloch und Josie würde den größten Fehler ihres Lebens machen, wenn sie ihn zurücknehmen würde.
„Alter, hörst du überhaupt zu?", riss Jan mich aus meinen Gedanken.
Er hatte mich überredet zusammen mit ihm, Noah und ein paar Jungs aus dem Basketballteam der Universität, dem ich hoffentlich ab nächste Saison ebenfalls angehören würde, in eine Bar zu gehen.
„I'm sorry", murmelte ich. „What did you say?"
„Ich sagte", wiederholte er. „Dass du früher der beste Shooting Guard warst, den ich kenne."
„Früher", schnaubte ich. „Immer noch."
„Du hast bald die Chance es zu beweisen", sagte Sebastian, der Captain des Teams.
„Das kann ich dir gleich beweisen", sagte ich und holte mein Handy aus der Gesäßtasche. Ich tippte kurz etwas in die Suchzeile bei Youtube ein, fand das richtige Video und schob ihm das Handy über den Tisch. Das halbe Team beugte sich darüber und sah sich das Video an.
„Bulldogs gegen Quakers, 76:73", sagte Sebastian anerkennend. „Ich hab die Übertragung online gesehen. Wusste doch, dass mir dein Name bekannt vorkam. Das war so ein verdammt knappes Spiel, das vergisst man nicht, richtig?"Damit war meine Stellung im Team beinahe sicher, dachte ich zufrieden. Kein deutsches Uni-Team würde auf einen Shooting Guard verzichten, der in der Ivy League gespielt hatte.
Jan grinste triumphierend. Er wollte mich unbedingt ins Team holen. Sebastian schob mir das Handy zurück.
„Aus der Ivy League an eine staatliche Uni in Deutschland. Die Story musst du mir irgendwann mal erzählen, Mann", sagte er. Lieber nicht, dachte ich und bestellte bei der Kellnerin ein neues Bier.
Auf diesen Abstieg war ich definitiv alles andere als stolz.
Die Jungs aus dem Team waren sehr nett, wie ich zugeben musste. Jan hatte nicht übertrieben. Dennoch wäre ich gerade lieber Zuhause bei Josie.
Ich machte mir Sorgen um sie. Erst erfuhr sie, dass ihr Freund sie betrog, dann tauchte eben dieser auch noch mitten in der Nacht bei uns auf und beleidigte sie. Der Schreck saß selbst mir noch in den Knochen.
So hatte ich mir die erste Nacht in der Wohnung partout nicht vorgestellt. Ich fragte mich, ob Josie wusste, was er mir im Flur gesagt hatte, bevor ich ihn rausgeschmissen hatte.
Dass sie prüde und verklemmt wäre. Dass es sich nicht lohnen würde, mit ihr zu schlafen. Er hatte absolut keine Ahnung, dachte ich.
Seit ich wieder in Deutschland war, war die Erinnerung an den einen Kuss, den ich mit Josie hatte, ehe ich abgereist war, präsenter denn je.
Mit einundzwanzig war ich ein Arschloch gewesen.
Ich hatte alles gevögelt, was weiblich war und mich ran ließ. Es gab nur wenige, die es abgelehnt hatten, mit mir zu schlafen. Schließlich war ich es, jeder kannte meinen Vater und jedes Mädchen, das ich je getroffen hatte, war scharf auf das Geld gewesen.
Außer Josie.
Für sie war ich der beste Freund ihres großen Bruders gewesen und sehr lange Zeit war sie unter meinem Radar gelaufen.
Ich fragte mich, wie Jan reagieren würde, wenn er je erfahren würde, dass ich seine Schwester geküsst hatte.
Wenn er es gewusst hätte, hätte er niemals vorgeschlagen, dass ich bei ihr einziehen würde, das wusste ich genau.
Und genau aus diesem Grund würde es bei dem einen Kuss bleiben.
Solange ich mit Josie zusammen wohnte, durfte ich nicht einmal daran denken, irgendetwas anderes für sie zu sein, als ihr Mitbewohner.
Irgendjemand aus dem Team, dessen Name ich mir nicht gemerkt hatte, bestellte eine Runde Kurze.
Ich stürzte ihn herunter wie Wasser, in der Hoffnung nicht mehr über Josie nachdenken zu müssen.
Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war oder wie viel ich getrunken hatte, als die Jungs beschlossen, dass wir von der Bar weiterziehen würden.
Ich hatte viel Spaß an dem Abend gehabt, aber ich war dennoch der Fremde für sie, den sie immer noch seltsam beäugten und sich fragten, was er bei ihnen wollte. Ich hoffte, wenn ich erstmal zum Team gehören würde, würde sich dies wieder legen.
Als die Jungs sich auf den Weg in den nächsten Club begaben, verabschiedete ich mich und rief mir ein Taxi.
Zuhause schloss ich vorsichtig die Haustür auf. Ich wusste nicht, ob Josie schon schlief, und ich wollte sie auf keinen Fall wecken.
Wir hatten beide in der letzten Nacht nicht viel Schlaf bekommen.
Doch sie schlief noch nicht, sondern saß auf dem Balkon.
„Hi cutie pie", begrüßte ich sie und setzte sich neben sie auf dem Balkon hin.
Ich kniff die Augen zusammen. „What time is it? I thought you were already asleep."
Unter Alkoholeinfluss verwirrten mich die beiden Sprachen noch mehr.
„Cutie Pie?", fragte sie lachend. „Hast du zu viel getrunken?"
„Maybe." Ich zündete mir eine Zigarette an. „Es war ... great to meet so many people."
„Schön, dass du einen schönen Abend hattest", sagte sie und musterte mich, wie sie wahrscheinlich dachte, unauffällig.
Als ich den Blick hob und dieser ihren traf, sah sie eilig weg.
„Hast du mich gerade abgecheckt?", fragte ich und zog die Augenbrauen hoch. Sie wurde rot, genau wie ich erwartet hatte.
„Geht es dir besser?", fragte ich dann etwas ernster. „Wie war es mit Lia und Ellie?"
„Alles gut", erwiderte sie. „Es war toll. Wir hatten viel Spaß."
„Good", antwortete ich und gähnte. „I need to go to bed."
Ich stand auf. „I'm so incredibly tired."
„Gute Nacht", murmelte sie. „Ich gehe auch gleich ins Bett, ich ..."
Ich blieb stehen. „Er kann nicht wieder kommen. Sein Schlüssel liegt im Flur."
„Ich weiß." Dankbar lächelte sie.
„Ich lasse meine Tür auf, okay?", schlug ich vor und sie nickte.
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Verlieb dich nicht
Romansa𝑁𝑎𝑐ℎ 𝑓ü𝑛𝑓 𝐽𝑎ℎ𝑟𝑒𝑛 𝑠𝑡𝑒ℎ𝑡 𝑒𝑟 𝑝𝑙ö𝑡𝑧𝑙𝑖𝑐ℎ 𝑤𝑖𝑒𝑑𝑒𝑟 𝑣𝑜𝑟 𝑖ℎ𝑟. Als Josie herausfindet, dass ihr Freund sie betrügt, weil sie zu prüde und verklemmt ist, lässt sie sich auf ein Experiment mit ihrem Mitbewohner Lukas ein, den...