Kapitel 2

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Ethan

„Und der Praktikumsplatz meiner Schwestern bleibt trotz der angespannten Verhältnisse bestehen?", fragte ich meinen Gegenüber auf Französisch. Nicht zum ersten Mal dankte ich meinen Vater in Gedanken dafür, dass er mich auf eine internationale Schule mit vielen Fremdsprachen geschickt hatte. Diese Verhandlungen hier hätte ich ungern mit einem Dolmetscher durchgeführt. Zu oft ist es schon vorgekommen, dass Dolmetscher falsch übersetzt hatten. Und in dieser Situation musste alles glatt laufen. Denn obwohl eigentlich alles Prima lief, machte mir die Niederlassung in Paris seit einigen Monaten Sorgen.
„Aber natürlich. Die Exposés ihrer Schwestern passten perfekt in die neue Kleiderreihe der Bären. Aber Sie sollten dringend mit ihrem Personalleiter reden. Er kann uns nicht die Stellen streichen und verlangen, dass wir dann doppelt so viel produzieren sollen wie zuvor. Das passt hinten und vorne nicht.", sagte die Leiterin unserer Niederlassung in Paris. „Glauben Sie mir, ich rede mit Sven persönlich. Anfang nächster Woche beraten wir dann, wie wir das Problem mit den Stellen am besten Lösen können. Denn es müssen tatsächlich welche abgebaut werden, dass lässt sich nicht beschönigen. Aber am Arbeitspensum lässt sich bestimmt etwas machen.", erklärte ich. „Ich warte auf ihre Mail. Mit den besten französischen Grüßen.", verabschiedete sich mein Gegenüber mit leicht gereiztem Unterton und beendete den Videoanruf.

Ich fuhr meinen Computer runter und beschloss mit Sven mal ein ernstes Wörtchen reden zu müssen. Seit Sofie Mutter geworden war, waren seine Entscheidung höchst zweifelhaft geworden. Erst schloss er eine Niederlassung, nur um zwei Häuser weiter eine Neue zu eröffnen. Und dann war er der Meinung, fast fünfundzwanzig Prozent der Mitarbeiter zu entlassen. Dabei lief doch so ziemlich alles glatt. Tatsächlich war die Niederlassung in Paris die Einzige, die Stellen abbauen musste. Aber auch nur, weil mehrere Mitarbeiter der Meinung waren, ihre Rente um ein paar Jahre zu verschieben. Aus diesem Grund hatte ich Sven eigentlich zu einem Mentoren-Programm geraten. Doch, weiß der Geier warum, hat er immer noch nichts dazu gesagt. Nein, stattdessen baut er weiter Stellen ab und jegliche Kritik prallte an ihm ab.

Endlich in der Personalabteilung angekommen entdeckte ich, dass dort das reinste Chaos herrschte. Mehrere Schreibtische waren leer und die anderen waren zugemüllt. „Marina. Was zum Henker ist hier los?", fragte ich die erste Vorzimmerdame dieser Etage. „Sven hat alle entlassen, die ihn auf die Probleme angesprochen haben. Außerdem hat er noch keine Vertretung für seine Frau eingestellt. Aus diesem Grund geht es hier ein bisschen drunter und drüber. Die Bewerbungsunterlagen stapeln sich und die restlichen Unterlagen werden nur halbherzig bearbeitet.", erklärte Marina und nahm dann einen Anruf entgegen. Flüsternd sagte ich: „Ich geh zu Sven. Um den Rest kümmere ich mich dann morgen.". Marina nickte und machte sie zu dem Telefonat ein paar Notizen.
Endlich an seinem Büro angekommen, bekam ich den letzten Rest eines sehr persönlichen Gespräches mit. „Ich kann ihm nicht auch noch die Brust geben. Du wolltest unbedingt Stillen! Selbst die Ärzte haben dir geraten, es sein zu lassen, weil du zu wenig Milch hast. Also beschwer dich nicht...! Es ist mir grade echt egal, weil ich noch arbeiten muss. Wir reden zuhause!", und mit diesem wütenden Satz knallte Sven den Hörer hin.

„Ärger im Paradies?", fragte ich schmunzelnd nach. Doch der böse Blick den Sven mir zuwarf, sprach Bände. „Was treibt dich aus deinem Elfenbeinturm hier herunter?", fragte er und setzte sich hin. Ich nahm ebenfalls Platz und sagte: „Paris.". „Oh nein. Dein Mentorenprogramm! Verdammt. Ich habe die Mail noch nicht losgeschickt....", seufzte Sven und stützte das Gesicht auf die Hände. „Das erklärt auch den wütenden Anruf der Leiterin. Sie hat sich nämlich bei mir beschwert, dass du Stellen abbaust und das Arbeitspensum erhöhst.", sagte ich. „Das war noch von Sofie. Es war ihre Idee gewesen, bevor sie in Mutterschutz gegangen war.", erklärte Sven und tippte dann etwas auf seinem Laptop herum. „Und deine leeren Büroräume?", fragte ich mit einem Seitenblick nach draußen. „Auch meine treue Frau. In der Schwangerschaft hat sie es sich mit vielen verscherzt. Einige sind freiwillig gegangen und andere musste ich entlassen. Find mal Ersatz, wenn du einen miesen Ruf als Chef hast.", kommentierte Sven die Situation. „Sofies Arbeitsweise war auch schon mal besser. Und ich hab zuvor noch nie von Schwangeren gehört, die urplötzlich scheiße arbeiten. Wenn das nämlich der Fall wäre, dürften wir keine Frauen einstellen. Aber unser Unternehmen hat nunmal einen sehr hohen weiblichen Schnitt. Und wenn ich mich recht erinnere, dann sind auch einige Schwanger geworden.", überlegte ich. „Ja, du hast ja Recht. Aber Sofie war von Anfang an nicht begeistert von der Schwangerschaft. Und das hat sie an den anderen ausgelassen.", murrte Sven. „Was aber auch mit deine Schuld war, mein Freund. Du hast stets raushängen lassen, dass sie DEINE Frau ist. Wenn ich dich daran erinnern darf.". „Du hast ja recht. Aber wir reden weiter, wenn Leenie schwanger ist. Sofie war echt schlimm in der Schwangerschaft. Kein Sex und noch weniger Schlaf. Erst waren es ihre Titten die wehgetan haben und dann ihr Bauch... Nicht umsonst habe ich angefangen, hier zu schlafen.", erklärte Sven. „Ach daher kam dieses Gerücht. Es war also wahr. Weißt du was, wir setzten uns morgen in Ruhe hin. Am besten mit Leenie und Marina und dann arbeiten wir an unserem Personalproblem in dieser Abteilung. In Ordnung? Und du schickst sofort, und mit einer Entschuldigung, die Mail raus. Erkläre ihnen, dass wir zwar Stellen abbauen, aber nicht vollständig streichen. Und zusätzlich dazu erklärst du, dass wir die Einzelheiten am Freitag in einer Videokonferenz klären.", gab ich Sven als Aufgabe und wollte mich wieder verabschieden. Denn ich hatte immerhin nur noch zwei Stunden bis ich auf dieser dämlichen Gala sein musste. Und vorher wollte ich Leenie noch etwas geben.
„Ist gebongt. Aber wie kommt es, dass du so einen kühlen Kopf bewahrst? Ich hab immerhin großen Mist gebaut.", fragte Sven, bevor ich zur Tür raus war. „Erstens: Du bist mein bester Freund. Jahrelange top Arbeit darf nicht von sowas in den Dreck gezogen werden. Und zweitens: Ich bin der Boss. Ich muss einen kühlen Kopf bewahren.". „Ist klar, Mr. Blue!", rief mich Sven hinterher. Und anhand seiner Tonlage erkannte ich, dass er wieder etwas bessere Laune hatte.

Babysitter 4 Bigbrother Part 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt