Kapitel 22

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Ethan

Nachdem ich mich von Sven verabschiedet hatte, widmete ich mich wieder meiner Arbeit. Doch mein Veilchen machte mir mehr zu schaffen als ich gedacht hatte. Immer wieder verschwamm die Sicht vor meinem Auge und kurzzeitig konnte ich gar nichts sehen. Es war zum verrückt werden. Leenie war viel schlimmer zugerichtet worden und ich heulte hier rum nur weil ich ein blaues Auge hatte. Doch alles innerliche Nörgeln brachte nichts, denn an dem Zustand ließ sich nichts ändern.

Um mich ein wenig abzulenken kramte ich die Karte des Augenarztes heraus und rief ihn an. „Mr. Blue, was verschafft mir die Ehre ihres Anrufes? Sie hatten doch eigentlich klar gemacht, dass sie keine Untersuchung wünschten. Es sei ja immerhin nur ein einfaches blaues Auge.", begann der Arzt, Mr White, ironisch das Gespräch, nachdem ich mich vorgestellt hatte. Zerknirscht gab ich zu: „Vielleicht war das ein wenig voreilig von mir. Seit dem Vormittag habe ich auf dem Auge ein paar Sehbeschwerden.". „Das klingt aber nicht gut. Ich seh mal nach, wann ich Sie dazwischen quetschen kann. Aber wie ich Ihnen mitteilte, wäre es besser gewesen, dieses Veilchen genauer zu untersuchen als es einfach nur zur kühlen.", moserte der Arzt rum. Und er hatte Recht. Aber ich war davon ausgegangen, dass es wie jedes andere blaue Auge auch von selbst verschwinden würde. „Heute Nachmittag hätte ich noch einen Termin frei. Und ich sage Ihnen gleich, der Termin wird den ganzen Nachmittag in Anspruch nehmen, da ich ein MRT machen will.", erklärte der Arzt. „Ist in Ordnung. Ich bin pünktlich um zwei in der Klinik.", bestätigte ich den Termin und legte auch. Seufzend griff ich erneut zum Telefon und rief Svetlana an. Sie hatte sich ebenfalls für um zwei angekündigt. Nach mehrmaligen Versuchen ging sie endlich ans Telefon.

„Ethan, solche Sehnsucht nach mir?", zwitscherte sie ins Telefon, doch etwas an ihrem Ton verwirrte mich. Es klang viel zu gestellt. „Sehnsucht wohl kaum... Ich muss unseren Termin heute absagen. Ich muss zum Arzt...", erklärte ich. „Und der Arzt ist jetzt so wichtig? Wichtiger als mich zu befriedigen? Du weißt, was auf dem Spiel steht...", erinnerte sie mich. „Wenn ich blind bin, dann war's das sowieso mit unserem Deal.", giftete ich zurück. „Blind? Übertreibst du da nicht etwas? Ein blaues Auge ist doch noch kein Grund zu erblinden.", sagte Svetlana. „Woher weißt du von meinem Veilchen?", fragte ich mit hochgezogener Augenbraue. „Naja... also... Eine deiner Mitarbeiterinnen hat es mir geschrieben. Immehrin bin ich als deine neue Freundin sehr beliebt. Beliebter als die andere...", erklärte sie, doch es roch sehr nach einer Ausrede und ich wusste, wie sie klang wenn sie log. „Und ich dachte, meinen Mitarbeiterinnen wäre ihr Job heilig. Aber so kann man sich irren. Wie gesagt, der Arztbesuch ist wichtig. Ich melde mich später bei dir.", verabschiedete ich mich bei ihr. Doch bevor sie auflegte, redete sie noch mit jemanden. „Du solltest ihn doch nicht so schlimm verletzen!". Und dann war die Leitung unterbrochen.

Der Arzt hatte nach diversen Untersuchen keine guten Nachrichten für mich. Der Faustschlag auf mein Auge hatte einen Bluterguss dahinter verursacht, der nun dafür sorgte, dass meine Sicht verschwamm. Außerdem hatte er einen kleinen Riss in der Augenhöhle entdeckt, die zu meinen Kopfschmerzen führte. Alles in allem war ich am Arsch. Ich musste mich schonen und für unbestimmte Zeit eine Brille tragen um meine Augen zu entlasten. Als Krönung des Ganzen durfte ich auch noch einmal in der Woche antanzen um zu kontrollieren, dass der Bluterguss kleiner wurde.

Doch all das war nicht das Schlimmste. Nein, auf dem Weg ins MRT kam ich am Nachmittag an der Cafeteria vorbei und sah dort meine Leenie sitzen. Natürlich in einem Rollstuhl, aber sie war nicht alleine. An ihrem Tisch saß ein junger, attraktiver Mann und machte ihr schöne Augen. Und was machte sie? Sie schenkte ihm dieses ganz spezielle Lächeln... Dieser Anblick war wie ein Dolchstoß. Um sie zu beschützen hatte ich sie verlassen und nun auch noch verloren.

„Mr. Blue. Das ist jetzt sehr wichtig: Wenn Sie sich keine Ruhe gönnen und der Bluterguss größer wird statt kleiner, dann besteht die Gefahr von Nervenschädigungen bis hin zur Blindheit auf dem einem Auge. Sie müssen sich unbedingt schonen und so wenig wie möglich aufregen.", wies mich der Arzt noch einmal darauf hin. „Dok, ich habe verstanden. Ich werde nur noch morgen auf Arbeit gehen um zu deligieren und dann ihren Anweisungen folgen. Nur mit Brille bin ich nicht wirklich einverstanden.", machte ich meinen Standpunkt klar. „Da werden Sie leider nicht drum herum kommen. Wenn Sie schon unbedingt ein wenig arbeiten wollen, dann brauchen Sie die Brille. Sie entlastet das Auge erheblich.", erklärte der Doktor erneut. Grummelnd nahm ich mein Schicksal an und ging in den klinikeigenen Optiker. Dort fand ich ein relativ großes Brillengestell, stilecht in hellblau wie mein Auto, welches mich nicht ganz so bescheuert aussehen lies. Dachte ich jedenfalls. Doch die Optikerin belehrte mich eines besseren. „Diese Brille würde ich Ihnen nicht empfehlen. Sie lässt Sie blass erscheinen.", erklärte sie und wies mir dann einen Platz zu. „Also die Rahmengröße würde ich schon nehmen, aber eine andere Farbe. Etwas dunkleres vielleicht, als Kontrast zu ihrem Haar.", erklärte sie und holte dann dementsprechend andere Gestelle. Vom Hocker hauen tat mich keines, aber am Ende entschieden wir uns für ein großes rechteckiges Gestell in dunkelblau. Die Gläser hatten sie auch schon angefertigt und so konnte ich nun mit einer Brille bewaffnet die Klinik verlassen.

Natürlich war Svetlana alles andere als begeistert, mich einen Tag später mit Brille sehen zu müssen. Aber ihr machte ihr klar, dass ich die dauerhaft tragen müsste, so lange wie das Veilchen noch da war. Grummelnd verzichtete sie an diesem Tag auf eine Runde im Büro und lies mich einfach so stehen. Doch genau das hatte ich beabsichtigt. Ich wartete ganze fünf Minuten, bis ich sie anrief und um ein Date bat. „Ein Date? So richtig mit Kerzenlicht und allem drum und dran?", fragte sie aufgeregt. „Natürlich. Im beste Restaurant der Stadt natürlich. Immerhin müssen wir ja mal langsam anfangen in der Öffentlichkeit ein Paar zu sein. Denn sonst kauft uns niemand mehr die Beziehung ab. Außerdem ist das meine Entschuldigung für die entgangene Nummer im Büro.", erklärte ich. „Ja das stimmt. Aber musst du da wirklich diese häßliche Brille tragen?", fragte sie, nachdem sich ihre erste Euphorie gelegt hatte. „Leider muss ich... ärztliche Anweisung. Aber die Brille ist doch nur auf Zeit, also gewöhn dich ein bisschen an sie.", erklärte ich beschwichtigend. „Mhmm...", grummelte sie. „Svet, weißt du was? Wieso kaufst du dir nicht ein schönes Kleid in der Farbe meiner Brille und dann gehen wir heute sozusagen im Partnerlook aus?". Und damit hatte ich sie.

Am Abend trafen wir uns vor dem besagtem Restaurant und ich hatte dafür gesorgt, dass auch genug Pressefutzis davon erfuhren. Meine Pressestelle war da sehr hilfreich gewesen und hatte im Internet genug Hinweise gestreut. Mit Erfolgt, denn im Blitzlichtgewitter, welches Svetlana so sehr liebte, gingen wir hinein und gaben ein umwerfenden Bild ab. Sie trug ein wirklich atemberaubenden dunkelblaues Kleid mit Kristallen, die wirkten als wären sie Sterne. Ihre Haare, mittlerweile wieder blond statt rot, waren kunstvoll nach oben gesteckt und gaben einen schönen schlanken Nacken frei. Doch was mich wunderte war, der Versuch etwas zu verdecken.

„Endlich zusammen und jeder sieht es.", strahlte Svetlana und genoss ihr Glas Sekt. „Abmachung ist Abmachung.", erklärte ich nüchtern und nippte passend dazu an meinem Glas Wasser. Ich wollte zu meinen Schmerzmitteln nicht noch Alkohol trinken. Für diesen Drahtseilakt brauchte ich einen klaren Kopf.

„Apros pros Abmachungen. Wann hast du vor mich wieder zu vögeln? Ich bin schon ganz ausgehungert. Die letzten Tage waren echt laaang.", nörgelte sie. „Wie gesagt, heute war der Arzttermin wichtig. Jetzt stell dir mal vor, ich wäre erblindet, dann könnte ich dich jetzt nicht in diesem wunderschönen Kleid betrachten.", schmeichelte ich ihr. „Na gut, bei diesem Kompliment muss ich dem Arzt verzeihen, dass er mir mein Sexdate heute geraubt hat. Aber du könntest es ja heute Abend wieder gut machen, wenn wir zu dir gehen...", schnurrte sie und schon spürte ich ihren Fuß in meiner Lendengegend. „Svet... Wenn wir kein Hausverbot bekommen wollen, dann solltest du das lassen. Es hat seinen Grund, wieso man so schwer einen Tisch hier bekommt.", wies ich sie dezent zurück. „Ach Manno...", grummelte sie und zog eine Schnute, wie als wäre sie ein Teenager, der seinen Willen nicht bekommt. Und da wusste ich auch wieder, wieso ich sie damals so anziehend fand. Ihr Mix aus verrucht, Nutte und diesem doch etwas jugendlichen zog mich magisch an. Bis ich Leenie kennen und lieben lernte. Von da an lagen meine Vorlieben auf ganz anderen Schwerpunkten. Welche, die Svetlana nie verstehen würde.

Nach dem Essen lächerte mich Svetlana, die mittlerweile wieder Fleisch aß, wann wir endlich zu mir gehen würden. „Tja, Svet. Das habe ich ja versucht dir zu erklären, aber du hast mich bei dem Thema ja immer irgendwie unterbrochen. Wir können nicht zu mir, da die Polizei dort immer noch rumhantiert. Du weißt doch, wegen dem Einbrecher und der Prügelei.", erklärte ich. „Und wo schläfst du da jetzt?", fragte sie nach. „Bei Sven... Sieh mich nicht so an. Er ist trotz des Kraches den wir hatten immer noch Kumpels und da hilft man sich aus.", erklärte ich. „Also könnten wir ja zur Abwechslung mal zu dir gehen? Du wohnst doch noch in einem Hotel oder?", fragte ich nach. „Oder willst du lieber bei Sven vögeln? Aber ich erinnere dich daran: Sven hat ein kleines Kind und das ist nachts öfter mal wach...". „Nein, danke. Da verzichte ich lieber. Nach dem Vögeln ist mir mein Schlaf heilig und außerdem will ich die Glatzbirne nicht schon nach dem Aufstehen sehen. Aber zu mir ins Hotel gehen geht schlecht...", meinte sie. „Und wieso? Du wirst doch nicht nur ein einfaches Zimmer haben?", fragte ich nach. „Na das nicht... Aber es geht halt nicht. Das musst du auch mal akzeptieren.", schoss sie zurück. „In Ordnung. Dann bleibt uns aber nur noch mein Büro zum ficken... Und da musst du leise sein, denn Morgan lässt es sich nicht nehmen uns zu stören, wenn sie zu sehr genervt wird.", erklärte ich. Grummelnd stimmte sie zu und versprach mir am nächsten Tag in der Mittagspause vorbei zu kommen.

Mit vielen Küssen verabschiedete ich sie und war froh, endlich den Abend hinter mich gebracht zu haben. Zwar hatte der Teil mit dem Hotel bei ihr nicht geklappt, aber ich hatte immer einen Plan B parat.

Babysitter 4 Bigbrother Part 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt