Kapitel 20

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Leenie

„Ich muss mich zu allererst bei Ihnen entschuldigen, Miss Rivers. Das Verhalten meiner noch sehr jungen Kollegin gestern war unverzeihlich und sie wurde sofort vom Dienst befreit. Ich hatte sie eigentlich mit gutem Gewissen zu Ihnen geschickt, weil sie sonst sehr feinfühlig mit Vergewaltigungsopfer umging... Aber das gestern war unverzeihlich. Noch einmal meine Entschuldigung dafür.... Der Grund weswegen ich gestern nicht anwesend war, war jener dass ich meiner Tochter bei der Geburt ihres Kindes beistand.", erklärte Detective Rose als sie mein Krankenzimmer betrat. Sie war eine ältere Frau mit kurzen roten Haaren und einer schmalen Figur. Aber ihre Aura war etwas ganz besonderes. Sie strahlte Ruhe und Geborgenheit aus.

„Glückwunsch.", sagte ich grinsend und legte mein Buch zur Seite. Etwas leichte Lektüre, die mich ablenken sollte.

„Danke. Ein echt strammer Bursche. Sein Vater, der Soldat im Irak ist, wird stolz sein. Aber genug von mir. Wie geht es Ihnen? Wie ich sehe, versuchen Sie sich abzulenken, aber ist Es von Stephen King dafür geeignet?", fragte sie schmunzelnd und sah mich dann aber ganz mitfühlend an. „Geschafft und teilweise auch sehr müde. Aber meine Ärztin sagte, dass liegt an den leichten Schmerzmitteln die ich gegen die Schmerzen bekomme habe. Und Es habe ich schon lange auf meine Leseliste und jetzt da ich ans Bett gefesselt bin, habe ich endlich Zeit dafür.", antwortete ich und wie aufs Stichwort musste ich gähnen. „Kein Problem. Sie haben ja gestern bei der Untersuchung schon die wichtigsten Fragen bezüglich des Tathergangs beantwortet. Ich habe mir schon zusammen mit Ihrer Ärztin das Band angehört, um Ihnen unnötige und eventuelle doppelte Fragen zu ersparen. Und ihr Expartner, Mr Blue, hat uns die Vergewaltigung im Detail geschildert. Laut seiner Aussage hatte er ja einen Platz in der ersten Reihe. Außerdem wollte er Ihnen damit die Aussage ersparen. Was mich nur noch interessiert ist folgendes: Was geschah vor der Tat und haben Sie eine Ahnung, wie Mr Peters in die Wohnung kam?", fragte sie und zückte dabei ihren Notizblock. Kurz schilderte ich ihr, dass ich meine restlichen Sachen aus der Wohnung holen wollte und ich überrascht war, ihn dort stehen zu sehen. Ich erzählte auch, dass ich ihm in ersten Moment gar nicht erkannt hatte. Er war so komplett verändert: Muskulös und er hatte Haare. Zwar kurz geschnitten, aber es war keine Glatze mehr. Auch erzählte ich ihr, dass ich ihn erst nur von hinten sah und er sich umzuschauen schien.

Und während ich ihr das erzählte, kam mir in den Sinn, dass Ryan sich erstaunlich gut in der Wohnung auskannte. Er wusste, aus welchem Raum ich kommen würde und wo das Schlafzimmer genau war. Er war dort zielgerichtet hingegangen... Und er hatte auch gewusst, wo jene Truhe sich befand. Meine Vermutung erzählte ich dem Detective. „Sie sind schon die zweite Person, die mir diese Vermutung berichtet. Wir gehen dieser Spur natürlich nach und sichten diverse Aufnahmen aus dem Hausflur. Auch hat uns der Sicherheitsdienst versichert, dass er niemanden hat aus der Wohnungen kommen sehen. Und die Haupteingangstür war bei seinem Verlassen des Postens verschlossen, also muss Mr. Peters über die Tiefgarage geflohen sein.", erklärte sie mir. „Detective, darf ich Ihnen eine Frage stellen?". - „Nur zu. Das bin ich Ihnen schuldig.", sagte sie. „Wie konnte Ryan aus dem Knast rauskommen?", fragte ich. Detective Rose seufzte und begann zu erzählen. „Eigentlich saß er lebenslänglich ein, da der Tod seines Vaters kein natürlicher war. Das wurde damals ja einwandfrei festgestellt. Dachten wir zumindest. Aber es fand sich tatsächlich ein Pathologe, der diese Tatsache in Frage stellte. Die Anwältin von Mr Peters beantragte daraufhin ein neues Verfahren und kam damit auch durch. Da anfangs keine Fluchtgefahr bestand und leider die Strafe, die er wegen des Missbrauches an Ihnen schon so gut wie abgesessen hatte, kam er auf Bewährung frei. Es dauerte keine Woche, bis der Richter feststellte, dass der Pathologe kein Pathologe war und das Gutachten eine Fälschung. Aber da war es schon zu spät und Mr Peters war über alle Berge. Er ist einer der meist gesuchtesten Männer in der Stadt und eigentlich suchen wir ihn schon seit seinem Verschwinden. Aber wenn nicht mal Sie, die ihn mit am besten kannte, erkannt hat, dann bedeutet dass, das seine körperliche Veränderung im Gefängnis doch gravierender war als angenommen. Aber dank Ihrer Schilderung können wir nun die Suche konkretisieren.", beantwortete sie meine Frage. Schweigend saßen wir einen Moment da. „Detective. Können Sie mir etwas versprechen? Fangen Sie dieses Schwein!". „Mit dem allergrößtem Vergnügen. Ich lasse mir nicht gerne von einem Straftäter auf der Nase rumtanzen.".

Ethan

„Hier, noch etwas Eis für deine Wange.", meinte Sven, als wir nach dieser endlos langen Befragung endlich in einer Bar saßen und uns ein Bier gönnten. „Danke, aber wie kommt es, dass du nicht bei Leenie bist?", hakte ich nach und legte das Eis in ein Tuch, bevor ich es an meine Wange hielt. Schon wieder hatte ich ein Veilchen davon getragen. So langsam machte ich meinem Nachnamen alle Ehre.

„Sie wird jetzt sowieso untersucht und danach wird sie ihre Ruhe haben wollen. Und wir sollten jetzt endlich mal ein klärendes Gespräch führen!", verlangte Sven. Und er hatte ja recht. Leenie war erneut etwas grausames angetan worden und ich konnte ihr wieder nicht beistehen. Nein, als Krönung des ganzen musste ich auch noch zusehen, wie dieses Schwein seine kranke Fantasie an ihr auslebte. Und nach wie vor waren mir die Hände gebunden! Wenn ich aus diesem Teufelskreis ausbrechen wollte, dann brauchte ich Hilfe. Und so begann ich zu erzählen. Von jenem Tag an, als Svetlana in meinem Büro auftauchte.

„Ich war mehr als baff, ausgerechnet sie wieder in meinem Büro zu sehen. Das kannst du mir glauben. Ich war natürlich, wie wir alle, eigentlich davon ausgegangen, dass Svetlana endlich über unsere Trennung hinweg war und sich jemanden anderen gesucht hatte. Doch selbstgefällig wie eh und je setzte sie sich mir gegenüber und meinte, wir müssten über meine Zukunft reden. Natürlich fragte ich sie, was sie damit meinte und was sie das überhaupt anginge. Immerhin war sie schon jahrelang kein Teil mehr meines Lebens. Doch sie lächelte einfach nur und warf mir einen Hefter auf den Schreibtisch. Ich hatte keine Ahnung, was dadrin sein könnte, doch mein Bauchgefühl warnte mich. Und es behielt recht. In diesem Hefter befanden sich zahlreiche Bilder von Leenie, wie sie missbraucht wurde. Von Ryan und seinem Vater. Aber die meisten zeigten Ryan. Und wie er sie immer und immer wieder missbrauchte. Aber das Schlimmste an diesen Bildern waren jene, in denen Leenie beim schlafen fotografiert worden war. Sie war niemals sicher gewesen in dieser Wohnung... Ryan hatte sie augenscheinlich oft genug in ihre Wohnung geschlichen und weiß Gott was getan.", erzählte ich und starrte in die immer kleinere werdende Schaumkrone.
„Und dann?", fragte Sven nach. Auch er hatte sichtlich Mühe, seine Emotionen unter Kontrolle zu halten. „Ich schloss den Ordner und fragte, was Svetlana damit bezweckte. Sie lachte und sagte, dass dieser Ordner der Schlüssel zu ihrem Glück sei. Und sie stellte mich dann vor ein Ultimatum. Entweder ich lasse Leenie fallen und stehe ihr zur völligen und freien Verfügung oder sie veröffentlichte die Bilder von Leenie und lässt es so aussehen, als sei das alles freiwillig gewesen. Sie würde Leenies Ruf unwiderruflich zerstören und sie als Prostituierte da stehen lassen. Sie meinte nur, es sei leicht die passende Beweise für die Öffentlichkeit zu fälschen...", „Und um Leenie zu schützen, hast du noch am selben Abend mit ihr Schluss gemacht und es für sie so aussehen lassen, als wäre da schon länger etwas zwischen euch...", beendete Sven meinen Satz. Ich nickte nur noch. Endlich war so gut wie alles raus und meine Schultern etwas erleichtert. „Aber eines verstehe ich nicht... Wieso hast du mit Svetlana gevögelt?". „Kannst du es dir nicht denken?", schoss ich zurück. Und da fiel der Groschen bei Sven. „Wenn ich dieses Weibstück in die Pfoten bekomme dann wir sie mehr als nur einen Schönheitschirurgen brauchen, das schwöre ich dir!", drohte er und bestellte sich dann noch ein Bier. „Aber erst, wenn wir alle Bilder haben! Ich bin immer noch in ihren Griffeln und so lange wir nicht die Dateien haben, bringt es gar nichts.", erklärte ich. „Auch wieder wahr. Aber wie kommen wir an ihren Partner ran? Ich mein, wer könnte denn noch diese Abzüge haben? Oder nein... Das wäre unmöglich...", stotterte Sven. „So unmöglich scheint das unter den gegeben Umständen nicht zu sein...", gab ich zurück. Er war zum selben Schluss gekommen wie ich. Doch wie konnten wir dem ein Ende setzen?

Babysitter 4 Bigbrother Part 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt