Kapitel 19

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Meine Angst gegenüber dem engen Aufzug stieg immer mehr und ich sah die Aufzugtüren Panisch an. „NEIN, Stopp! Ray, ich gehe da nicht rein! Lass mich sofort runter!“, schrie ich fast schon und strampelte. Er seufzte und sah mich nun endlich an. „Du bist verletzt und ich lass dich ganz sicher nicht so viele Treppen laufen! Was hast du eigentlich gegen Aufzüge? Hast du etwa Angst das er dich auffrisst?“, sagte er etwas übertrieben und machte daraus einen Spaß.

Ich krallte mich in sein Shirt und sah nach unten. Alleine bei dem Gedanken daran in dieses Ding zu steigen wurde mir schlecht. Diese Angst ist einfach zu groß. „Das glaub ich jetzt nicht. Du hast tatsächlich Angst vor Aufzügen!“, sagte er erstaunt. Ich sah ihn bedrückt an. „Ja, jetzt ist es raus. Zufrieden? Und jetzt lass mich runter!“, forderte ich.

„Nein“

Nein? Nicht sein Ernst. „Was nein? Du sollst mich runter lassen. SOFORT!“, forderte ich noch einmal. „Nein, ich lasse dich nicht laufen. Wir nehmen den Aufzug und du wirst sehen dass es nicht schlimm ist. Ich bin bei dir und du bist nicht alleine. Also brauchst du keine Angst zu haben.“

Seine letzten zwei Sätze schockten mich, sodass ich nicht mal mitbekam das er in den Aufzug eingestiegen war. Und schon waren die Türen zu. Er ließ mich vorsichtig runter und stellte mich wieder auf meine Beine. Sofort wurde mein Körper von Angst ergriffen und ich starrte Panisch auf die Wände. Ray drückte auf die Taste für die Etage, während ich völlig in Schockstarre da stand.

„Alles ist gut“, sagte er nur. Nein, nichts ist gut. Die Wände kommen näher. Als der Aufzug sich in Bewegung setzte, stolperte ich einen Schritt zurück und konnte ein kleines quietschen nicht unterdrücken. Die Erinnerungen von damals kamen sofort wieder hoch und ich fühlte mich erdrückt. Ich bekam schlecht Luft und meine Beine gaben nach. Ich viel auf den Boden wodurch der Aufzug kurz wackelte und ich vergrub Panisch atmend meine Hände in den Haaren.

„Hey! Alles ist gut! Du brauchst keine Angst zu haben sagte Ray und streichte mir sanft über den Rücken. „Nein. Nein, bitte lass mich raus. Ich... Ich bekomme keine Luft... “, flüsterte ich heiser. Alles kam näher und presste mich immer mehr in die Enge. Mein Stresspegel stand auf dunkelrot und mir wurde immer schwindeliger. Meine Wunden brannten nun wie Feuer und die Luft wurde jede Sekunde knapper. Ich spürte wie ich nun fest gegen Ray's Körper gedrückt wurde.

„Es passiert dir nichts. Vertraue mir. Ich bin da. Vorher hast du mich gerettet und jetzt rette ich dich. Keine Angst, Kätzchen“, flüsterte er beruhigend. Ich spürte wie mir Tränen in die Augen schossen und ich krallte mich fest an Ray. Ich hatte das gleiche Gefühl wie damals. Damals ruckelte der Aufzug schlimm und man konnte die einzelnen Seile reißen hören. Das Licht war aus und es gab nur mich. Das kleine Mädchen das weinend um Hilfe schrie.

„Ich hab Angst... Ich... Ich kann nicht... Ray“, sagte ich stotternd und weinte. Er hielt mich ganz fest und versuchte weiterhin mich zu beruhigen. Doch ich wurde nur immer tiefer in das dunkle Loch gezogen und die Angst und Panik wurde zuviel. Die Welt verschwamm immer mehr bis ich nichts mehr sehen und fühlen konnte. Einfach nur unendliche Leere...

POV Ray:

Zwar wusste ich vor dem Aufzug das sie Angst hatte, aber das es so schlimm ist hätte ich nie gedacht. Nun lehnte die sonst so starke und schlagfertige Frau wie ein kleines, ängstliches Kind an mir und zitterte am ganzen Körper. Ihre Tränen liefen wie ein Wasserfall. Sie hatte Todesangst. Es war mehr eine Qual nichts machen zu können. Ich versuchte sie nur weiterhin zu beruhigen. Bald werden wir oben angekommen sein und dann ist alles vorbei.

Ich spürte das sie völlig fertig und ausgelaugt war. Sie tat mir so schrecklich leid in diesem Moment. Sie musste mal etwas schreckliches in einem Aufzug erlebt haben. Vielleicht wurde sie als kleines Mädchen mal im Aufzug angegriffen und sie konnte sich nicht wehren. Oder ein Aufzug ist mal abgestürzt. Das muss ein echtes Trauma für sie sein. Jetzt verstehe ich endlich warum sie immer die Treppen nimmt und Aufzüge vermeidet. Nun kann ich sie endlich verstehen. Ich zwinge dich nie wieder in einen Aufzug zu steigen!

Plötzlich wurde sie still und ihr völlig verkrampfter und angespannter Körper wurde schlaff und ich konnte keine schluchzen mehr hören. Schnell drehte ich ihr Gesicht zu mir. Ihre Augen waren zu und man konnte noch die nassen Tränen auf ihrem bildhübschem Gesicht sehen. Ihr Gesicht war aber bleicher als eine weiße Wand.

Sie ist ohnmächtig geworden. Das war wirklich zu viel für sie. Es tut mir leid dir das angetan zu haben, Ruby.

Die Türen vom Aufzug gingen auf und ich hob sie vorsichtig hoch und trug sie in die Suite. Sie hat heute schon genug getan. Sie hat mir das Leben gerettet und ich tue ihr soetwas an.... Wie dumm kann ich nur sein!

Vorsichtig legte ich sie in ihr Bettund sah sie an. So wie sie dort nun schlief sah sie so zerbrechlich und verletzlich aus. Ich wusste nun dass sich unter ihrer harten Schale ein weicher Kern versteckt. Aber wohl eher ein traumatisierter und verletzter Kern.

Ich beschloss mich zu ihr zu legen. Ich schulde ihr schon so viel. Ich möchte jetzt für sie da sein. Vorsichtig zog ich sie zu mir und hielt sie fest in meinen Armen. Sie kuschelte sich an mich und hielt mein Shirt fest. Es kam mir beinahe so rüber wie als wollte sie nicht das ich mich von ihr entferne. Und ich wollte das auch nicht. Also streichelte ich sanft über ihre Haare bis auch ich einschlief.




My little BodyguardWo Geschichten leben. Entdecke jetzt