Kapitel 6

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In jeder Ecke lungerten die Leute herum und ich begann damit die Sachen zu verteilen. Bei den zwei Kindern blieb ich länger. „Hey, Luke und Susi. Wie geht's euch?", fragte ich. „Schaut mal ich hab was für euch", sagte ich und gab ihnen eine Tüte voll mit Brötchen zwei Haribo Tüten und zwei 1L Flaschen. Außerdem bekamen sie noch neue und warme Kleidung. Vorher im Laden hatte ich extra dicke Pullis und Winterjacken für die zwei mitgenommen. Luke ist neun Jahre alt und seine kleine Schwester Susi gerade mal sechs. Die zwei haben kein leichtes Leben und leider auch keine Eltern mehr. Deshalb versuche ich ihnen so gut wie möglich zu helfen.

Sofort zauberte sich ein Lächeln auf die Gesichter der beiden und sie umarmten mich dankend. Rian stand hinter mir und beobachtete mich still. „Seht mal. Mehr habe ich gerade nicht mehr bei mir, aber verspreche mir gut darauf aufzupassen und zeigt es niemandem. Kauft euch davon was schönes wenn euch was fehlt", flüsterte ich und steckte Luke einen 100 Dollarschein zu. „Danke, du bist die beste, Mina!", sagte er und lächelte mich an. Schnell steckte er das Geld in die Tasche seiner neuen Winterjacke.

Ich verteilte die restlichen Sachen und kletterte dann auf ein Dach. „Du bist ein verdammt guter Mensch, weißt du das?", sagte Rian der sich neben mich gesetzt hatte. „Ach, du bist ja immer noch da...", seufzte ich. „Ich hab noch nie so jemanden wie dich hier getroffen. Du bist so... anders", erzählte er und ignorierte gekonnt meinen Satz davor. „Du bist auch anders. Im positiven Sinne meine ich", erwiderte ich und sah zu den Sternen. Heute Nacht war der Himmel zwar klar aber da es schon Herbst war, wehte ein kälter Wind der mich frösteln ließ.

„Ich muss jetzt los. Aber war schön dich mal kennen zu lernen. Vielleicht sehen wir uns ja mal wieder", sagte Rian nach einigen Minuten. „Vielleicht", sagte ich nur und schon war er weg. Ein komischer Kauz. Als ich auf die Uhr meines Handys schaute schlug ich mir mit der Hand gegen die Stirn. Es war 02:46 Uhr. Na toll! Es war mal wieder so klar das ich die Zeit aus den Augen verliere. Ich stöhnte genervt und kletterte dann vom Dach um mein Motorrad zu holen das ich hier in der Nähe deponiert hatte.

Ich werde morgen früh eindeutig Schwierigkeiten haben wach zu bleiben. Schnell fuhr ich mit meiner Maschine nach Hause und verschwand in mein Bett, nachdem ich mir meinem flauschigen Oversize Pullover übergezogen hatte. Innerhalb weniger Minuten sank ich in einen tiefen Schlaf.

Umso schwerer war es meinen Wecker am Morgen zu hören und ihn dabei nicht gegen die nächste Wand zu schleudern. Ich schaltete ihn aus und richtete mich nur mit Mühe auf. Ich glich wahrscheinlich gerade eher einem Zombie als einem Mensch. Ich seufzte genervt bei dem Gedanken daran erneut einen ganzen Tag mit diesem Langweiler zu verbringen.

Ich stand auf und bemerkte sofort den Muskelkater in meinem kompletten Körper. Ich hatte es gestern wohl doch etwas übertrieben. Müde gähnte ich und zog mir eine enge schwarz-weiß karierte Hose an und dazu ein weites schwarzes Shirt das ich in die Hose steckte. Wieder zog ich meine schwarze Kappe auf und früstückte dann.

Heute waren die Treppen des Gebäudes noch anstrengender als sonst und ich dachte sie hören gar nicht mehr auf. Bei jedem Schritt brannten meine Muskeln höllisch. Als ich endlich oben angekommen war, lehnte ich mich erstmal gegen die kühle Wand. Dann ging ich einfach in Ray's Büro und schmiss mich auf den Sofa. „Noch nie was von anklopfen gehört?“, fragte er und sah mich mit verschränkten Armen an.

„Das geht mir gerade am Arsch vorbei, weißt du? Mach einfach dein Schnösel Zeug weiter und dann gehen wir zu diesem dämlichen Interview das du heute machen musst“, sagte ich und schloss meine müden Augen. „Wow, da ist heute aber jemand schlecht gelaunt. Ich will nicht wissen was du gestern noch vor hattest“, erwiderte er und widmete sich tatsächlich wieder seinem Laptop.

Bis Mister Schnösel endlich fertig war entspannte ich mich und versuchte dabei angestrengt nicht wieder ins Land der Träume abzudriften. Ganze 30 Minuten später fuhren wir dann auch schon zum Ort des Interviews.

„Hättest du dir nicht wenigstens etwas normales anziehen können?“, fragte Ray, nachdem er gerade in seinen maßgeschneiderten hellgrauen Anzug geschlüpft war. „Das ist normale Kleidung. Du hast mir nicht vorzuschreiben wie ich aussehen muss. Ich renn hier ganz sicher nicht im Cinderella Kleidchen und Glasschuhen rum“, schnauzte ich. „Auch wenn ich dir die Schuhe lieber an den Kopf werfen würde...“, nuschelte ich noch hinterher. Ray's Blick nach zu urteilen schien er mich aber trotzdem ganz gut verstanden zu haben und meine Mundwinkel hoben sich leicht.

Ich ging mit Ray in die Maske, wo er für das Interview geschminkt wurde. Oh wie gerne ich ihm gerade roten Lippenstift auf seine perfekten vollen Lippen schmieren würde...
Schnell schüttelte ich verstört von mir selber den Kopf.

Ich nutzte die Zeit um mich hier etwas umzusehen. Mitarbeiter wuselten hin und her und ich ertappte sogar eine Gruppe Frauen die so sehr von ihm schwärmten, dass es fast schon gruselig war. Mit einem angeekelten Gesicht lief ich weiter und beobachtete die Leute die gerade den Interviewplatz richteten. Die Kameras standen schon. Es würde eine Live Übertragung ins Fernsehen geben, in dem ihm anscheinend Fragen von seinen Fans gestellt werden würden.

Ich lief wieder zurück und stellte fest das er nun endlich fertig war und sich nur noch mit dem hübschen Schminkmädchen unterhielt. Das arme Ding war schon Knallrot angeloffen, weil dieses Monster wohl mit ihr flirtete. Oh Gott, was ein Arsch!

Ich stellte mich mit verschränkten Armen neben sie und räusperte mich mit Absicht laut und schenkte Ray einen warnenden Blick. „Los jetzt! Hopp, Hopp!“, drängte ich ihn und zog ihn etwas gewaltsam von seinem beigen Drehstuhl. Er stolperte beinahe über seine eigenen Füße, während ich ihn aus dem Raum rausbeförderte. „Schon gut, ich geh ja schon!“, sagte er und lief auf den Drehort zu.

My little BodyguardWo Geschichten leben. Entdecke jetzt