Dio

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Ein lautes Klopfen riss mich aus meinem traumlosen Schlaf. Ich rieb mir die Augen und brauchte einen kleinen Moment, bis ich klar sehen konnte. Kakyoin lag noch immer eingekuschelt in meinem Arm. Lächelnd versuchte ich mich vorsichtig, ohne ihn zu wecken, aus dem Bett heraus zu winden, da es erneut klopfte. Verschlafen fuhr ich mir durch die Haare, während ich die Tür nur einen kleinen Spalt breit öffnete. Man würde sonst unsere zusammengeschobenen Betten sehen können...

"Jotaro! Guten Morgen."

Es war mein Großvater. Und er hatte einen angespannten Blick drauf.

"Morgen.."

murmelte ich müde. Noch war ich nicht ganz wach. Es musste auch noch ziemlich früh gewesen sein, da die Sonne gerade erst aufzugehen schien.

"Tut mir leid, dass ich euch so aus dem Schlaf reiße. Aber wir sollten uns langsam auf den Weg machen. Wir müssen jede Sekunde mit dem Sonnenlicht auf unserer Seite nutzen. Polnareff, Avdol, Iggy und ich warten unten auf euch."

Ich nickte nur zustimmend und schloss die Tür wieder. Vielleicht sollte ich etwas netter zu dem Alten sein. Wer weiß, wie der Tag heute ausgehen wird... Doch ich konnte so etwas einfach nicht gut. Ich schätzte die Leute die mir nahe standen innerlich wert. Aber ich konnte es nicht ausdrücken oder zeigen. Seufzend setzte ich mich zu Kakyoin ans Bett und strich ihm verträumt seine Locke aus dem Gesicht. Ich könnte ihn einfach hier liegen und schlafen lassen und mich mit dem Rest auf den Weg machen... Doch ich dachte an unser Gespräch vom Vorabend. Also weckte ich ihn liebevoll mit einem Kuss. Nachdem ich mich von ihm gelöst hatte, bildete sich ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen und er fing an, leise etwas vor sich hin zu murmeln.

"Noch einen bitte..."

Das Schmunzeln konnte ich mir nicht verkneifen und beugte mich erneut hinunter für einen weiteren Kuss. Dieses Mal schlang er seine Arme um meinen Nacken und zog den Kuss damit in die Länge.

"Guten Morgen. Der Alte war hier, die wollen aufbrechen."

Kakyoins verschlafener Blick wurde ernster, trauriger. Scheinbar hatte er gerade realisiert, was heute bevorstand. Vielleicht war ich auch zu direkt. Vielleicht hätte ich ihn erst einmal wach werden lassen sollen.

"Tut mir leid..."

Nachdem wir uns fertig gemacht und die Betten wieder auseinander gerückt hatten, standen wir vor der Zimmertür, kurz davor, loszugehen. Doch Kakyoin zupfte an meinem Mantel, bevor ich die Tür öffnen konnte.

"Jotaro? Nimmst du mich noch einmal in den Arm bevor wir raus gehen?"

Besorgt schaute er zu mir hoch. Ich spürte seine Angst um mich. Doch mir ging es ja mindestens genauso mit ihm.

"Natürlich..."

Feste schloss ich ihn in meine Arme und strich ihm zärtlich über den Kopf.

"Ich pass auf dich auf, versprochen."

"Und ich auch auf dich."

"Nun müssen wir aber los, die Anderen warten schon."

Mit diesen Worten löste ich mich schweren Herzens von ihm und wir gingen gemeinsam hinunter zum Rest der Truppe.

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Wir hatten Dios Versteck mittlerweile betreten und den nächsten Stand Nutzer, D'Arby den Jüngeren, besiegt, nachdem er Joseph, Kakyoin und mich zu seinen Videospielen herausgefordert hatte. Besser gesagt er hatte uns gezwungen mitzuspielen. Kakyoin hatte sich für mich eingesetzt, allerdings gegen ihn verloren. Doch ich habe D'Arby gemeinsam mit dem Alten ausgetrickst und Kakyoin gerettet. Polnareff, Avdol und Iggy wollten  währenddessen weiter ins Gebäude vordringen. Und scheinbar stießen wir genau im richtigen Augenblick zu Polnareff, denn er stand einem Feind gegenüber. Nein, nicht nur irgendeinem Feind, es war Dio höchstpersönlich!

"J... Joestar-san!"

rief Polnareff sichtlich erleichtert als er uns sah.

"Keine Sorge, Polnareff."

Dio lächelte belustigt und haute ab. Nun sah ich ihn zum aller ersten Mal. Er hatte eine so ungemütliche und angsteinflößende Aura. Ich spürte wie die Wut, der ganze Hass in mir aufkochte. Kakyoin nutze den Moment, als die anderen abgelenkt waren, um kurz meine Hand zu halten. Er wollte mich etwas beruhigen, doch ich merkte, dass es ihm auch nicht wohler war. Dann sah ich mich um. Unsere Gruppe war nicht vollständig.

"Wo sind Avdol und Iggy?"

fragte ich an Polnareff gewandt. Sein Blick senkte sich und wurde von Schmerz und Trauer erfüllt. Mit zitternder Stimme antwortete er:

"S... Sie haben es nicht geschafft... Sie starben, um mich zu retten."

Eine bedrückte Stille herrschte. Uns alle traf die Nachricht sehr tief. Keiner wusste, was er sagen sollte. Doch wir wussten, dass trotzdem keine Zeit für Trauer blieb. Zumindest noch nicht. Wir brauchten unsere Konzentration und Aufmerksamkeit im Kampf. Und nicht nur, dass wir nun bereits zwei Gefährten verloren hatten, die Kämpfe hatten uns auch sehr viel Zeit gekostet, was Kakyoin nun auch vorsichtig ansprach.

"Joestar-san, die Sonne geht bald unter. Wir müssen uns beeilen."

"Du hast Recht."

Wir folgten Dio nach draußen und nach einer Meinungsverschiedenheit zwischen Polnareff und Joseph teilten wir uns auf. Polnareff wollte jetzt sofort zu Dio, während der Alte lieber erst vorsichtig herausfinden wollte, was Dios Stand für Fähigkeiten hatte. Ich wollte den Sturkopf zwar einfach sein Ding machen lassen, allerdings haben wir mittlerweile genug unserer Freunde verloren und der Alte und Kakyoin hatten darauf bestanden, dass ich bei Polnareff bliebe. Ich trennte mich nur äußerst ungerne von Kakyoin, denn so konnte ich nicht auf ihn aufpassen. Doch sie hatten Recht. Polnareff geriet oft genug in Schwierigkeiten.
Ich wusste nicht genau, was sie vor hatten, doch Joseph schien bereits zumindest einen kleinen Plan gehabt zu haben. Wenn ich ihn richtig verstanden hatte, wollte er, dass wir Dio einkesseln und von zwei Seiten angreifen würden. Polnareff und ich schnappten uns also ein Motorrad und fuhren erst einmal in die entgegengesetzte Richtung wie Joseph und Kakyoin. Einer von uns würde Dio schon finden. Oder Dio uns...

Nachdem Polnareff und ich eine Weile unterwegs waren und bisher in Ruhe gelassen wurden, hörten wir Aufruhr in der Ferne und entscheiden uns, dorthin zu fahren.

"Hey, Jotaro!"

rief Polnareff irgendwann. Ich schaute in die Richtung, der sein Blick folgte. Ein qualmendes Auto mit Totalschaden steckte in einer eingebrochenen Hauswand. Ein paar Schaulustige standen drum herum.

"Das Auto ist im Eimer."

Etwas lenkte meine Aufmerksamkeit auf die Hausdächer.

"Da oben! Der Alte und Dio sind auf den Dächern!"

Insgeheim fragte ich mich, wie es Kakyoin erging. Ich wusste nicht, ob es begründet war, doch irgendwie hatte ich gerade ein ganz mulmiges Gefühl...

In Your Arms - Last Train Home [Jotakak] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt