- Am Kai -

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Ich stapfe neben Kalvin den Anleger entlang und lasse meinen Blick über die vielen Fischer streifen, die hier ihr Tagewerk verrichten. "Käpt'n wir sollten sie uns ihr Anliegen zumindest anhören." meint er und ich wende mich ihm und dem Schreiben in seiner Hand zu. Kalvin ist groß und dunkel, womit ich nicht nur seine Ausstrahlung meine, sondern auch seine Hautfarbe, die das Sonnenlicht zu absorbieren scheint. Er ist mein erster Maat und außerdem der klügere von uns beiden, was ich ganz schamlos zugeben kann.

Als ich merke, dass er noch immer auf eine Antwort von mir wartet, schnaube ich leise und schnappe mir den Brief aus seiner Hand. Das Papier ist edel und wenn man es gegen die Sonne hält, kann man das Wasserzeichen der königlichen Familie erkennen. "Warum schicken sie nicht einfach einen Booten? Warum wollen sie ein persönliches Treffen?" Wenn ich ehrlich war, dann gefiel mir das ganze rein gar nicht, ganz egal wie viel Gold sie uns als Angebot machten.

"Sie wollen sich mit uns in einem neutralen Haushalt treffen. Ein altes Landadelsgeschlecht, dass mit deinem Vater verkehrt. Außerdem scheint es eine höchst brisante Angelegenheit zu sein." versucht Kalvin mich zu überzeugen. "Wenn mein Vater seine Finger im Spiel hat, dann gibt es garantiert noch einen Haken." mutmaße ich und verschränke die Arme vor meiner Brust. "Lass uns wenigstens hin und sie anhören. Solange Enja noch auf der Suche nach einem neuen Arzt ist, können wir eh nicht auslaufen und Arthur findet es bestimmt auch eine gute Idee." "Klar ist Arthur deiner Meinung." gebe ich schnauben zurück. Dann nicke ich allerdings. "Okay. Wir gehen beide. Wenn wir bis zum Abend nicht zurück sind, sollen Arthur und die anderen in See stechen." sage ich ernst und Kalvin nickt zufrieden.

"Ich geh zum Schiff zurück." informiert mich der Maat und ich gebe ihm mit einem knappen Handzeichen mein Einverständnis dazu. Dann gehe ich weiter am Kai entlang und lasse mir die Sonne aufs Gesicht scheinen. Vor gut einer Woche waren wir etwas vom Hafen an einem geheimen Anleger eingelaufen und hatten unsere Beute gut verteilt. Von einem Großteil bezahlte ich meine Crew und die Unterhaltung des Schiffes, doch es blieb auch noch immer etwas für diejenigen übrig, die es wirklich benötigten.

Ich sehe zum Horizont und schließe die Augen. "Rubina?" Eilig wirble ich herum, meine Hand am schweren Korbdegen, den ich um meine Taille trage. Doch als ich den anderen erkenne, entspanne ich mich langsam und ein breites Grinsen trifft auf meine Lippen. "Henry." erwidere ich und nicke ihm zu. Henry ist der Smutje auf dem Schiff meines Vater gewesen. Er hat mir lesen beigebracht, kochen, Knoten knüpfen und alles was man sonst auf einem Schiff können muss. Nachdem ich meinem Vater erzählt habe, dass ich zur See fahren will, hat dieser Henry gefeuert, da er ihm die Schuld dafür gab, dass ich so missraten war. Doch sagen wir so, ich habe mich durchgesetzt und seitdem meine Beutezüge erfolgreich sind, bringe ich dem alten Henry immer einen Anteil vorbei.

"Wie war es da draußen?" fragt er und nickt zum Horizont. "Unsere Anlandung war wegen des Windes knifflig, doch sonst ist es schönstes Kaperwetter." erwidere ich und rücke meinen langen schwarzen Mantel etwas zurecht, den ich über einem weißen Hemd und einer weiten braunen Hose trage. Henry lacht und ich bringe ebenfalls ein Lächeln zustande. "Ich sollte gehen. Du solltest nicht hier draußen mit mir gesehen werden." sage ich dann und umarme ihn kurz, wobei ich einen Beutel mit Münzen in seine blaue Jacke gleiten lasse. Dann tippe ich mir an den Hut und mache mich auf den Weg zu meinem Zuhause.

Je weiter ich das Kai entlang gehe, desto weniger Fischer sind zu sehen. Dafür wird die Anzahl der etwas zerlumpten Tagelöhner mehr, die darauf hoffen einen der wenigen Plätze mit anständiger Bezahlung an Bord eines Schiffes zu bekommen. Ich dränge mich wortlos an ihnen vorbei, denn bis auf einen neuen Schiffsarzt ist meine Crew recht vollständig. Ich habe lieber weniger Leute, denn so kann ich ihnen zum einen mehr bezahlen und zum anderen ist es wichtig, dass sie alle genügend zu tun haben. Auf hoher See kann man sich schnell langweilen und dann kommt man auf dumme Gedanken.

Endlich erblicke ich sie am Ende des Kais. Die Dochers mein prachtvoller Dreimaster. Sie steht im Grundbuch sogar auf meinen Namen eingetragen. Eine kleine Formalität, die ich aber sehr zu schätzen weiß, da ich meinem Vater somit bewiesen habe, dass ich sehr wohl eines Tages ein eigenes Schiff haben werde und dessen Kapitän sein werde.

"Aye." ruft Arthur mir zu, der gerade am Kai sitzt und seine Beine über die Kante baumeln lässt. "Ist Enja bereits zurück?" "Nein Käpt'n, ihre Lady ist noch nicht wieder hier." erwidert er und ich schüttle den Kopf. "Hat Kalvin dich schon über den Brief unterrichtet?" "Aye Käpt'n. Ich werde gut auf das Schiff acht geben, bis du wieder da bist." "Das will ich dir auch geraten haben, denn sonst lass ich dich bei der nächsten Gelegenheit Kiel holen gehen."

"Und wer soll dann kochen?" fragt Kalvin, der in diesem Moment in einem blauen Mantel an Land springt. "Du." erwidere ich und er zieht grinsend die Augenbraue hoch. "Aye MyLady."

Das Gesetz der Hohen SeeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt