Emilians pov.
Es war früher Nachmittag als wir in den Hafen einliefen. Um ehrlich zu sein, war ich überrascht wie groß und ordentlich das Hafengelände vom Schiff aus schien. Schon kurz nach unserer Ankunft verschwanden Kal und die Kaiserin, um mit den Verbannten zu verhandeln oder alte Erfahrungen auszutauschen oder sonst was.
Sie kamen nach gut einer Stunde wieder und Rubina befahl, dass alles sicher vertäut werden sollte. Dann erlaubte sie der Crew einen ausgiebigen Landgang, bevor sie ihre frisch angetraute Gefährtin an der Hand von Bord führte und verschwand. Kalvin schien es nichts auszumachen an Bord zu bleiben und er gab auch Cook und Chris frei, die gemeinsam den Markt erkunden wollten. Chris fragte mich, ob ich sie nicht begleiten wolle, doch ich lehnte ab, mit der Begründung, dass ich fürs erste genug von Erkundungsgängen auf fremden Inseln hatte. Was allerdings nur die halbe Wahrheit war.
Die andere Hälfte lehnt gerade gelassen an der Reling und sieht hinaus aufs Meer, während ich mich damit beschäftige seine Züge zu studieren. Sei Kiefer ist angespannt, als erwarte er jeden Moment, dass die nächste Welle an Ereignissen über uns hinweg rollen würde und seine Augen suchen den Horizont ab. Ich lehne mich sanft an ihn und streiche mit meinem blassen Finger seine scharfkantigen Züge nach. Er erstarrt unter meinen Berührungen und ich will meine Hand schon eilig zurückziehen, doch dann schließt Kalvin die Augen und entspannt sich langsam. Also fahre ich weiter sacht die Konturen seines Gesichts nach, wobei sich mein Finger wie Porzellan von seiner ebenmäßigen dunklen Hautfarbe abhebt.
Schon damals, in unserem alten Leben, war er ein Außenseiter gewesen. Sein Großvater war ebenfalls zur See gefahren und hatte dabei seine Frau kennengelernt, die eine ebenso dunkle Hautfarbe hatte, wie ihr Enkel und dessen Vater. So etwas war in den hohen Kreisen der Gesellschaft ungewöhnlich, fast schon verpönt gewesen. Doch alles was andere an Kalvin abzustoßen schien, zog mich nur noch mehr in seinen Bann. Ich liebte das dunkle braun seiner Augen, seine kurzen dichten Haare, seine manchmal ungreifbare und unnahbare Art, ebenso wie seine Sanftheit und seinen Beschützerinstinkt. Ich fiel für jede seiner Facetten und vertraute darauf, dass er mich jedes Mal auffing.
"Erzähl mir etwas von deiner Zeit auf dem Schiff, bevor ihr beide eine Meuterei angestiftet habt." bitte ich ihn sanft und sehe zu Kalvin hoch, nur um zu merken, dass er mich bereits beobachtet. Ein kleines Lächeln huscht über seine Lippen und er zieht mich sacht an sich, so dass ich mich an ihn kuscheln kann und den Stoff seines blauen Mantels fühlen kann. Solange er bei mir ist, kann mir nichts passieren, kommt mir in den Sinn und ich muss unweigerlich lächeln.
"Hm. Ich stand,glaube ich, ebenso verloren vor der Dochers, wie du vor ein paar Monaten. Sie war damals etwas heruntergekommener als sie es heute ist und die Segel waren an vielen Stellen geflickt. Man verfrachtete mich zu den anderen Schiffsjungen in den Rumpf des Schiffes, wo ich auf Rubina traf. Sie trug die Haare damals kurz, machte sich aber kaum die Mühe den Fakt zu verstecken, dass sie ein Mädchen war. Die meisten der Schiffsjungen hielten einen gewissen Abstand zu ihr, einige aus Angst und die anderen aus Respekt. Sie hatte eine unglaubliche Aura und ich merkte schnell, dass es wohl recht intelligent war mich an sie zu halten.
Rubina schützte mich in den ersten Monaten an Bord, ich konnte zwar körperlich bei den meisten Aufgaben mithalten, doch ich verstand die Hierarchie unter den Schiffsjungen nicht sofort. Doch sie wurde nicht müde jeden Einzelnen in seine Schranken zu weisen und ehe ich mich versah, bewunderte ich sie ebenso sehr, wie jeder andere auch. Sie brachte mir alles bei, was ich wissen musste. Sie lehrte mich Knoten knüpfen, Seekarten lesen und die Sprache an Deck. Sie brachte mir bei zu kämpfen, nicht fair, so wie wir es in den endlosen Kampfstunden gelernt hatten, sondern effektiv. Sie verlor niemals.
Doch es gab einen Moment an dem ich mir dachte, dass ich niemanden anders folgen würde, als ihr." endet er und lächelt sanft auf mich hinab. Ich hab die gesamte Zeit gebannt zugehört und mir versucht vorzustellen, wie die Freundschaft der beiden gewachsen ist. Sie waren beide so Gewissenhaft und hatten sich diesem Leben verschrieben, dass ich sehen konnte, weshalb sie so gut miteinander auskamen. Doch was mich überraschte, war die absolute Bewunderung, die er für den Käpt'n hatte und die ich noch nie bei ihm erlebt hatte. Kalvin beugt sich hinab und gibt mir einen Kuss auf die Stirn, bevor er mit der freien Hand in seine Manteltasche fasst und etwas herauszieht.
Ich erkenne es sofort. Es ist die letzte Zeichnung, die Kalvin von mir angefertigt hat. Früher hatte er das oft getan, wenn wir zusammen ausgeritten waren. Ich hatte gelesen, während er mich zeichnete. Die Zeichnung in meinen Händen war vergriffen und doch erkannte ich unweigerlich mein jüngeres Selbst. Langsam sehe ich wieder zu Kalvin auf und beiße mir auf die Lippe, um die auf sprudelnden Gefühle zurück zu halten. Er hatte sie all die Jahre aufbewahrt und scheinbar auch bei sich getragen.
"Eines Tages ist mir die Zeichnung runter gefallen und einige Schiffsjungen waren schneller als ich beim Aufheben. Sie machten sich darüber lustig, dass ich die Zeichnung von einem Jungen mit mir trug. Doch bevor ich reagieren konnte, war Rubina schon aufgetaucht, sie verpasste dem Jungen eine schallende Ohrfeige, so dass dieser vor Schreck das Blatt fallen ließ. Geschickt fing sie es auf und reichte es mir wortlos, bevor sie sich auf ihre Hängematte fallen ließ. Einige Zeit sprach sie das Thema nicht an.
Doch dann waren wir eines abends beide für die Nachtwache eingeteilt und sie fragte mich, wer der Junge sei. Ich scheute mich davor ihr zu erzählen, dass ich in dich verliebt war und niemals aufgehört hatte Gefühle für dich zu haben. Also erwiderte ich Wage etwas in die Richtung, dass du der Grund gewesen seist, weshalb ich das Festland verlassen hatte. Das reichte ihr scheinbar um mich vollkommen zu durchschauen, denn sie lächelte sanft und bat mich die Zeichnung ansehen zu dürfen. Ich zögerte, doch reichte ihr das Blatt. Dann sah sie mich an, lächelte und sagte..."
"Eines Tages wirst du zu ihm zurückkehren können. Wir werden einen Ort schaffen, an dem jeder akzeptiert wird, wie er ist. Das Meer ist wild und so unendlich, wieso sollten wir uns an die Regeln dieser Gesellschaft halten."
Wir beide wirbeln herum und ein kleines Lächeln huscht über mein Gesicht, als ich Rubina sehe, die ein Stück entfernt gegen den Mast lehnt und Kalvins Erzählung beendet hat.
"Es war ein großer Traum. Ein Traum, den eine Person nicht allein Leben könnte." fährt sie fort, während ihre roten Haare im Wind wehen. "Zum Glück warst du nie allein." erwidert Enja, die sich an ihre Gefährtin lehnt und diese lächelt sanft, bevor sie Kalvin und mir zuzwinkert. "Nach all ist Zuhause noch immer da, wo dein Herz ist."
Kalvin lächelt matt bei diesen Worten, als würden sie ihn an eines der unzähligen Gespräche der beiden erinnern und ich lehne mich sanft an seine breite Brust, bevor ich mich auf die Zehenspitzen stelle und flüstere. "Du hast mein Herz, du bist mein Zuhause." Er erwidert nichts, sondern beugt sich langsam vor, so dass seine rauen Lippen auf die meinen treffen.
Das Meer ist unendlich, ebenso wie die Liebe
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Das Gesetz der Hohen See
Ficção AdolescenteMein Name ist Rubina. Mein Vater ist Kapitän eines Handelsschiffes und fährt für die königliche Flotte. Früher bin ich gern mit ihm gefahren. Ich liebte die unendlichen Weiten des Meeres, die Sonne in meinem Gesicht und die Freiheit hier draußen. ...