~ Das Leben auf See ~

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Emilians pov.

Zusammen mit den meisten anderen Schiffsjungen sitze ich unter Deck und höre den Befehlen zu, die an Deck gebrüllt werden.

Zum ersten Mal habe ich Zeit um etwas nachzudenken. Seit ich hier auf dem Schiff bin, besteht mein Alltag aus einer Menge körperlicher Arbeit, worüber ich nicht gerade unglücklich bin, da mich das vom Nachdenken ablenkt.

Nachdenken über diese Ganze Situation. Doch jetzt sitze ich in meiner Hängematte und lausche dem Rauschen der Wellen und dem Rufen der Männer und Frauen auf Beutezug. Ich glaube Kalvin zu hören und mein Herz zieht sich etwas zusammen. Seit ich hier war, hatten wir keine Chance gehabt miteinander zu reden und diese Nähe brachte mich fast so sehr an den Abgrund, wie die Jahre der Ungewissheit. Er schien so nah zu sein und doch unerreichbar für mich.

Seit unserer kleinen Begegnung in der Küche hatte er mich auf Abstand gehalten und ließ mir meistens über Cook ausrichten, wenn es etwas zu wissen gab. Ich wusste, dass er mich erkannt hatte. Ich hatte es an seinen dunklen Augen gesehen, die Art mit der er mich angesehen hatte. Der Moment in der Küche hatte nur wenige Augenblicke gedauert und doch hatte es sich angefühlt, als sein wir beide in dieser Sekunde vollkommen allein. Die Trauer, die in seinen dunklen brauen Augen geglüht hatte, zerriss mir noch immer das Herz. Ich hatte die Hand nach ihm ausstrecken wollen, hatte in seine Arme flüchten wollen. Doch ich hatte mich zurückgehalten.

Er war gegangen, ehe jemand etwas sagen konnte und ich konnte fühlen, dass Cook deshalb nicht gerade gut gestimmt war. Er hatte mich beiseite genommen und mir versprochen, dass er mit dem Kapitän alles klären würde, so dass ich es auf dem Schiff gut hatte, ganz egal in welcher Beziehung ich zum ersten Maat stand. Ich war ihm dankbar gewesen, auch wenn ich glaubte, dass der Koch meine Reaktion falsch interpretiert hatte. Er hatte meine Tränen wohl als Zeichen von Angst oder Trauer gedeutet, auch wenn ich einfach nur glücklich gewesen war, dass mich mein ältester Vertrauter noch immer erkannte.

Doch ich war Cook zu dankbar, als das ich ihn berichtigen wollte. Er meinte, dass ich nicht wirklich die Statur für einen Schiffsjungen hätte. Die meisten hier überragten mich um gut einen Kopf und auch war ich schmächtiger als sie, auch wenn ich mit meinen sechzehn Jahren nicht der Jüngste war. Meine Hände waren Arbeit nicht auf die selbe Weise gewohnt, wie sie es waren. Der Koch, der die Verantwortung für die Schiffsjungen trug, hatte allerdings zugesichert, dass er schon einen Platz auf diesem Schiff für mich finden würde.

Als ich ihn fragte, wieso er sich zu um mich bemühen würde, lächelte er nur sanft und legte den Kopf schief. "Weil man das hier so macht. Die Dochers ist unsere zweite Chance Junge. Jeder von uns hat seine Heimat mehr oder weniger freiwillig verlassen, um aus einem Käfig zu entkommen. Dieses Schiff ist unsere Vergangenheit, unsere Gegenwart und unsere Zukunft. Sie steht für Hoffnung und ein Zuhause, ein Zuhause für jeden Einzelnen von uns. Da werden wir auch einen Platz für dich finden und bis dahin arbeitest du erstmal bei mir in der Küche." diese Worte hatten dafür gesorgt, dass ich mich Willkommen an Bord dieses Schiffes fühlte. Auch wenn ich auch ihr auf eine gewisse Weise aus dem Rahmen zu fallen schien, waren die meisten auf ihre Weise nett zu mir und gaben mir Zeit mich ein zu gewöhnen.

Meine Gedanken wanderten weiter zu Kalvin, der vermutlich gerade dabei war den Handelskreuzer zu plündern. Ich erinnerte mich noch an unseren letzten gemeinsamen Abend. Es war ein Ball gewesen und auch wenn wir beide in weiblicher Begleitung gewesen waren, hatten wir fast den gesamten Abend draußen in Garten miteinander getanzt. Niemand hatte uns gesehen und es hatte sich so unendlich gut angefühlt ihm Nahe zu sein. Verboten und dennoch zu gut.

Unsere Freundschaft wurde von unseren Eltern gefördert, wir waren beide strategisch gute Partien für den anderen und außerdem hatten sie schon geplant, dass ich Kals jüngere Schwester heiraten sollte. Einem Plan dem ich mich in den folgenden Jahren immer wieder erfolgreich entzog.

Dieser eine Abend war perfekt. Ich war dreizehn und er sechzehn, doch der Altersunterschied hatte uns noch nie gestört. Ich liebte es ihm nahe zu sein, seinen Charme und seiner Redekunst zu lauschen. Er war belesen, konnte aber auch mit dem Degen umgehen und war diplomatischer als alle anderen Adelskinder, die ich kannte. Tief in unseren Herzen wussten wir beide, dass die Gefühle, die wir für einander hegten, viel tiefer als Freundschaft gingen. Wir wussten es beide, doch keiner von uns sprach es aus. Wir hatten Angst, dass wir alles zerstören würden, wenn wir uns die Gefühle eingestanden. Die Zukunft, die so sorgfältig für uns bereitet war, wankte und ich wünschte mir an diesem Abend nichts mehr, als das dieser Moment niemals enden würde.

Kalvin und ich verabredeten uns am nächsten Tag für einen Ausritt. Doch er kam nicht. Als ich nach stundenlangem warten wieder Heim kam, lag auf meinem Bett ein goldenes Medaillon. Es enthielt ein gepresstes Rosenblatt und einen kleinen Brief, in dem er versprach eines Tages zurückzukommen und einen Platz zu finden, an dem wir unsere Gefühle nicht verbergen mussten.

Ich tat also das einzige, was ich konnte und wartete. Wartete bis zu dem Moment, als ich fast schon alle Hoffnung aufgegeben hatte und ihn dann doch wieder sah. Wir hatten uns beide verändert und zeitgleich auch nicht.

Ein Kissen, dass mich an der Schulter trifft, reißt mich aus meinen Gedanken und ich sehe auf. "Komm Emil." ruft Luke einer meiner Kameraden. "Wohin?" "Cook, will dass wir in die Kombüse kommen. Sie machen gerade die Dochers los und alle wollen pünktlich Abendessen." setzt er mich in Kenntnis und ich stehe auf, um ihm zu folgen. "Komme."

Das Gesetz der Hohen SeeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt