~ Meine Entscheidung ~

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Emilians pov.

Meine Eltern hatten mich in mein Zimmer geschickt, von wo aus ich auf unsere Einfahrt hinab sehen konnte. Wir hatten hohen Besuch bekommen, der aus irgendeinem Grund mit einigen der örtlichen Piraten verhandeln wollte, nichts in was man mich einweihen würde. Ich schnaubte missbilligend bei dem Gedanken an das Gespräch mit meinen Eltern. Doch es hatte nichts geholfen. Der Lord und die Lady wollten ungestört und allein verhandeln, weshalb er seine Eltern im Nebenzimmer hören konnte. Zusammen saßen sie in der Bibliothek und tranken Tee, während er es sich auf seinem gepolsterten Fensterbrett bequem machte.

Dann erregt eine Bewegung vor unserm Gartentor mein Aufmerksamkeit. Zwei Gestalten treten auf den gepflasterten und von Pflanzen gesäumten Weg, der hinauf zu ihrer Haustür führt. Ich erkannte die Beiden, hatten sie doch eine unzweifelhafte Berühmtheit in der Stadt erlangt. Auch wenn meine Eltern das gern leugneten. Doch Adlige hatten das Hafengebiet schon vor Jahren der Kontrolle der Piraten überlassen und seit dem blühte die Stadt auf, was unzweifelhaft mit der jungen Frau zusammenhing, die voran schritt. Die Kaiserin der See, so wurde sie genannt. Niemand kannte ihren wahren Namen, doch ihre Geschichte war weit verbreitet.

Ihr Vater war Kapitän eines Handelsschiffes gewesen und da ihre Mutter verstorben war, zog er seine Tochter auf dem Schiff groß. Ihr Wunsch selbst einmal zur See zu fahren, fand er jedoch lachhaft und so verschwand das Mädchen. Viele glaubten, dass sie gestorben sei und doch behaupteten die meisten der alten Seemänner, dass sie nun eine der gefürchtetsten Piraten des Meeres war.

Ob diese Geschichten wahr waren oder nicht, ich bewunderte sie für ihren Mut. Sie war den zwängen ihres alten Lebens entflohen, um ihrem Traum zu folgen. Unweigerlich zog ich das Medaillon hervor, dass um meinen Hals hing und fuhr vorsichtig über die Gravur. Ich schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Es enthielt ein Versprechen. Ein Versprechen, dass mich am Leben hielt.

Als ich wieder nach unten sehe, unterhält sich der Begleiter der Kaiserin gerade mit unserem Gärtner, bevor er sich umdreht und er das Haus mustert. Unweigerlich streift sein Blick mein Fenster und mir bleibt die Luft weg. Seine Augen waren dunkel, dunkel wie ein See mitten in der Nacht und ich stolpere zitternd zurück. Diese Augen würde ich überall wieder erkennen. Meine Beine zittern und ich zwinge mich ruhig zu atmen.

Als ich wieder zum Fenster heran trete, ist er bereits verschwunden und ich atme erneut tief durch. Ich brauchte Gewissheit, dass er es wirklich war. Also lausche ich, doch meine Eltern unterhalten sich ungerührt weiter. Sie scheinen nicht mal realisiert zu haben, dass unsere Gäste angekommen sind und ich zwinge mich zur Ruhe. Versuche mir einzureden, dass mir meine Augen einen Streich gespielt hatten.

Leise öffne ich die Tür und schleiche mich vorsichtig nach unten. Aus dem Salon dringen gedämpfte Stimmen, während der Gang vollkommen leer ist. Ich halte unterbewusst den Atem an und schleiche mich zur Salontür.

Scheinbar sind die Verhandlungen schon im Gange, denn der Lord sagt gerade etwas von Straffreiheit. Dann höre ich seine Stimme, sie ist tiefer als in meiner Erinnerung und doch hat sie noch den selben klaren Ton. Sie hat noch immer diese unendliche Anziehungskraft und zieht mich fast sofort in ihren Bann. Ich muss mich davon abhalten nicht sofort in den Raum zu stürzen, um ihn sehen zu können. Die vergangenen Jahre haben meinen Wunsch ihm Nahe zu sein nicht geschmälert, vielleicht wenn ich zugelassen hätte, dass meine Erinnerungen verblassen. Doch so kann ich nur die unendliche Sehnsucht fühlen, die mein Herz in diesem Moment ergreift.

Erst als der Lord mit lauter Stimme nach den Wachen ruft, werde ich aus meiner Trance gerüttelt und husche noch gerade rechtzeitig die Treppe wieder nach oben, bevor die Beiden aus dem Salon treten und sich zum Gehen wenden. Ich eile in mein Zimmer und sehe ihnen nach, wie sie das Gelände verlassen. Sein blauer Umhang flattert im Wind und er sieht sich um. In diesem Moment weiß ich, dass unser Versprechen für lange Zeit verloren wäre, wenn ich ihm nicht folge. Also schnappe ich meine Umhängetasche und schmeiße alles mögliche hinein, bevor ich meinen Eltern eine Notiz hinterlasse, dass ich endlich meine Entscheidung getroffen habe, bevor ich das Haus durch die Vordertür verlasse und hinab zu den Docks eile.

Je näher ich dem Schiff komme, desto mehr steigt meine Angst. Doch etwas treibt mich weiter. Er hatte versprochen, dass er einen Ort für uns finden würde und mich holen kommen. Da er kaum wissen konnte, dass er heute auf meinem Familienanwesen gewesen ist, beschließe ich ihm dieses Mal einfach zu folgen. Ich würde nicht wieder warten.

"Zeig dich!" Die Stimme der Kaiserin der See schneidet durch die Abendluft und ich trete zitternd hervor. Sie fordert mich auf, mich zu erklären. Scheint aber nicht feindselig zu sein, nur auf eine recht gesunde Weise misstrauisch. Während ich darum bitte mit ihnen kommen zu dürfen, habe ich das Gefühl, dass er mich von der Reling aus beobachtet.

Ob er mich erkennt? Als wir uns das letzte Mal gesehen haben, war ich dreizehn.

Die Kaiserin bedeutet mir, dass ich an Bord kommen soll, bevor sie mich ihm übergibt. Falke nennt sie ihn und ich muss unweigerlich lächeln. Damals als wir noch gemeinsam durch die Gärten seines Elternhauses schlenderten, sagte ich ihm immer wieder, dass seine Augen mich an die eines Falken erinnern würden, ebenso wachsam und klug sein sie.

Unsicher klettere ich an Deck und er bedeutet mir, ihm zu folgen. Ich höre, wie um mich herum Befehle weiter gegeben werden. Doch er führt mich stumm unter Deck, bis in einen Schlafraum. Es gab einige Betten, doch die meisten hier schienen in Hängematten zu schlafen.

"Dort kannst du schlafen. Find dich morgen früh in der Kombüse ein. Cook wird dir deine Aufgaben erklären." sagt er und mustert mich aus seinen dunklen Augen. Ich glaube ein stummes erkennen zu sehen, nicke aber nur und setze mich auf die Hängematte.

So hatte ich mir unser Wiedersehen nicht vorgestellt, doch wenigstens waren wir wieder vereint.

Das Gesetz der Hohen SeeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt