- Für unsere Freiheit -

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Es scheint ein Wimpernschlag vergangen zu sein seit wir auf der Insel der Verbannten eingetroffen sind, doch in Wirklichkeit haben wir vor vier Monaten uns Lager auf der Insel aufgeschlagen. Man nahm und freundlich in die Mitte der Einwohner auf und wir schlossen uns der Flotte an. Eine Sache, die ich kategorisch auf der anderen Seite der Meeresenge abgelehnt hatte, doch eigentlich nur aus dem Grunde, dass ich wusste, dass man uns hier wieder erwarten würde.

Zusammen mit Enja laufe ich am Kai entlang und lasse mir die warme Sonne ins Gesicht scheinen. Wir waren gerade zur wöchentlichen Planung im Ratshaus und haben unsere Unterstützung bei einem großen Beutezug zugesichert. Vom Festland aus, soll scheinbar ein Handelsschiff zur Meeresenge gesandt werden, um diese zu durchqueren und eine Handelsbeziehung mit der anderen Seite aufzubauen. Ein leichtsinniges Unterfangen, da die Meere der Enge zu gefährlich zum durchqueren sind, doch man kennt ja die Expansions-Verblendung der Menschheit.

"Wir haben schon lange bei keinem gemeinschaftlichen Beutezug mehr mitgemacht." meint meine Gefährtin ausgelassen und streicht sich durch ihre kurzen Haare, während sie ihre andere Hand sanft in meine schiebt und ich nicke sanft, während mein Blick weiter über die offene See gleitet. "Du hast Recht. Habe ich dir eigentlich je erzählt, wie ich meinen Namen erhalten habe?" frage ich sie dann sanft und versinke für einen kurzen Augenblick in ihren wachsamen Augen. Deinen Namen erhältst du auf dem Meer für die Taten, die du vollbringst.

"Wir waren hier auf dem offenen Meer. Unser Kapitän trank immer mehr, ob seinen Kummer zu vergessen oder sich zu erinnern, weiß ich nie. Doch er war nicht mehr in der Lage ein Schiff zu leiten. Es war stürmisch, sehr stürmisch. Eigentlich hatte ich nie eine Revolte anführen wollen, doch ich konnte auch nicht zulassen, dass die Dochers sank. Sie war doch schließlich meine Heimat, mein Zufluchtsort und das Zuhause meiner Familie. Also übernahm ich in dieser schicksalhaften Nacht das Kommando, während sich unser Kapitän betrank. Ich stand auf halber Höhe der Takelage und der Wind peitschte mir ins Gesicht, während ich Kalvin in den Hafen navigierte. Meine roten Haare tobten um mich herum und ich war die erste die von Bord ging, um mit den Verbannten zu sprechen. Sie gaben mir damals den Beinahmen, Rubina, die Bezwingerin der See. Niemand habe ihren Hafen bei solch einem Sturm ansteuern gekonnt, sagten sie." erzähle ich und Enja schüttelt belustigt den Kopf. "Du hast also mal wieder etwas unmögliches geschafft, nur weil du zu stur warst, um dieses Schiff untergehen zu lassen." neckt sie mich und ich stecke ihr die Zunge raus, bevor ich nicke. "Ja, so ungefähr."

"Es war damals der Beginn einer guten Handelsbeziehung. Mit dem Gold an Bord bezahlten wir nötige Reparaturen an der Dochers, bevor wir die Meere hier erkundeten. Man wählte mich zum neuen Kapitän, ein junges Ding war ich und doch hatte ich das Vertrauen der Männer. Wir unterwarfen uns diese Gewässer und langsam wurde aus meinem Namen der Bezwingerin die Kaiserin. Dieses Meer ist meine Heimat, mein Herrschaftsgebiet." Mein Blick gleitet am Horizont entlang und ich seufze leicht.

"Weshalb bist du wieder zurück gesegelt?" "Meine Männer wollten Heim. Sie waren des Seelebens müde und so fuhren wir zurück. Doch ich versprach mir selbst wieder zu kommen. Wenn die Zeit dafür reif wäre und dann würde ich hier bleiben, auf dem Meer, dass ich nicht teilen muss. Das gelernt hat meinen Namen mit Ehrfurcht zu sprechen." Enja lächelt sanft und beugt sich vor, um mich sanft zu küssen. "Ich bin froh, dass du zurückgekommen bist. Sonst hätten wir uns kaum kennengelernt." sagt sie leise und ich lehne sacht meine Stirn gegen ihre. Wir tauschten selten unsere Sanftheiten so offen aus, doch gerade konnte ich mich nicht zurückhalten. "Ja, du bist das Beste, was mich auf der anderen Seite erwartet hat." hauche ich leise und schließe die Augen.

Es gab einen weiteren Grund, weshalb ich Jahre gewartet hatte, um wieder her zu kommen. Ich hatte Kalvin das Versprechen gegeben, dass wir glücklich sein würden, wenn wir zum zweiten Mal die Enge des Meeres passierten. Und ich war dem Schicksal dankbar, dass es mir ermöglicht hatte mein Versprechen zu halten.

Unsere Reise und unser Kampf waren zu Ende, nun würden die goldenen Tage unserer Zeit folgen und vielleicht würden wir auch eines Tages wieder weiterziehen, denn unsere Heimat war das Meer und unsere Liebe frei zu sein, wie der Wind.

"Boss!" Der Ruf reißt mich aus meinen Gedanken und Enja und ich wirbeln herum, nur um Cook zu sehen, der nervös auf uns zugestürzt kommt. "Gerade kam ein Fischerboot an. Sie haben einen Boten beim Eingang zur anderen Welt aufgegabelt. Er hatte eine Nachricht für dich." Meine Augenbraue schnellt in die Höhe und ich nicke langsam. "Wir kommen." Mit diesen Worten löse ich mich sanft von meiner Gefährtin und folge dem Koch mit eiligem Schritt.

An Deck werden wir bereits von Kalvin erwartet, der ein Pergament in der Hand hält. Wortlos schnappe ich es ihm aus den klammen Fingern und überfliege die hektisch geschriebenen Zeilen. Ich erkenne Onyx geschwungene Schrift, auch wenn sie verwischt ist. "Ist Codiert. Standrad Chiffre." murmle ich und Kalvin nickt zustimmend. "Ruf eine Versammlung ein. Jetzt. Ich will, dass in fünf Minuten alle an Deck sind. Unser Kampf ist noch nicht vorbei." befehle ich, nachdem ich die Nachricht weitestgehend verstanden habe und Kalvin neigt den Kopf. Er widerspricht nicht, was für meinen ersten Maat sehr ungewöhnlich ist.

Fünf Minuten später stehe ich am Bug der Dochers vor meiner versammelten Mannschaft und atme tief durch. "Vor wenigen Minuten erreichte uns eine Nachricht von der Insel der Könige. Scheinbar hat das Königreich sie verraten und alle Freibeuterverträge gelöst. Sie haben die Bucht der Toten erfolgreich umsegelt und einen Weg gefunden die Insel anzugreifen. Es wird auf eine Belagerung hinauslaufen, doch Onyx hat sich im Ersuchen um Hilfe an uns gewandt." erkläre ich, bevor ich meinen Blick durch die Reihen schweifen lasse. Es ist eine Entscheidung, die wir als Gemeinschaft treffen müssen. "Wir haben eine neue Heimat gefunden, hier in dieser Welt. Wir hatten die Möglichkeit zu fliehen und unser Leben neu zu beginnen. Doch die Insel der Könige war einst auch unsere Heimat und so frage ich, ob ihr mir folgen werdet, um den Ort zu retten, der uns eins Zuflucht bot?"

Eine Weile herrscht schweigen, dann wird aufgeregt getuschelt und ich atme tief durch. Mein Blick kreuzt den von Enja und sie nickt mir kurz zu. Sie würde mir folgen, egal wohin.

Nach der Beratungspause sieht mich der oberste der Zimmermeister ernst an. Er war schon auf der Dochers, als ich angeheuert habe und er war mir ein treuer Kamerad in stürmischen Zeiten. "Wenige wissen, wie du es geschafft hast Kapitänin dieses Schiffes zu werden und noch weniger verstehen, wie viel dieses Zuhause für manche von uns bedeutet. Doch wir haben auch nicht vergessen, wo wir einst einen sicheren Hafen fanden. Ich werde dir Folgen bis in den Untergang Kaiserin." Zustimmende Rufe werden laut und ich atme tief durch. 

Diese Mannschaft, diese Leute, jeder Einzelne von ihnen ist mehr wert, als eine ganze königliche Flotte.

"Dann ziehen wir in den Kampf! Für die Freiheit! Für unsere Heimat!"

Das Gesetz der Hohen SeeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt