"Wir hätten eine Kutsche nehmen sollen." meint Kalvin, als wir beide den Hügel zum Anwesen hinaufgehen. "Klar, weil Leute wie wir ja auch mit der Kutsche fahren." gebe ich ruhig zurück ohne ihn dabei anzusehen. "Leute, die was aus sich halten benutzen nun mal Kutschen und klettern nicht bei dieser Hitze einen Berg hoch." "Das ist erstens ne Straße und zweitens sind wir gleich da, also halt jetzt den Rand." schimpfe ich leise mit meinem ersten Maat, der nun auch ausnahmsweise mal den Mund hält.
An der Tür werden wir bereits von einem Diener erwartet, der uns mit unverhohlenem Misstrauen mustert. Ich werfe ihm einige kleine Goldmünze zu, bevor ich den Hut abnehme und ins Haus trete. Kalvin wechselt einige freundliche Worte draußen mit dem Gärtner, bevor er ebenfalls ins Haus tritt. Der Bedienstete führt uns durch den langen Flur in einen Salon, bevor er sich vor den dort Anwesenden verneigt und eilig außer Sichtweite verschwindet.
Ich mustere die zwei Personen, die uns vom Sofa aus anstarren. "MyLord und MyLady." sage ich ruhig und mache eine leichte Verbeugung in die Richtung der beiden, bevor ich mich auf den Sessel ihnen gegenüber setze. Kalvin bezieht hinter mir Postion und dem misstrauischen Blick unserer Gastgeber nach, hat er die Hand an seinem Säbel zu liegen.
"Kommen wir zum Geschäft." ziehe ich die Aufmerksamkeit der vier Adligen wieder auf mich und schlage gelassen die Beine übereinander. "In Ihrem Brief sprachen sie von einem Angebot." schaltet sich nun Kalvin ein und ich nicke zustimmend. "Also welches Angebot ist so wichtig, dass sie uns unbedingt persönlich sprechen wollen." füge ich hinzu und beuge mich nun leicht interessiert vor.
"Wir haben euch ein Angebot zu unterbreiten." meint der Lord überflüssigerweise und schiebt einen kleinen Brief über den blanken Glastisch. Ich beuge mich vor und überfliege ihn, bevor ich ihn kommentarlos an Kalvin weiterreiche und die beiden mir gegenüber genau mustere. Sie waren nicht von hier, so viel konnte ich erkennen. Daraus schloss ich, dass sie direkt von der Königsfamilie an uns gesandt wurden um zu verhandeln und daraus schlussfolgerte ich, dass sie garantiert mehr wussten, als wir und als in diesem Brief stand.
"Was springt bei uns dafür raus, wenn wir für die Krone auf Kaperfahrten gehen?" stellt Kalvin nun die alles entscheidende Frage. "Gold." antwortet die Dame neben dem Lord etwas zu schnell und ich schnaube leise. "Bei allem Respekt, aber kein Goldbetrag aus den königlichen Schatzkammern kommt der Beute gleich, die wir auf den offenen Meeren erbeuten." gebe ich zurück und lehne mich etwas in dem garantiert edlen Sessel zurück.
"Straffreiheit." erwidert nun der Lord und ich mustere ihn aus meinen wachsamen grünen Augen. "Auf dem Meer haben Sie keine Macht. Wen glauben Sie hier vor sich zu haben. Wir sind keine Kleinstadtpiraten." kommt mein erster Maat mir dieses mal beim Antworten zuvor. Auch wenn er noch immer höflich bleibt, kann ich seine Abneigung spüren. Diese Menschen dachten, dass sie uns so leicht bestechen könnten, dabei hatten sie doch keine Ahnung. Sie waren geblendet von der Macht, die sie an Land haben mochten, so dass sie sich kaum vorstellen konnten, dass auf der hohen See andere Gesetze herrschten. Dort regierten wir.
"Ich denke, dass wir jetzt gehen werden." sage ich ruhig und erhebe mich. Der Lord springt ebenfalls auf und hebt den Zeigefinger. "Ihr habt keine Wahl ihr dreckiges Gesindel. Entweder ihr arbeitet für uns oder wir werden euch jagen!" entgegnet er, während hektische rote Flecken an seinem Hals auftauchen. Mit einem knappen Nicken erlaube ich Kalvin seinen Säbel zu ziehen, während ich meinen eigenen Degen aus dem Gehänge ziehe. "Ihr verlasst euch nur auf euren Stand MyLord. Doch ihr seid einsam. Beschimpft mich und die meinen, doch wir sind nicht die bösen in Eurem Spiel." sage ich und ziehe mich mit Kalvin langsam zurück.
"Wir werden ja sehen, wer den längeren Arm hat. Wachen." erwidert ihre Lordschaft und ein kleines Lächeln huscht über mein Gesicht. "Versucht das nicht in meiner Stadt." "WACHEN!" brüllt er ohne meinen Kommentar zu beachten und ich nicke Kalvin erneut zu. Es ist ein Problem, wenn man zu viel Macht hat. Man verlernt zuzuhören und denkt, dass man unbezwingbar sei. Dabei können ein freundliches Wort und einige harte Münzen eine ganze Menge bewegen.
"Lass uns gehen Falkenauge." sage ich, bevor ich dem Lord den Rücken zuwende. Kalvin öffnet mir die Tür und ich sehe gerade noch einen Schatten davon huschen. Vielleicht hat einer der Bediensteten gelauscht. Ich dachte mir nicht viel dabei und nahm ihm Gehen meinen Hut, bevor wir dieses unangenehme Etablissement gemeinsam verließen.
"Ich hasse den Adel." schimpft Kalvin als wir endlich bei den Docks ankommen und ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. "Aber, aber. Selbsthass ist vollkommen unangebracht." necke ich ihn. Daraufhin schnaubt er jedoch nur verstimmt und ich fasse ihn kurz am Arm. "Kalvin. Ich weiß, dass du diesem Leben den Rücken gekehrt hast und es ehrt dich sehr, dass du dieses Verhalten missachtest, doch bedenke, dass nicht jeder mit so offenen Augen durch die Welt geht, wie du." versuche ich ihn zu ermuntern, doch er nickt nur knapp und klettert vor mir an Bord des Schiffes.
Ich bleibe noch kurz am Kai stehen, da mir in den Schatten eine Bewegung aufgefallen ist. Kalvin beugt sich über die Reling um nach mir zu rufen, doch ich gebe ihm mit der Hand ein Zeichen still zu sein. Was er scheinbar trotz des Dämmerlichtes sieht, da ich hören kann, wie er seinen Säbel zieht. Ich ziehe ein kleines Messer hervor und starre in die Dunkelheit.
"Zeig dich!"
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Das Gesetz der Hohen See
Teen FictionMein Name ist Rubina. Mein Vater ist Kapitän eines Handelsschiffes und fährt für die königliche Flotte. Früher bin ich gern mit ihm gefahren. Ich liebte die unendlichen Weiten des Meeres, die Sonne in meinem Gesicht und die Freiheit hier draußen. ...