Unsere Rückreise dauerte mehre Wochen, doch endlich hatten die Dochers und die Flotte der Verbannten die Meeresenge hinter sich gelassen und näherten sich der Insel der Könige. Gegen Abend sollten wir dort ankommen und ich kommunizierte über Raben mit den anderen Kapitänen, so dass wir die Angriffe koordinieren könnten. Vor wenigen Stunden hatten wir die letzten nötigen Informationen erhalten, da uns einer von Onyx Raben erreicht hatte.
Die Insel wurde belagert und es war scheinbar auch schon zu mehreren kleinen Seegefechten gekommen, die die Piraten alle für sich entschieden hatten. Doch sie waren nicht genügend, um gegen alle Schiffe vorzugehen, weshalb man sehnsüchtig auf die Unterstützung wartete. Würden wir nämlich von beiden Seiten angreifen, dann könnten wir genügend Stärke und Geschick aufbringen, um die königliche Flotte zurückzuschlagen und ihnen zu zeigen, dass man sich nicht einfach unseren Lebensraum nahm.
"Segel einholen!" befehle ich, als wir bei Sonnenuntergang an der Landzunge ankommen, die die Insel der Könige vor unseren Blicken verbirgt, uns aber ebenso Schutz liefert. Wir hatten vereinbart, dass wir hier warten würden, bis auf der Insel die Leuchtraketen gezündet wurden. Meine Hand wandert zu meinem Säbel und ich muss an ein Gespräch denken, dass ich vor Jahren mit Onyx geführt habe.
Es war noch bevor ich die Dochers übernommen hatte. Ich hatte am Strand für mich allein geübt, als er zu mir hinab gekommen war, die Haare umwogten ihn und gaben ihm ein erhabenes Aussehen. "Eine gute Waffe führst du da Mädel." hatte er gesagt und ich hatte seinen Blick unverwandt erwidert. "Ich weiß sie auch einzusetzen." erwiderte ich und er lachte. "Mit dieser Einstellung wirst du es weit bringen. Wie lautet dein Name?" "Rubina." "Nun Rubina. Ich bin mir sicher, dass man dich unter einem anderen Namen kennen wird, wenn wir uns wieder begegnen. Zu deinen Füßen liegt ein steiniger Weg, das kann ich spüren. Du wirst großes leisten." Bis heute weiß ich nicht ganz, wie er das meinte und woher er das wusste, doch diese Worte haben mir immer Mut gemacht. Ich wusste, dass mein Weg kein leichter werden würde und das Vertrauen, dass Onyx schon damals in mich setzte, ließ mich über mich hinaus wachsen.
Vor uns steigt eine Signalrakete in den Himmel und ich lege den Kopf in den Nacken. Der letzte Kampf beginnt, wenn wir diese Seeschlacht gewinnen, haben wir dem Königshaus gezeigt, dass das Meer uns gehört. Uns allein.
"Angriff!" befehle ich und sehe zu, wie die Segel der Dochers gehisst werden, bevor sie sich an der Spitze der Flotte um die Landzunge bewegt.
Das die königliche Flotte überrascht war, wäre eine Untertreibung gewesen. Sie hatten zum einen nicht mit einem Angriff bei Nacht gerechnet und zum anderen schon gar nicht damit, dass die Piraten auf der Insel der Könige Verstärkung erhalten würden. Doch Blut ist dicker als Wasser und wir sind eine Familie. Die Insel der Verbannten wird von Menschen belebt, die in den sicheren Tod durch die Meeresenge geschickt wurden, weil sie anders waren und doch waren es gute und treue Gefährten. Gefährten auf die ich ebenso stolz war, wie auf die Besatzung der Dochers.
Ich ziehe meinen Säbel und sehe zu Kalvin hinüber. Ein weiterer Kampf, den wir Seite an Seite bestreiten würden, doch diesmal würde ich alles daran setzen, dass er überleben würde. "Du hast das Kommando über die Dochers." rufe ich ihm zu. Ich lasse ihn nicht weiter sprechen, sondern drehe mich zu den Männern an Deck um. "Verteidigen wir die Freiheit! Für unsere Zukunft!" rufe ich und stoße meinen Säbel in die Luft, bevor ich Enja mit einer Handbewegung bedeute, dass sie das Schiff zum ersten Kreuzer der königlichen Flotte lenken soll. "Bereit machen zum Entern! Nehmt das Schiff ein!"
Um uns herum hat der Kampf schon begonnen und die ersten Kanonenkugeln fliegen umher. Ich sehe zu Enja und lächle ihr zu. Das ist für unsere Zukunft und unsere Vergangenheit. Ich werfe Kalvin einen weiteren Blick zu und trete neben ihn. "Bleib an Bord. Sorg dafür, dass die Dochers diesen Abend übersteht und flieh, falls der Kampf verloren ist. Ich will, dass du glücklich bist." sage ich ihm ernst und er schüttelt den Kopf. "Rubina..." "Nein, Kal. Du hast jemanden, der dich braucht und für den du Leben musst. Ich habe alles, ich bin glücklich und wenn ich in einer Schlacht gegen die königliche Familie sterben sollte, dann sei es so. Ich muss nur wissen, dass unser Traum weiter lebt. Versprich es mir." Ich sehe ihn unverwandt an und er schließt kurz die Augen. "Ich verspreche es dir." Ich nicke, bevor ich Enja zuwinke, die am Steuer steht.
Dann wende ich mich dem Schiff vor uns zu. "Enterhaken!" rufe ich und mache mich bereit, um auf das gegnerische Schiff zu gelangen. Ein kleines Lächeln huscht über meine Lippen und ich klettere auf die Reling. Jahrelang hatte ich die See regiert, hatte genommen und gegeben, wie es mir für richtig erschien und hatte die Gesetze neu geschrieben. Nun wollte man mir dies streitig machen, doch das würde ich nicht zu lassen.
"Angriff!" befehle ich und schwinge mich an Deck des anderen Schiffes, wo man uns bereits erwartet. Doch die königliche Armee besteht zum Teil aus Adligen, die nicht viel Ahnung von Truppenführung haben und schon gar nicht von Schlachten auf See. "Legt die Kanonen lahm! Nehmt das Steuer ein!" Befehle ich, während ich einen Soldaten mit einem geschickten Tritt über die Reling befördere und dieser schreiend im Wasser landet.
Der Kampf ist kurzweilig und schon nach wenigen Minuten werden die Gefechte weniger. Ich haue einem der scheinbar höherrangigen Soldaten mit dem Griff meines Säbels auf den Hinterkopf, während dieser Befehle brüllt und setze ihn somit außer Gefecht. Um uns herum scheinen die Gefechte ebenfalls nachzulassen. Einige der Schiffe sind mitgenommen und ich glaube auch, dass die Dochers einiges abbekommen hat, doch es ist nichts, was wir nicht wieder richten könnten.
"Kaiserin!" Es ist der Ruf von einem der anderen Schiffe, der mich aufhorchen lässt und ich sehe mich um. Dann erblicke ich ein größeres Schlachtschiff, dass sich uns von der Kolonie her nähert. Ich ziehe mein Fernrohr und sehe, dass sie bereits die Kanonen in Stellung bringen, während in meinem Gehirn ein abwitziger Plan reift.
"Alle zurück aufs Schiff und löst die Enterhaken." befehle ich und sehe zu Kalvin, der meinen Plan scheinbar erraten hat.
"Das kannst du nicht tun!" "Doch das kann ich. Bring die Dochers so nahe es geht an die Insel, sammelt eure Streitkräfte und kümmert euch um den Rest, das Schiff übernehme ich."
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Das Gesetz der Hohen See
JugendliteraturMein Name ist Rubina. Mein Vater ist Kapitän eines Handelsschiffes und fährt für die königliche Flotte. Früher bin ich gern mit ihm gefahren. Ich liebte die unendlichen Weiten des Meeres, die Sonne in meinem Gesicht und die Freiheit hier draußen. ...