"Die Kaiserin der See. Es ist eine ganze Weile her, dass wir miteinander gesprochen haben." sagt er ruhig und ich sehe zu ihm auf. Der Herrscher der Insel der Könige überragt mich um zwei Köpfe, seine dunklen langen Haare sind geflochten und sein Bart scheinbar frisch getrimmt. Wie bei jeder unseren Begegnungen bin ich von seiner Ausstrahlung fasziniert und neige deshalb auch sehr respektvoll meinen Kopf.
"Für wahr Onyx. Ihr wisst, ich laufe in der Regel lieber erst meinen Heimathafen an, bevor ich eure Gastfreundschaft in Anspruch nehme." erwidere ich und er lacht dunkel. "Nun kommt, nicht so bescheiden Kaiserin. Ich weiß, dass ich das offene Meer meiner Insel vorzieht und doch steht mein Angebot für euch noch immer. Ihr könntet mit eurem Schiff in meinen Dienst treten. Der Reichtum wäre unermesslich." erwidert er und bedeutet mir, ihn ein Stück zu begleiten. "Ich weiß, dass ihr für nichts zurückschreckt und ihr wärt ein wahrer Segen für unsere kleine Insel." fügt er hinzu. Doch ich lächle nur. Er will meine Antwort nicht, deshalb schweige ich.
Eine Weile schreiten wir nebeneinander her. Mein roter Mantel flattert leicht im Wind, während mein Säbel gegen meine Beine schlägt. Am Festland ziehe ich eigentlich meinen Korbdegen vor, doch da wir hier unter Piraten sind, sind die Waffen der See ebenso angemessen.
"Die Männer der Beluga, sie schlagen in letzter Zeit immer häufiger über die Stränge und wenn ich ehrlich bin, dann reicht er mir langsam." sagt Onyx und seufzt dann. "Ihr solltet mit dem Käpt'n reden. Die Kleine von heute wird bestimmt aussagen, wenn ihr ihr Geld bietet oder Schutz." erwidere ich ruhig und er nickt düster.
"Die Zeiten ändern sich langsam Rubina." beginnt er leise und ich sehe ihn misstrauisch von der Seite an, während er mir bedeutet ihm in einen Park zu folgen, wo wir beide ungestört waren. "Ich hab gehört, dass du das Angebot der Königsfamilie abgelehnt hast." sagt er ernst und ich schnaube verächtlich. "Überrascht?" "Nein. Ich wäre eher überrascht gewesen, wenn du es annimmst. Schließlich versuche ich schon seit Monaten dich für eine bindende Allianz zu gewinnen." entgegnet er und ich muss ihm mit einem knappen Grinsen recht geben. "Du weißt, dass meine Versprechen mich jenseits dieser Welt binden."
"Aber nicht jeder ist so willensstark wie du. Ich habe von den ersten Kapitänen gehört, die überlegen das Angebot anzunehmen und das heißt nicht, dass nicht einige es schon längst angenommen haben." Ich schnaube erneut verächtlich, doch lasse Onyx weiter reden. "Nicht jeder hat solch einen Erfolg da draußen, wie du. Du hast die Dochers damals aufgerüstet, weil deine Mannschaft bereit war eine Zeit lang auf ihren Lohn zu verzichten. Für dich segeln nur Leute, die dir treu ergeben sind. Sie lieben das Meer ebenso sehr wie du und Verrat würde für niemanden auf deinem ganzen Schiff in Frage kommen, denn du gibst ihnen etwas, dass ihnen das Festland verwehrt. Doch das heißt nicht, dass andere Mannschaften ebenso funktionieren. Die Königsfamilie verspricht Gewinn und Straffreiheit."
"Im Gegenzug für Sklaverei." entgegne ich heftig und der Herr der Insel lächelt mich mitfühlend an. "Sie sehen die Welt nicht mit deinen Augen. Nur wenige haben Frauen an Bord, außer in der Küche und die Leben jetzt schon wie Sklaven. Sie haben nicht viele Schwarze mit Mitspracherechten oder bekehrte Adlige in ihrer Besetzung. Sie verstehen nicht, dass dieser Vertrag Leibeigenschaft bedeutet oder es ist ihnen schlichtweg egal." erwidert Onyx und zuckt mit den Schultern.
"Wieso erzählst du mir das eigentlich?" "Weil diese Insel nicht viel länger sicher für die Dochers ist." erwidert er ruhig und ich schließe die Augen. "Die königlichen Schiffe trauen sich doch nicht durch die Bucht der Toten." "Nein, die nicht. Doch Piraten schon und es wird nur noch eine Frage von Tagen sein, bis das erste Schiff von der königlichen Familie ausgesandt wird, um diese Bedrohung zu eliminieren. Sie haben Profit zum Aufrüsten bekommen, das heißt, auch wenn sie Geschwindigkeitstechnisch nicht mit euch mithalten können, so haben sie an Waffengewalt gewonnen und nicht Mal die Dochers kann mit einem gebrochenen Hauptmast segeln." sagt Onyx ernst und ich atme tief aus.
"Ich kenne dich seit du auf der Dochers angeheuert hast. Ich weiß, dass du damals die Meuterei angeführt hast und ich weiß, dass du dieses Schiff zu einem Funken Hoffnung gemacht hast. Einem Funken, den viele gern austreten würden, bevor er zu einem Feuer wird. Ihr müsst noch heute Abend abreisen. Ich werde eure Verfolger aufhalten, so lange ich es vermag und doch wirst du dort draußen auf dich gestellt sein, sobald du meine Gewässer verlassen hast." sagt er und ich sehe zu ihm auf.
Ich hatte erwartet, dass man uns verfolgen würde. Doch Verfolger aus den eigenen Reihen schien fremd. Doch wir waren Piraten, der Verrat kam nicht aus den eigenen Reihen, er kam nicht von meinen Leuten, sondern von anderen, denen wir ohnehin ein Dorn im Augen wären. Ich wusste, was zu tun war. Unwillkürlich muss ich Lächeln. "Danke, dass du mir hilfst."
"Wenn man mir die Frage stellte, ob Insel oder Beutezug, dann ist meine Antwort ebenso klar, wie deine. Sie lautet bei uns beiden Freiheit. Ich habe meine Freiheit hier auf der Insel und du deine auf dem offenen Meer." Er lächelt traurig, bevor er mir die Hand entgegen streckt. "Du weiß, dass es langsam an der Zeit ist Heim zu segeln?" "Ja." "Wir werden uns vermutlich kein weiteres Mal sehen." "Nein. Ich habe nicht vor zurückzukehren." "Dann Auf Wiedersehen Kaiserin der See. Möge dich der Wind deinem Ziel entgegen tragen." "Auf Wiedersehen Onyx, möge deine Insel jedem Sturm trotzen."
Wie in einem Schauspiel wenden wir uns zu beiden Seiten um und gehen davon, doch ich bleibe noch einmal stehen und sehe dem Herren der Insel nach. "Ich werde nicht untergehen." schwöre ich leise, bevor ich mich auf den Weg Heim mache. Enja lehnt an der Reling und scheint mich zu erwarten. "Mach alles bereit. Wir laufen noch heute Abend aus." sage ich sanft und sie nickt düster, vermutlich hatte sie schon so etwas geahnt.
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Das Gesetz der Hohen See
Teen FictionMein Name ist Rubina. Mein Vater ist Kapitän eines Handelsschiffes und fährt für die königliche Flotte. Früher bin ich gern mit ihm gefahren. Ich liebte die unendlichen Weiten des Meeres, die Sonne in meinem Gesicht und die Freiheit hier draußen. ...