- Flucht durch die Meeresenge -

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Meine letzten Worte sind der Schlachtruf mit dem der Kampf beginnt. Die erste Kanonenkugel trifft in einiger Entfernung vor dem Schiff ein und die Wellen schlagen hoch gegen den Bug der Dochers, so dass sie sich über das Deck ergießen.

Cook kommt über das Deck auf mich zu und wirft mir einen seiner berühmten Ich-habs-dir-doch-gesagt-Blicke zu, doch ich ignoriere diesen gekonnt und schiebe das Fernglas zusammen. "Kal meint, dass du mich sehen willst?" hakt er nach und wirft einen Blick zur Seite, wo die Pearl langsam auf Schussweite heran kommt. "Ja. Ich will, dass du alle Schiffsjungen einsammelst und ins Mitteldeck schaffst. Ich will, dass sie beim Laden der Kanonen helfen. Keine Widerrede. Es gibt keinen sichereren Platz auf diesem verdammten Schiff und sie haben dort unten etwas zu tun. Chris soll sich mit Emil zu ihnen gesellen, dort werden sie am ehesten gebraucht." schärfe ich ihm ein. Ich kann sehen, wie es in Cook arbeitet. Er will mir widersprechen, wie sagen, dass es leichtsinnig ist und doch neigt er den Kopf. "Aye." Damit verschwindet er unter Deck.

Ich trete zu Enja, die weiterhin auf die Meeresenge zusteuert. "Ich will, dass du unter Deck gehst." "Und wer soll dann das Schiff steuern?" gibt sie trocken zurück und ich spüre die Wärme, die in meinem Herzen aufsteigt. Von ersten Tag an habe ich sie für diese kühne Art bewundert und mich schlussendlich in sie verliebt. Enja ist kein Risiko zu groß und sie würde bereitwillig ihren Kopf für die Crew und die Dochers hingeben. "Kalvin und ich kümmern uns darum, dass die Dochers durch die Meeresenge kommt. Ich brauche dich da unten, dass alle die Ruhe bewahren." entgegne ich und lächle sanft. "Enja, du bist die stärkste Frau, die ich kenne." wispere ich und ein kaum merkliches Lächeln huscht über ihre kantigen Züge. "Nun stell dein Licht nicht unter den Scheffel." wispert sie und sieht auf, als Kalvin an Deck tritt.

Sie seufzt und überlässt dem ersten Maat das Steuer, bevor sie kurz meine Hand nimmt. Sie beugt sich vor, um mir einen kurzen Kuss auf die Lippen zu geben. "Ich weiß, dass du mich beschützen willst." wispert sie mir ins Ohr und ich muss verhindern, dass ich rot werde. "Ich weiß, dass du nicht anders kannst Rubina. Du versuchst immer uns zu beschützen. Deshalb liebe ich dich so sehr." Sie lächelt und löst sich von mir, während eine Kanone direkt neben uns einschlägt und das Schiff ins Schaukeln bringt. "Geh. Feuert sobald du unten bist, zielt auf ihren Mast. Mir ist egal wie, aber bringt ihn zum Brechen." sage ich ernst und Enja nickt. "Verlass dich auf uns."

Enja nimmt einen Großteil der Crew mit sich und ich trete neben Kalvin, der zielsicher auf die Meeresenge zusteuert. "Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch einmal da durch steuern würde." kommentiert er und knapp hinter uns verfehlt eine Kanonenkugel knapp das Heck des Schiffs. Unter uns wird das Feuer erwidert und ich richte meinen Blick auf den Horizont. "Wir wussten beide, dass wir eines Tages dorthin zurückkehren würden. An einen Ort, an dem man uns gezeigt hat, dass es okay ist so zu sein, wie wir sind." wispere ich leise und schließe die Augen. Auf der Insel der Verbannten hatte ich zum ersten Mal erlebt, was Akzeptanz heißt und Kalvins und mein Plan zur Meuterei festigte sich immer mehr. Wir waren nur Kinder, doch wir wussten, dass unser Schiff in einem furchtbaren Zustand war.

Als die erste Kanonenkugel das Deck trifft, bebt das ganze Schiff. Die Kugel hat Teile der Reling durchschlagen. Doch viel weiter ist sie nicht gekommen. Die Pearl hatte mittlerweile Längsseits abgedreht und kam nicht näher, sie waren zum Feuern nahe genug und ich bedeutet Kalvin den Kurs zu korrigieren und uns aus ihrer Reichweite zu schaffen, was vermutlich nicht so einfach war, da er trotzdem den Kurs halten sollte. Die nächste Kugel trag den Bug des Schiffes und schlug die Galionsfigur hinab in die dunklen Fluten des Ozeans.

Beim nächsten Einschlag hatten wir nicht so viel Glück. Mit einem lauten Krachen traf die Kanonenkugel den Rumpf des Schiffes und wir wurden erneut erschüttert. Weitere Kugeln trafen und zerfetzten eines der Segel, während eine andere nur einige Meter neben Kalvin einschlug. Noch rechtzeitig zog ich uns beide in Deckung.

Die Totenstille die noch bis vor Kurzem an Bord geherrscht hatte, war nun durch hektische Rufe und Schreie ersetzt worden. Cook kam an Deck geeilt und schien erleichtert uns zu sehen. "Schadensbericht?" "Sie haben uns zum Glück oberhalb des Meeresspiegels getroffen. Verletzte, aber keine Toten. Feuer unter Kontrolle." berichtet er und ich atme erleichtert auf, auch wenn mir bis eben nicht aufgefallen war, dass ich den Atem angehalten hatte. "Gut. Vernagelt die Einschusslöcher und stellt das Feuer ein. Zumindest bis wir kurz davor sind die Meeresenge zu erreichen. Dann feuert aus allen Rohren." weise ich an und Cook verschwindet wieder unter Deck, während ich Kalvin ansehe.

Woher das Lächeln auf unserer beider Lippen kommt, können wir kaum erklären. Vielleicht ist es das Adrenalin oder die Erleichterung, dass wir noch nicht am Sinken sind. Vielleicht ist es auch die Magie und Paradoxie dieses Nervenkitzels oder die Hoffnung, dass wir es schaffen können. Egal was es ist. Wir stehen auf dem Deck und Lächeln, während die nächste Salve um das Schiff herum einschlägt. Das Feuer wird wie befohlen nicht erwidert.

Dann erreichen wir die schwarzen Felsen, die wie ein Mahnmal links und rechts aufragen. Die Kanonen werden gezündet und der Rückstoß lässt die Dochers erzittern. Dann muss die Pearl abdrehen, um nicht an den Felsen zu zerschellen und wir segeln in den Seekorridor, der unsere Heimat mit der fernen Welt verbindet. Der Wind frischt aus und ich ziehe mein Fernrohr, um die Pearl zu beobachten, die langsam kleiner wird.

Eine Welle ergießt sich über das Schiff und ich schüttele mich, als mich die Gesicht im Gesicht trifft, um mir klar zu machen, dass das noch nicht das Ende ist. Doch ich vertraue Kalvin, dass er uns sicher durch den Sturm bringen wird. Eine Weile schweigen wir, bevor ich ihm auf den Arm klopfe. "Du hast das Kommando Falke. Ich geh die Schäden in Augenschein nehmen."

Das Gesetz der Hohen SeeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt