- Verfolger -

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In den nächsten Tagen segelten wir friedlich über Meer. Kalvin und ich wechselten uns mit den Nachtwachen ab und langsam wurden die hohen schwarzen Felsen, die die Meeresenge beschrieben, größer.

"Wir werden wohl heute Abend ankommen." meint der erste Maat, während er sich gegen die Reling lehnt und ich in der Takelage herum klettere. Für einen Moment erinnert mich die Situation, an unsere erste Fahrt ins andere Meer, für dass wir in dieser Sprache keinen Namen hatten. Ich war fünfzehn gewesen und Kalvin siebzehn, es war das Jahr gewesen in dem wir dieses Schiff unter unser Kommando gebracht hatten.

An einem Zeitpunkt, der mir noch immer im Gedächtnis hing, war ich auf halber Höhe durch die Takelage geklettert, während er unter mir auf dem Deck stand. Ich konnte gerade noch so die Linien auf der Seekarte erkennen, während sich vor uns die hohen Felsen erhoben. Es war der Moment, in dem ich wusste, dass unsere Freundschaft eine unendliche Tiefe hatte. Wir unterhielten uns über etwas belangloses und ich konnte noch immer die Schmerzen an meiner Schulter spüren, die ein dunkler Bluterguss zierte. Am vorigen Abend waren wir gemeinsam mit einigen anderen Crewmitgliedern aneinander geraten, die der Meinung waren, dass wir beide uns zu fein sein. Ihr Problem war, dass sie erst seit kurzem auf der Dochers dienst taten und so kaum wussten, welches Vertrauen wir in der Mannschaft genossen. Nachdem der erste Schlag meine Schulter getroffen hatte, auch wenn er für Kalvin bestimmt gewesen war, war die Hölle in unserem Schlafraum losgebrochen.

"Schiff in Sicht!" Der Ruf aus dem Krähennest ließ mich zusammenzucken und ich sah auf. Tatsächlich näherte sich Steuerbord ein Schiff, dass sich uns wohl von der letzten Insel näherte. Wir hatten geahnt, dass Piraten die auf den Kolonien stationiert waren unsere Verfolgung aufnehmen sollten. Doch um ehrlich zu sein, hatte ich gehofft, dass wir noch etwas näher an die Meeresenge kommen würden. Die hohen Felswände und die unbarmherzige Strömung würde für uns einen unzuverlässigen Schutz bedeuten, zumindest vor unseren Verfolgern.

Eilig klettere ich herab und greife das Fernrohr. "Das ist die Pearl." stelle ich fest und Kalvin neben mir schnaubt. "Wer auch sonst?" "Hm. Keine Ahnung. Ich glaube, dass es auf diesem Meer kaum jemanden gibt, der uns lieber Tod sehen möchte, als er." erwidere ich und reiche ihm das Fernrohr hinüber.

Die Besatzung der Pearl war nicht annähern so nett, wie es der Name ihres Schiffes vermuten lassen könnte. Sie waren grobschlächtige Piraten, die von einem Mann angeführt wurden, dem ich noch weniger Respekt entgegen brachte, als meinen eigenen Vater und das sagte schon einiges. In der Vergangenheit waren wir oftmals in den Häfen mit der Besatzung der Pearl zusammengestoßen. die sich durch Intoleranz auf mehreren Ebenen auszeichnete. Das sie mit uns deswegen oft aneinander gerieten, sollte also für niemanden eine Überraschung sein.

Unsere Auseinandersetzungen gipfelten, als wir auf der Insel der Könige eine nervenaufreibende Gerichtsverhandlung für uns entschieden. Der Kapitän der Pearl hatte mir verweigert an Bord seines Schiffes zu kommen, was an sich nichts schlimmes war. Doch seine Begründung, dass Frauen nicht auf See gehörten, sorgte dann doch für eine gewisse Empörung unter liberalen Seeleuten. Als sie dann auch noch Kalvin als einen minderwertigen Sklaven bezeichneten, hatte ich genug und wandte mich an Onyx. Dieser bestand auf einen Piratengericht. Die Niederlage gegen uns demütigte die gesamte Besatzung der Pearl, was nun wirklich nicht zu einer Besserung unserer Verhältnisse beitrug.

"Was machen wir?" fragt Enja, die neben uns tritt und gerade durchs Fernrohr sieht. Sie konnte den Kapitän der Pearl ebenso wenig leiden, wie wir anderen und hatte einem seiner Männer ein paar ansehnliche Wunden verpasst, als dieser nach der Verhandlung einen Alleingang gegen unser Schiff versucht hatte. Ich fragte mich, ob er noch immer zur Crew unserer Verfolger zählte. Würde mich kaum wundern.

"Sie kommen von Steuerbord, was bedeutet wenn wir abdrehen, schneiden sie uns jeden Weg ab." meint Kalvin nachdenklich und ich nicke zustimmend. "Wir müssen weiter auf die Meeresenge zuhalten." "Wir schaffen es aber kaum ohne Gefecht." meint Enja, die die Entfernung zwischen beiden Schiffen abgeschätzt zu haben scheint. "Ich weiß." "Ein beschädigtes Schiff in der Meeresenge." murmelt mein erster Maat und ich schließe  kurz die Augen.

"Ich hab euch beide furchtbar lieb, aber jetzt haltet die Backen." weise ich sie zurecht und sehe jeden von ihnen an. "Wir bleiben auf dem verdammten Kurs. Wir werden durch diese Meeresenge segeln und wenn es das letzte ist, was ich tue." stelle ich klar und werfe einen Blick auf das näher kommende Schiff. "Enja setz die Segel, so dass wir auf Kurs bleiben, es aber wirkt als würden wir die Flucht ergreifen. Halt den Kurs egal was passiert. Kalvin schaff mir Cook an Deck und mach dann die Kanonen bereit." Mit diesen Worten entlasse ich beide und greife wieder nach dem Fernrohr. 

"Wollen wir doch mal sehen, wer von uns beiden den längeren Atem hat." wispere ich und nehme den Kapitän des anderen Schiffes ins Visier, der uns ebenfalls beobachtet. Ich weiß, dass er die Dochers für alles verachtet was sie ist. Für die Liebe und das Zuhause, dass sie Menschen bietet, die sonst nur in den Schatten der Gesellschaft leben dürfen. In Formen gepresst, so dass kaum mehr erkennbar ist, wie schön und individuell jeder Einzelne ist. Er hasst mich dafür, dass das ich die Regeln neu schreiben will, dass ein Schwarzer mein erster Maat ist, dass ich eine Frau als Steuerfrau habe, dass ich auch noch mit ihr zusammen bin.

"Ich lasse nicht zu, dass du mein Symbol der Freiheit vernichtest!"

Das Gesetz der Hohen SeeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt