- Friedliche Inselbewohner -

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"Wie lange werden wir noch hier ankern müssen?" frage ich einen der Zimmerleute, während ich neben Kalvin über das Schiff schreite. "Das Loch im Rumpf haben wir mit Teer und Brettern fast vollkommen geflickt, der Mast war vom Sturm etwas in Mitleidenschaft gezogen worden, doch wir arbeiten daran und die Segelmacher haben versichert, dass spätestens Morgen in der Früh die Segel gesetzt werden können. Also schätze ich, dass wir Morgen gegen Mittag wieder vollkommen seetüchtig sein werden." erwidert er und ich nicke zufrieden. Mir gefällt es nicht unbedingt vor fremden Küsten zu ankern, wie wir es die letzten Tage getan haben.

"Schiff Steuerbord!" ertönt der Ruf und ich ziehe sofort meinen Säbel, bevor ich allen bedeute, dass sie ruhig bleiben mögen. Ich trete an die Reling und sehe auf das Boot hinab, dass sich uns vom Festland aus nähert. Es sind nur zwei Personen an Bord und ich bedeute allen, dass sie die Waffen wieder wegstecken sollen, während ich meinen eigenen Säbel wieder ins Halfter zurück gleiten lasse.

"Wir kommen in Frieden." ruft einer der Männer auf dem Boot zu uns hoch und ich bin im ersten Moment überrascht, dass er unsere Sprache beherrscht. Dann kommt mir der Gedanke, dass diese Insel in der Nähe unseres Ziels liegt und die beiden gegebenenfalls Beziehungen zueinander pflegen, was diese Frage klärt. Ich beuge mich etwas vor und ziehe meinen Hut. "Wir ankern ebenfalls in Frieden. Wir danken euch für euren Respekt und eure Gastfreundschaft." rufe ich hinunter, da man sich am besten die Situation mit freundlich gesinnten Einwohnern nicht verspielt. Die Insel schien zwar keine Mittel zu haben, um uns am weiterfahren zu hindern, doch man wusste nie und ich unterhielt ohnehin lieber freundliche Beziehungen mit den Einwohnern. Das machte die Sache meistens um einiges leichter.

"Nicht doch." ruft der Mann uns zu und mustert mich unverwandt. "Wir wollten Ausgesandte eures Schiffes einladen, dass sie heute Abend mit dem Stammesoberhaupt speisen mögen und sich über die Erfahrungen aus der anderen Welt austauschen." fährt der Mann fort und ich neige erneut den Kopf. "Es wäre uns eine Ehre. Erhalten wir die Erlaubnis am Strand anzulanden?" "Ja, die erhaltet ihr." Ich ziehe ein weiteres Mal den Hut und das kleine Boot dreht ab, während ich mich aufrichte und zu Kalvin sehe, der die ganze Zeit aufmerksam zugehört hat. "Wie es scheint, haben wir heute eine Verabredung zum Essen. Du darfst Emilian fragen, ob er uns geleiten möchte. Es wird bestimmt lehrreich für ihn. Ich werde Enja ebenfalls einladen." sage ich und Kalvin nickt leicht, bevor wir unseren Rundgang fortsetzen.

"Wenn wir bis zum Sonnenhoch morgen nicht zurück sind, dann lichtet den Anker und bringt das Schiff zwischen den Inseln außer Sicht, bevor ihr auf der Rückseite der Insel anlandet." weise ich Cook an, der gemeinsam mit Chris das Kommando über das Schiff hat. Er scheint wie gewohnt eher erleichtert zu sein, dass er auf dem Schiff bleiben kann, als missgestimmt. Unser Koch hat es nicht so mit der Interaktion mit Menschen außerhalb des Schiffes und auch unser Schiffsarzt, der in Hemd und Hose an der Reling lehnt, während der Wind mit seinen braunen Haare spielt, scheint mehr als nur zufrieden hier bleiben zu können.

Ich ziehe den Hut, bevor ich den anderen voran über die Reling klettere und die Strickleiter hinab steige, die zum ins Wasser gelassenen Beiboot führt. Ich streckte Enja die Hand entgegen, um ihr ins Boot zu helfen und lächle sanft, als sie diese annimmt.

Sie steuert, während Kalvin und ich rudern. Emilian sitzt am Bug und sieht gespannt auf die Insel. Seit er und Kalvin sich ausgesprochen haben, wirkt er selbstsicherer, als habe er einen Weg gefunden den er zuversichtlich entlang schreiten könne. Auch mein erster Maat hat etwas gelasseneres. Natürlich ist nichts von seinem gradlinigen und pflichtbewussten Wesen verschwunden, doch er strahlt eine gewisse Zufriedenheit aus. Ich bin glücklich für die beiden, schließlich hat Kalvin alles, was er getan hat, im Gedenken an den Jungen getan, den er so sehr liebt und das die beiden nun mit den Früchten ihrer Entbehrungen belohnt wurden, fand ich nur gerecht.

Als wir am Strand anlanden, werden wir bereits erwartet und da wir nicht wissen, wie offen die Einwohner uns gegenüber eingestellt sind, geht Kalvin voran. Ihm widerstrebt es voran zu gehen, dass weiß ich, doch eine gesunde Portion Vorsicht ist immer angebracht. So gehe ich neben Emilian her, den Enja und ich in die Mitte genommen haben. Wortlos werden wir einen mit Fackeln erleuchteten Weg entlang geführt und ich sehe mich zum Strand um. Irgendwie macht mich diese Insel nervös.

Ich verdränge den Gedanken. Die letzten Wochen haben mich paranoid werden lassen, dass ich hinter jedem Baum eine Falle erwarte. Ich seufze und schüttle den Kopf, während ich meine Schultern zu entspannen versuche. Mein Degen schlägt mir gegen die Beine und gibt mir eine gewisse Sicherheit. Ich kann das kalte Messer fühlen, dass an meinem Knöchel befestigt ist. Die Anwesenheit meiner Waffen gibt mir eine gewisse Gelassenheit, schließlich werden wir uns verteidigen können, wenn sich die Inselbewohner als weniger freundlich herausstellen sollten.

Doch meine Sorgen scheinen vollkommen unbegründet zu sein. Die Stammes-ältesten sind offen und lauschen den Geschichten aus der anderen Welt, wie sie das Meer hinter der Meeresenge bezeichnen. Noch nie ist jemand von ihnen hindurch gesegelt und auch Besucher von unserer Seite sind selten, wofür man hier dankbar sein sollte. Sonst wäre das schon längst Kolonie Gebiet. Also unterhalten wir uns angeregt über den Weg der hinter uns liegt, aber auch über den Weg, der noch vor uns liegt. So haben wir auch nichts dagegen, als uns die Ältesten auf einen kleinen Spaziergang über die Insel einladen.

Sie erzählen von einem Mann, der vor mehren Monaten auf ihrer Insel angekommen ist und ihnen allerhand aus der anderen Welt beigebracht habe. Er habe eine erhabene Postion im Rat und würde uns gern treffen wollen. Er wollte uns allein sprechen, da er die Dochers erkannt habe. Langsam beginnt mein Nacken zu prickeln und der Misstrauen steigt in mir. Niemand durchquerte ohne Grund die Meeresenge.

Meine Hand zuckte kaum merklich zu meinem Degen und ich fing Kalvins Blick auf. Keinem von uns gefiel dieses Ziel, doch wir waren zu viert und außerdem hatten kaum eine andere Wahl, als den Ältesten zu folgen. Schließlich war bis jetzt nichts passiert, was uns die Unhöflichkeit gestatten würde, ihnen den Wunsch zu verweigern

Als der Mann nun in einen Kreis von Fackeln tritt, ist es Enja die aufkeucht und ich werfe ihr einen fragenden Blick zu. Sie schüttelt nur leicht den Kopf und tritt vor, während Kalvin sich nun an Emilians andere Seite zurückzieht.

"Anton." sagt Enja und meine Hand zuckt von Neuem zu meinem Degen.

Diesen Namen kannte ich. Es war der Name, des Mannes dem Enja versprochen worden war, ein Scheusal, dass nur so vor Egomanie troff. Meine Gefährtin war der Hochzeit entflohen und hatte ein Schiff zum Anheuern gesucht, doch niemand hatte ihr eine Chance geben wollen und so hatte ich sie gefragt, ob sie sich das Leben auf der gesetzlosen See vorstellen konnte. So war unsere Beziehung geboren und ich hatte eine der tapfersten und besten Steuerfrauen der Ozeane kennengelernt. Sie war auf der See aufgewachsen wie ich, doch leider hatte sie nicht das Glück gehabt zu fliehen, bevor man sie an Land zwang. Es war eine unglückliche Ironie, dass uns nun dieser Mann in unserem friedlichen Hafen auflauerte, wie der Schatten einer vergangenen Welt.

"Hallo Enni. Du hast wohl nicht damit gerechnet mich hier zu finden?"

Das Gesetz der Hohen SeeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt