- Wir stechen in See -

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Einige Augenblicke bleibt es still, doch dann kommt ein schmaler Junge von vielleicht fünfzehn oder sechzehn Jahren hinter einem Fass hervor. An seinen Kleidern kann ich selbst in der Dämmerung erkennen, dass er aus einem guten Haus kommt und mustere ihn dementsprechend misstrauisch.

"Was willst du hier?" Eine Weile starrt er mich oder mein Schiff einfach nur an, bevor er sich endlich räuspert. "Ich würde gern mit segeln." Meine Augenbraue schnellt in die Höhe. "Mitsegeln, wie in: alle anderen um mich herum arbeiten und ich hab ein nettes Leben oder in ich möchte als Schiffsjunge anheuern." hake ich nach. Ich bin immer offen für Kinder aus den Adelshäusern, die ihren eigenen Weg suchen wollen, doch sie müssen auch dazu bereit sein mit anzupacken. Das ist schließlich ein Piratenschiff und kein Urlaubskreuzer. "Wie in Anheuern." gibt der andere schüchtern zurück und ich nicke knapp.

"Falke, er ist dein Problem. Lass ihn Kiel holen, wenn er ein Spitzel ist." sage ich knapp und klettere an Deck, von wo Kalvin alias Falkenauge noch steht und den Jungen nachdenklich mustert. Er packt mich am Arm. "Bist du sicher? Was sollen wir denn mit ihm anfangen?" "Ich weiß nicht, steckt ihn zu Cook. Der passt schon auf, dass der kleine die Fahrt überlebt." gebe ich zurück.

In diesem Moment wird die Tür zur Kombüse aufgestoßen und meine Freundin kommt aufs Deck. "Dachte ich mir doch, dass es dein liebliches Stimmchen war, dass zu mir herein geschollen kam." sagt sie grinsend, bevor sie zu mir herüber tritt und mir einen Kuss auf die Lippen gibt. "Cook hat mir von eurem Ausflug erzählt." stellt sie dann fest und fragt somit stumm, wie es denn gelaufen sei. "War total toll. Wir haben nen neuen Schiffsjungen für Cook gefunden." erwidere ich und deute vage hinter mich, wo Kalvin gerade den Jüngeren an Deck geschafft hat und diesen von oben bis unten mustert.

Nun kommt auch Arthur zu uns an Deck und sieht uns fragend an. "Gibt es einen Grund für den Auflauf um diese Uhrzeit?" hakt er nach und ich grinse leicht. "Aye. Du wirst jetzt die Männer zusammentrommeln. Ich will in spätestens einer Stunde den Hafen hinter mir gelassen haben." erwidere ich. "Also lief das Gespräch schlecht?" "Hattest du was anderes erwartet?" entgegne ich und gebe Enja einen Kuss auf die Wange. "Ich bin in meiner Kajüte, wenn ihr mich braucht. Kalvin du hast das Kommando." stelle ich klar, bevor ich unter Deck verschwinde.

Ich schließe meine Tür hinter mir und trete ans Fenster. Meine Kajüte schließt direkt an unseren Beratungsraum an, der neben der Küche einen recht großen Teil hinten im Schiff einnimmt. Neben diesen beiden befinden sich auch die Gemeinschaftsschlafräume der Besatzung und die Einzelkajüten der Führungskräfte hier im ersten Unterdeck. Im zweiten Unterdeck haben wir die Vorrats - und Waffenlager, sowie einige kleine Zellen. Da ich aber nicht unbedingt darauf stehe Gefangene zu machen, sind die eigentlich immer ungenutzt oder mit zusätzlichen Materialien beladen.

Denn wenn man auf Fahrt geht, dann sollte man möglichst alles dabei haben. Auf offener See an etwas zu kommen, war meistens mehr als kompliziert, glaubt mir, so habe ich nämlich meine Postion bekommen. Doch das ist eine Geschichte für ein anderes Mal.

Es klopft und ich drehe mich zur Tür um. "Wir laufen aus Käpt'n." unterrichtet mich einer der Schiffsjungen und ich nicke, bevor ich meinen Mantel aufs Bett werfe. "Ich komme." bestätige ich und folge ihm die Treppe hinauf. Die Sonne war mittlerweile hinter den Horizont gesunken und der Kai lag dunkel und verlassen da.

"Landungsbrücke eingeholt. Taue gelöst. Bereit zum Auslaufen." berichtet Enja, die unsere Steuerfrau ist und ich nicke. "Setzt das Segel und dann lasst uns hier verschwinden." Sofort machen sich einige Männer und auch Frauen an die Arbeit, um das Segel zu setzen, während meine Freundin den Kurs setzt. "Wo soll es hingehen?" "Einem neuen Abenteuer entgegen. Aber erstmal raus aus den königlichen Gewässern." erwidere ich und trete hinter sie ans Steuerrad.

"Hattest du eigentlich Erfolg?" "Ja. Sie ist unter Deck und schläft vermutlich." erwidert meine Freundin, während ich sie von hinten gelassen umarme. Noch ein Grund warum ich das Meer liebe, hier draußen schreibt niemand mir vor, dass ich einen Mann heiraten sollte, der eine gute Partie für mich ist und dann mit ihm kleine Kinder haben soll. Hier draußen auf der offenen und wilden See wird man akzeptiert, wie man ist. Zumindest sobald man den Respekt der anderen hat.

Dann fällt mir an der Aussage der anderen etwas auf. "Hattest du nicht gesagt, dass es ein er wäre?" hake ich nach. Zum einen wollte ich meiner Freundin das Gefühl geben, dass ich ihr zuhörte und zum anderen wusste ich gern darüber Bescheid, was so auf meinem Schiff passierte. "Er ist manchmal eine 'sie'." entgegnet Enja und ich nicke nachdenklich. "Wie heißt sie denn?" "Chris" "Ein netter Name." erwidere ich und winke dann Arthur zu mir heran.

"Ich will morgen früh mit unserem neuen Arzt reden. Also schick ihn entweder an Deck, wenn sie wach ist oder in meine Kajüte." weise ich ihn an und er nickt. "Aye. Ich werde mich jetzt zur Ruhe begeben." sagt er und ich entlasse ihn. Von Kalvin ist nichts mehr zu sehen, vermutlich bringt er unseren neuen Schiffsjungen unter und auch sonst ist das Deck leer.

Sanft löse ich mich von Enja und zwinkere ihr zu, bevor ich ein Stück die Takelage hoch klettre, um einen besseren Überblick zu haben. Hinter uns wurden die Lichter der Stadt kleiner und wir würden mit unserem Aufbruch einige Stunden Vorsprung raus schlagen, einen Vorsprung den wir dringend brauchen konnten. In der Dunkelheit rauschen die Wellen leise, während der Wind mit meinen roten Haaren spielt.

Hier auf dem Meer bin ich frei.

Das Gesetz der Hohen SeeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt