Montag, 21.09.2020
„Tut mir leid, Steven. Ich mache meine Pause heute außerhalb vom Büro." Eilig lege ich meine Unterlagen auf einen ordentlichen Stapel auf den Schreibtisch und fahre meinen Rechner herunter. Während ich meine schwarze Tasche schultere, streiche ich meinen dunkelblauen Rock glatt, richte den passenden Blazer und meine schwarze Bluse. „Aber morgen gerne wieder." In den letzten Wochen haben wir fast jede Mittagspause mit ein paar anderen Kollegen verbracht. Christina ist nun an der Reihe, eine Praktikantin einzuarbeiten und wie es scheint, hat sie Gefallen an Steven gefunden. Ein Grund mehr warum Christina und ich regelrecht auf unsere Pause zu viert bestehen. Mein Praktikant scheint allerdings wenig von den Verkupplungsversuchen mitzubekommen, aber die Kleine gibt nicht auf. Wahrscheinlich ist es für sie als Neunzehnjährige aufregend, einen acht Jahre älteren Mann zu daten.
„Aber Christina hat auch schon abgesagt", quengelt er wie ein kleines Kind.
Ich grinse. „Und? Du hast doch noch Nikita."
Steven stöhnt auf. „Sie ist komisch. Ich will nicht mit ihr alleine sein."
Aufmunternd klopfe ich ihm auf die Schulter. „Du schaffst das schon." Er flucht etwas vor sich hin, doch ich verlasse lachend das Büro.
Als ich aus dem Gebäude trete, weht mir eine warme Sommerluft entgegen. Es sind die letzten Tage, in denen ich die Sonnenstrahlen genießen kann, denn ab nächster Woche sollen die Temperaturen sinken. Auch Regen ist angesagt und ich kann nicht behaupten, mich darüber zu freuen. Im Sommer trage ich nur Röcke zur Arbeit, weil ich mich damit am wohlsten und schönsten fühle. Nur bei niedrigen Temperaturen und Regen spüre ich ein Unbehagen, was meine nackten Beine betrifft. Da hilft auch eine Strumpfhose nicht.
Während ich die Straße entlang laufe, verabschiede ich mich mental von all meinen Röcken, die ich erst im nächsten Jahr wieder hervorholen werde.
Nach nicht einmal fünf Minuten habe ich die Bäckerei erreicht, die ich angepeilt habe. Als ich durch die Tür laufe, empfängt mich der Geruch von frisch gebackenen Brötchen. Genüsslich ziehe ich den Duft ein und begebe mich zu der jungen Frau hinter der Konditoreitheke aus Glas. Sie lächelt freundlich und fragt mich, was ich haben möchte. Meine Augen scannen die verschiedenen Kuchensorten ab und umgehen bewusst das Stück Erdbeerkuchen. Es ist mal mein Lieblingskuchen gewesen, doch seit elf Jahren kann ich den bloßen Anblick nicht ertragen.
„Ein Stück Mango-Maracuja Kuchen zum hier essen, bitte", sage ich und deute mit dem Finger auf die Delikatesse hinter dem Glas.
„Darf es noch etwas sein?", fragt die Frau während sie das Stück auf einen Teller packt und auf ein Tablett stellt.
Ich überlege. „Einen Schwarztee, bitte."
„Gerne", antwortet sie und verschwindet hinter einer Tür. Während ich auf sie warte, hole ich mein Geld passend heraus und sehe mich in der Bäckerei um. Zu dieser Zeit sind nicht viele hier. Nur ein älteres Ehepaar und zwei Damen mittleren Alters. Sie scheinen, wie ich auch, ihre Mittagspause genießen zu wollen. Nur bin ich mir sicher, dass das keine entspannte Pause wird.
Nachdem ich für meine Bestellung bezahle, nehme ich das Tablett an mich und setze mich an einen freien Tisch in der Ecke. Es steht direkt am Fenster, sodass mir die Sonnenstrahlen im Nacken brennen. Während ich warte, trinke ich ein paar Schlucke von meinem Tee. Den Kuchen rühre ich nicht an, damit ich eine Beschäftigung habe, wenn die Stimmung seltsam wird. Und ich bin ziemlich sicher, dass es das wird.
Es dauert nicht lange, als die Klingel über der Tür ertönt und meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Mein Adoptivvater, Christian, bleibt im Eingang stehen und sieht sich um. Als unsere Blicke sich begegnen, erstrahlt sein Gesicht. Durch den Raum winkt er mir zu und verkündet so seine Freude, mich wiederzusehen. Ich winke schüchtern zurück und ringe mir ein Lächeln ab. Er trägt, wie immer, wenn er sich in die Öffentlichkeit begibt, eine blaue Jeans und ein Poloshirt. Meine Augen wandern zu meiner Adoptivmutter, Olivia. Sie steuert geradewegs zur Theke und gibt ihre Bestellung auf, ohne mich zu beachten. Christian bedeutet mir mit einer entschuldigenden Handbewegung, dass sie gleich bei mir sind. Die wenigen Minuten nutze ich, um mich auf das vorzubereiten, was kommt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Gespräch unerträglich wird, aber es gibt sicherlich angenehmeres. Vor Nervosität knete ich meine Finger im Schoß. Dabei weiß ich eigentlich, dass ich nichts zu befürchten habe. Mehrere Jahre habe ich mit diesen Personen unter einem Dach gelebt und nie haben sie mir einen Grund gegeben, nervös oder ängstlich zu sein. Daher schiebe ich meine Aufregung auf den Fakt, dass ich die Beiden schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen habe.
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Blue Rose - Band 2
RomanceNachdem Jordan eine klare Linie zwischen sich und Rose gezogen hat, gehen sie getrennte Wege. Doch es vergeht kein Tag, an dem sie nicht an den Mann denkt, in den sie verliebt ist. In Zeiten wie diesen ist sie es gewohnt, sich an Blue Rose zu wenden...