Dienstag, 22.09.2020
Ich bin gerade dabei, einem Klienten am Telefon einen freien Termin herauszusuchen, als Steven und Patrick gemeinsam durch die Tür treten. Obwohl ich ihnen keine Aufmerksamkeit schenken möchte, entgehen mir die Falten auf ihrer Stirn nicht. Sie sehen sich angestrengt an und flüstern so leise zueinander, dass kein Wort zu mir durchdringt. Stutzig beobachte ich die beiden Männer aus dem Augenwinkel, doch sie schenken mir keinerlei Beachtung, als sie in Patricks Büro verschwinden. Zu gerne würde ich mein Ohr an die Tür halten, damit ich endlich einen Hinweis darauf bekomme, was zwischen ihnen läuft. Denn mittlerweile bin ich mir sicher, dass sie gemeinsam Dreck am Stecken haben. Sie verhalten sich viel zu verdächtig, als dass es mir entgehen könnte. Ich muss nur noch hinter das gutbehütete Geheimnis kommen. Allerdings gestaltet sich dieses Vorhaben schwieriger, als ich gedacht habe.
Ich beende noch ein paar weitere Anrufe, als Steven sich zu mir gesellt. Der nachdenkliche Ausdruck in seinem Gesicht ist noch immer da, während er seinen Aktenkoffer abstellt und sich auf den Stuhl plumpsen lässt. Tausende Fragen liegen mir auf der Zunge, doch keine von ihnen kommt heraus. Nicht nur, weil ich nicht weiß, wie ich sie stellen soll, sondern auch, weil ich ihm nach dem letzten Abend mit Vorsicht begegne. Die ganze Nacht habe ich wachgelegen und überlegt, was es mit dem Messer auf sich haben könnte. Ich bin zu drei mehr oder weniger plausiblen Ergebnissen gekommen. Eine Möglichkeit ist, dass er heimlich einen Kochkurs besucht und das sein Glücksmesser ist oder so etwas in der Art. Allerdings wirkt er nicht wie der Typ Mann, der seine Leidenschaft im stillen Kämmerlein ausübt. Viel zu gut kann ich mir vorstellen, dass er gar nicht damit aufhören könnte, über sein Hobby zu sprechen. Eine weitere Idee ist, dass er nicht gewusst hat, dass es im Auto liegt. Immerhin hat er es augenscheinlich seit einer Ewigkeit nicht mehr benutzt. Dann ist es doch eigentliche naheliegend, dass er es vergessen hat. Was dennoch die Frage nicht beantwortet, warum es überhaupt dort drin gelegen hat. Mein letzter und logischster Einfall ist, dass er ein Krimineller ist. Na ja, vielleicht ist diese Idee nicht ganz so stichhaltig und ich bin sehr verurteilend, aber kann es mir verübelt werden?
„Worüber denkst du so angestrengt nach?", höre ich meinen Praktikanten plötzlich neugierig fragen.
Als ich mich ihm zuwende, guckt er mich bereits an. „An nichts Wichtiges", erwidere ich so beiläufig wie möglich.
„Geht es dir besser?", erkundigt er sich und wirkt dabei ernsthaft besorgt.
„Ging es mir schlecht?", entgegne ich mit einem trocknen Lachen.
„Du bist gestern so schnell abgehauen, als wärst du auf der Flucht." Der Vergleich scheint für ihn harmlos zu sein, doch mich bestärkt er damit in meiner Annahme. Am liebsten würde ich aus dem Raum stürmen und mich an einem sicheren Ort verkriechen. Weit weg von ihm und all den Gefahren, die im Dunklen lauern.
Ich suche nach einer guten Lüge, damit ich ihm nicht die Wahrheit sagen muss. Wie soll ich das überhaupt anstellen? ‚Ich habe ein Messer im Handschuhfach gefunden und bin aufgrund meines Traumas in Panik geraten. Oh und deswegen denke ich, dass du ein Mörder bist.' Er würde mir doch den Vogel zeigen. Also entschließe ich mich für das Erstbeste, was mir in den Sinn kommt. „Meine Allergie artet manchmal aus. Tut mir leid, wenn ich dich damit erschreckt habe." Als er mich missbilligend mustert, werde ich nervös. Ob er mir glaubt?, frage ich mich und mach mich unwillkürlich klein, als könnte ich mich so vor einer überraschenden Attacke schützen. Doch Steven ist sicherlich klug genug, mich nicht so offen anzugreifen.
Zu meiner Verwunderung geht er nicht weiter darauf ein. Stattdessen fragt er mich, ob ich etwas Trinken möchte und geht aus dem Raum, als ich verneine.
*
Als ich vor Ambers Wohnkomplex ankomme, schaue ich zuerst nach der Post. Da Pamela und ich unseren Wohnsitz hier nicht angemeldet haben, erhalten wir auch keine Briefe. Daher bin ich verwundert, als zwischen den Katalogen und Werbungen auch ein Umschlag dabei ist, der an mich adressiert ist. Neugierig drehe ich ihn in meiner Hand hin und her, während ich die Treppen in die Wohnung steige. Dabei fällt mir eine mir bekannte Schrift auf der Rückseite auf. Ohne lange zu überlegen, kann ich sagen, dass es Matts Sauklaue ist. Mit einem Bleistift hat er geschrieben: „Ich habe die Adresse von Nicolas aus dem Fitnessstudio, weil du nicht auf meine Anrufe reagierst. Der lag vor ein paar Tagen im Briefkasten." Trauer macht sich in mir breit, als ich an die Umstände denke. Was ist nur aus uns geworden, dass wir uns nun nicht mal mehr von Angesicht zu Angesicht unterhalten können?
DU LIEST GERADE
Blue Rose - Band 2
RomanceNachdem Jordan eine klare Linie zwischen sich und Rose gezogen hat, gehen sie getrennte Wege. Doch es vergeht kein Tag, an dem sie nicht an den Mann denkt, in den sie verliebt ist. In Zeiten wie diesen ist sie es gewohnt, sich an Blue Rose zu wenden...