22 - Zwischen Freundschaft und Gerechtigkeit

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Montag, 12.10.2020

Es vergehen weitere Minuten, in denen die Neugierde mich zu übermannen droht. Patrick hingegen wirkt seltsam entspannt, als er sich einen neuen Drink bestellt. Auch ich nutze den Moment, um mein Glas auffüllen zu lassen und meine Nerven zu beruhigen. Etwas Essbares würde ich ohnehin nicht herunterbekommen, denn mein stetig wachsendes Unwohlsein verursacht unangenehme Aufregung.

„Ich bin froh, dass Jordan und du euch wieder vertragen habt", bricht Steven das angespannte Schweigen am Tisch.

Verächtlich verziehe ich das Gesicht über seine Beichte. „Warst du nicht derjenige, der mir weiß machen wollte, dass er mir die zwielichtigen Nachrichten schreibt?"

Abwehrend hebt er die Hände in die Höhe. „Hey, es war nur ein Gedankengang."

„Und zu dem Zeitpunkt wusstest du nicht, von wem die Drohungen wirklich stammen?", bohre ich nach, kann mir aber einen anschuldigenden Unterton nicht verkneifen. „Oder Sie, Mr. Price?", frage ich nun mit bissigem Unterton an meinen Chef gewendet.

Dieser zuckt gleichgültig mit den Schultern. „Nein", lautet seine knappe Antwort. Nach einigen Momenten fügt er hinzu: „Gewundert hat es mich aber nicht, als er gestanden hat. Einmal auf der falschen Schiene und der Weg auf die Richtige ist nicht mehr so einfach."

Alarmiert horche ich auf. „Woher wissen Sie, dass er gestanden hat?"

Trocken lacht Patrick auf. „Darum habe ich dich hierher gebeten, Rosie. Ich bin sein Verteidiger in diesem Fall", eröffnet er mir wie beiläufig, während er an seinem Getränkt schlürft. Dabei sieht er mir fest in die Augen.

Irritiert runzele ich die Stirn. „Sie wollen ihn verteidigen?", frage ich nach, obwohl ich ihn genau verstanden habe. „Sollten Sie sich nicht eigentlich auf die Seite der Gerechtigkeit stellen?"

„Du kannst dich glücklich schätzen, dass ich es bin. Jeder andere würde alles tun, um ihm die möglichst geringste Strafe auszuhandeln. Ich nicht." Überheblich schnauft er, als hätte er mit seiner Entscheidung etwas Großartiges geleistet.

„Sind Sie nicht befreundet?" Irritiert runzele ich die Stirn über diese verzwickte Beziehung der beiden Männer. Als ich Robert das erste Mal im Club begegnet bin, haben sie so gewirkt, als würden sie sich relativ nah stehen.

„Befreundet?", lacht Patrick auf, als hätte ich einen urkomischen Witz gerissen. „Ich habe keine Freunde, Rosie. Das ist ein Prozess, den ich nicht gewinnen kann. Freundschaft hin oder her." Sobald er die Worte ausspricht, regt sich etwas in meinen Erinnerungen. Es ist wie ein Déjà-vu, als ich an den Tag zurückdenke, an dem ich Steven und seinen Bruder belauscht habe. Ich meine mich zu erinnern, dass Patrick auch da gesagt hat, dass jemand ihn gebeten habe, einen Fall zu übernehmen und dass es ein Prozess sei, den er nicht gewinnen könne. Zu diesem Zeitpunkt habe ich nicht verstanden, was er damit meint, aber jetzt ergibt alles Sinn. Angestrengt versuche ich mich an den Rest des Gespräches zu entsinnen, bis es mir endlich einfällt. Patrick hat etwas von Drecksarbeit gesagt und dass Robert nun keinen Nutzen mehr für die beiden hat. Bedeutet das in dem Kontext, dass die beiden ihn auf mich gehetzt haben, wie ich es vermute? Zusätzlich fällt mir ein, dass Steven sich beschwert hat, damals die Drecksarbeit erledigt zu haben. Jetzt, wo ich genauer darüber nachdenke, bilden sich zum wiederholten Mal, unzählige Fragezeichen in meinem Kopf, die ich nicht vertreiben kann.

Ich spüre, wie sich Schweißtropfen der Angst aus den Poren meiner Stirn stehlen. Mein Atem geht flacher und mein ganzer Körper beginnt zu glühen, während ich die beiden Männer vor mir mustere. Ich will mir mein Unbehagen nicht anmerken lassen, um ihnen die Genugtuung zu verwehren, was sie in mir auslösen. Panik. Blanke Panik. Hilfesuchend klammere ich mich an mein Handy, in dem Wissen, dass Jordan irgendwo hier ist. In der Vergangenheit ist Blue Rose mein Anker gewesen und das ist er auch heute noch, nur hat er nach all den Jahren endlich ein Gesicht.

Blue Rose - Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt