Samstag, 10.10.2020
„Was?", schießt es unwillkürlich aus mir heraus. Ich spüre, wie mir das Blut langsam in den Kopf steigt, doch mein Unbehagen hält ihn nicht davon ab mir geradewegs in die Augen zu sehen. Ein ungläubiger wie auch erfreuter Ausdruck liegt in seinem Gesicht, als er ungeduldig auf eine Antwort wartet.
„Was hast du gerade gesagt?", bohrt er nach, weil ich keine Anstalten mache mein Schweigen zu brechen. Seine fröhliche Miene beginnt zu bröckeln und in dem Moment wird mir bewusst, dass meine Stille ihn verletzt.
Erneut gleitet seine Hand aus meiner, doch nun bin ich es, die ihren Mut zusammennimmt und sie umschließt. Nervös schlucke ich den Kloß in meinem Hals herunter und versuche mich zu überwinden, meine Gefühle auszusprechen. Ich weiß gar nicht, warum es mir so schwerfällt, wenn es mir doch schon das erste Mal gelungen ist und ich mir meiner Emotionen nun im Klaren bin. Es ist ein langer und schmerzhafter Weg gewesen, aber das, was ich für Jordan empfinde, ist in den letzten Tag und Stunden zu etwas Großem herangewachsen. Etwas, was mein Herz mit unzähligen Glücksgefühlen geradezu überschwemmt. Die Realisation trifft mich ins Mark. Klitzekleine Stromschläge wandern durch meinen Körper und treffen mich mitten in die Brust. Der angenehme Schmerz, der sich daraufhin in mir ausbreitet, ist beflügelnd. Eine Welle der Erleichterung überkommt mich, als mir die nächsten Worte seltsam geschmeidig über die Lippen kommen. „Ich liebe dich." Es ist ungewohnt das zu sagen und viel zu lange her, dass ich so gefühlt habe, dennoch spreche ich es mit so einer Leichtigkeit aus, als hätte ich mein Leben lang nichts anderes getan, als ihm meine Liebe zu gestehen.
Mein Griff um seine Hand wird lockerer, als ich beginne zu zittern. Mit jeder Sekunde die vergeht und in der er nichts sagt, steigt meine Nervosität und damit wächst sein breites Grinsen. Ich kenne den Ausdruck nur aus kitschigen Büchern und habe mir nie vorstellen können, wie so etwas aussieht, doch ich glaube tatsächlich etwas in seinen Augen funkeln zu sehen. Einen Schimmer, der das Dunkle seiner Iris erleuchtet, während er mich so anschaut, wie mich niemand zuvor angesehen hat.
Wie in einer Trance verliere ich mich in seinem Blick und erwache erst wieder aus ihr, als er aufsteht und auch mich auf die Füße zieht. Linksfüßig stelle ich mich ihm dicht gegenüber und lasse zu, dass er seine starken Arme um meinen bebenden Körper schlingt. Vorsichtig lasse ich mich gegen seinen Brustkorb fallen, ohne dass wir den Blickkontakt miteinander beenden. Wie von selbst wandern meine Hände an seinen Seiten hinter seinen Rücken und erwidern seine Umarmung.
Plötzlich fährt seine rechte Hand langsam meinen Arm hinauf zu meiner Wange und hinterlässt eine hitzige Spur. Sanft liebkost er meine Haut mit seinem Daumen, während er meinen Kopf in den Nacken legt. Ich weiß genau, worauf das hinausläuft. Eine unausgesprochene Frage schwebt zwischen uns und wird verdrängt von der unbändigen Sehnsucht nach einander.
Jordan sieht mir eine ganze Weile in die Augen. Er blickt mich so fokussiert an, als könnte nichts und niemand seine Konzentration unterbrechen. Seine Finger wandern von meinem Gesicht zu meinem Nacken und massieren mit sanftem Druck die verspannten Stellen. Wer hätte gedacht, dass dieser immerzu finster dreinblickende Mann so zärtlich sein kann?
„Sag doch etwas", flehe ich unsicher. Ein Blick in seine Miene verrät mir das, was ich hören will. Er muss es nicht laut aussprechen, denn ich kenne die Antwort. Er empfindet das gleiche für mich, stelle ich überglücklich fest. Trotzdem würde ich es gerne aus seinem Mund hören, einfach um den Effekt zu erleben, den das Geständnis auf mich haben würde. Doch statt mir zu antworten, beugt er sich etwas weiter herunter, sodass nur unsere Nasen sich berühren. Meine Nerven sind zum Zerreißen angespannt. Will er mich auf die Folter spannen? Genervt runzele ich die Stirn und lege meine Hände fest um seinen Nacken, um ihm deutlich zu machen, dass ich das Gleiche will. Dass ich ihn endlich spüren möchte.
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Blue Rose - Band 2
RomanceNachdem Jordan eine klare Linie zwischen sich und Rose gezogen hat, gehen sie getrennte Wege. Doch es vergeht kein Tag, an dem sie nicht an den Mann denkt, in den sie verliebt ist. In Zeiten wie diesen ist sie es gewohnt, sich an Blue Rose zu wenden...