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YOUR POV

Ich wusste noch ganz genau, wie er mich ansah, als ich das Klassenzimmer betrat. Seine Augen waren geradewegs auf mich gerichtet. Doch es waren nicht mehr die gleichen Augen wie damals. Er hatte sich verändert, konnte man sagen. Er war erwachsener geworden. Man könnte meinen, es war wie in diesen Jugenddramen, wo das Mädchen neu in die Klasse kam und der Junge sich auf den ersten Blick in sie verliebte.
Tja, so ganz war das bei mir nicht. Eigentlich nicht mal annähernd.
Aber vielleicht sollte ich auch ganz am Anfang beginnen.

__________

36 Stunden vorher

Die pralle Nachmittagssonne schien genau auf meinen Kopf, als ich den Flughafen der Stadt Kobe verließ. Ich hielt mir die Hand schützend vor die Augen und hob den Kopf an, um in den strahlend blauen Himmel blicken zu können. Für August war dieses Wetter perfekt. In London hatte es selbst im Sommer noch oft geregnet.
"Sind Sie Miss N/N?", fragte mich ein Mann, der ein Schild in der Hand hielt, auf dem mein Name stand.
"Ja, die bin ich. Sie müssen der Taxifahrer sein, den meine Großeltern organisiert haben.", antwortete ich freundlich und der Mann nickte. Hinter ihm konnte ich auch schon seinen Wagen erkennen.
"Soll ich Ihnen Ihr Gepäck abnehmen?", fragte er, doch ich weigerte mich, ihn die ganze Arbeit allein machen zu lassen. Ich half ihm, die zwei Koffer und die Reisetasche, die ich dabei hatte, in den Kofferraum des Taxis zu verfrachten, bevor ich mich auf den ledernen Rücksitz fallen ließ. Die Hitze hier in Hyogo war echt unglaublich.
Ich nannte dem Mann die Adresse, zu der ich wollte, und dann fuhren wir auch schon durch das belebte Kobe.
Es war schon lange her, seit ich meine Mutter das letzte Mal gesehen hatte. Ob sie immer noch der gleiche Mensch war wie damals zu Beginn der Mittelschule? Nein, das konnte ich mir nicht vorstellen.
Der Tod veränderte Menschen und als mein Vater vor fünf Jahren gestorben war, erkannte ich meine Mutter danach kaum noch wieder. Das war auch einer der Gründe, warum ich zu meinen Großeltern nach London gezogen bin. Doch warum ich jetzt wieder hier in Hyogo war, dort, wo ich großgezogen wurde, wusste ich noch nicht so ganz.
War es Heimweh? Oder vielleicht die Tatsache, dass ich meine Mutter nicht alleine lassen konnte, egal, wie schwer wir es kurz vor meinem Umzug hatten? Vielleicht war es eines von diesen Dingen, vielleicht war es aber auch ein anderer, mir noch unbekannter Grund. Aber die Hauptsache war, dass ich jetzt hier war.

Als wir keine zwanzig Minuten später in die Straße einbogen, wo das Haus stand, kamen direkt wieder die Erinnerungen hoch. Hier habe ich gelebt. Bis zur Mittelschule. Und dann bin ich nach London geflogen.
"Miss, wir sind da.", ertönte die Stimme des Fahrers von vorne und ich lächelte leise.
Jetzt ist es wohl soweit.
Ich öffnete die Autotür und meine abgetragenen Sneaker berührten den rissigen Asphalt. Die hohe Mauer vor mir verhinderte, dass ich auf das Grundstück sehen konnte, auf dem ich die meiste Zeit meiner Kindheit verbracht hatte. Sie war immer noch genauso verwuchert wie damals, aber jetzt kam sie mir irgendwie kleiner vor als vor fünf Jahren.
Der Fahrer überreichte mir meine Reisetasche und meine Koffer, bevor ich ihn bezahlte und auch noch ein ordentliches Trinkgeld drauflegte. Es war ein komisches Gefühl, wieder mit einer anderen Währung zu zahlen.
"Haben Sie noch einen schönen Tag, Miss.", wünschte mir der Mann.
"Danke, ebenfalls."

Das Taxi war schon lange verschwunden, doch ich konnte mich nicht dazu bringen, an dem großen Eingangstor zu klingeln. Bevor meine Großeltern vor zwölf Jahren nach London gezogen waren, haben sie in diesem Haus gelebt, und es dann schließlich uns überlassen. Wie es sich wohl für meine Mutter angefühlt haben mochte, so lange allein in einem so großen Haus zu leben?
Ein Knarzen riss mich aus meinen Gedanken und ich schreckte zurück, als sich das Tor plötzlich öffnete.
Sie hatte es nicht geölt.
Langsam trat ich ein und war überrascht, von dem wunderschönen Vorgarten. Ein Steinweg führte zu dem traditionell japanischen Haus und an den Seiten waren Blumen und kleine Teiche mit Goldfischen angelegt. Die grünen Blätter von den Kirschblütenbäumen sorgten für viel Schatten und tauchten den Steinweg in ein Farbenspiel aus den verschiedensten Grüntönen. Das musste ich meiner Mutter lassen, sie hatte wirklich ein Händchen für Gärten.
"Und ich dachte schon, du hattest vor, auf der Straße zu übernachten.", ertönte die Stimme einer Frau von der Eingangstür her.
Ich musste lächeln. "Ich war lange nicht mehr hier, Mama, du musst mir Zeit lassen, mich wieder an alles zu gewöhnen.", erwiderte ich auf die Aussage meiner Mutter, die barfuß in Jeans und T-Shirt lässig und mit verschränkten Armen am Türrahmen lehnte. Ich musterte sie, während ich auf die Frau, die ich die letzten fünf Jahre nicht persönlich gesehen hatte, zuging. Natürlich hatten wir oft telefoniert, aber weder kam sie nach London, noch ich nach Japan, um uns zu sehen. Aber sie sah gut aus. Also wirklich gut. Ihre Finger- und Fußnägel waren in einem hübschen Rosaton lackiert und ihre braunen Haare hatten einen goldenen Glanz, während sie in einem locker geflochtenen Zopf steckten. Auch ihre Haut war gepflegt und leicht gebräunt von der Sommersonne.

"Willst du mich weiter so anstarren? Komm endlich her und begrüß deine alte Mutter." Ihren schlagfertigen Ton hatte sie wenigstens nicht verloren.
"Du bist gerade mal sechsunddreißig.", lachte ich. Es stimmte, meine Mutter hatte mich schon früh zur Welt gebracht, da war sie gerade erst zwanzig geworden. Doch trotzdem hatten sie und mein Vater es geschafft, obwohl sie beide noch sehr jung waren und mein Vater von zu Hause rausgeflogen war, mich großzuziehen und mich dort hinzubringen, wo ich heute war.
Ich ließ die Tasche von meiner Schulter gleiten und rannte auf sie zu, bevor ich ihr die Arme um den Hals schlang und sie mich ganz fest an sich drückte.
"Es ist so schön, dich wiederzusehen, V/N.", nuschelte sie in meine Haare und ich nickte, als mir die Tränen in die Augen stiegen.
"Ich freu mich auch, dich wiederzusehen, Mama."

________

"Also, erzähl, wie war dein Flug, mein Schatz?", fragte mich meine Mutter, während sie eine Kanne Tee aufsetzte. Meine ganzen Reisesachen habe ich schon in mein altes Zimmer gebracht, in dem alles noch war wie beim Alten. Danach bin ich erstmal duschen gegangen und jetzt saß ich hier, mit nassen Haaren in der traditionellen Küche auf dem Boden.
"Der Flug war ganz angenehm. Grandma und Grandpa haben am Heathrow noch gesagt, dass, wenn ich das Haus verwüstet vorfinden sollte, sie dich dann enterben.", erzählte ich und biss in ein Gebäck, das allem Anschein schon älter war als ich. Mit einer Grimasse schob ich den Teller etwas von mir weg.
"Ach ja, das haben sie gesagt? Tja, und? Hast du das Haus verwüstet vorgefunden?", kam die Antwort und ich sah mich forschend um.
"Da liegt eine Zeitschrift einfach so auf dem Boden." Ich zeigte mit dem Finger auf eines dieser Modemagazine, die meine Mutter auch früher schon gerne gelesen hatte, und das gerade einfach so auf den Holzdielen lag. Meine Mutter schlug mit einem Handtuch nach mir und ich musste lachen.
"Wehe du sagst das den alten Herrschaften, dann kannst du wirklich auf der Straße schlafen.", drohte sie mir und ich musste lauter lachen. Plötzlich wurde das Gesicht meiner Mutter wieder ernst. "Hast du vor, sie zu besuchen, jetzt wo du wieder da bist?" Auch ohne, dass sie einen Namen nannte, wusste ich sofort, wen sie meinte.
"Nein, werde ich nicht. Wir haben uns auseinandergelebt und... das ist auch okay so." Der letzte Teil kam leiser raus, als beabsichtigt, aber das war mir egal.
"Sie waren ziemlich sauer, als sie erfahren haben, dass du weg bist. Besonders-", fing meine Mutter an, doch ich unterbrach sie.
"Ich weiß, du hast es mir bei unserem allerersten Telefonat damals erzählt. Und es interessiert mich nicht, ob sie sauer waren oder nicht. Es war immernoch meine Entscheidung, zu gehen."
"Mmh, die beiden sind anderer Meinung gewesen.", sagte meine Mutter wissend und nippte an ihrem Tee.
"Wie... Wie geht es ihnen denn?", fragte ich etwas abwesend und umklammerte mit den Händen den Teebecher.

"Oh, denen geht's bestens. So sehen sie zumindest aus. Sie sind erwachsen geworden, V/N. Sie sind jetzt nicht mehr die kleinen, volleyballversessenen Kinder von nebenan. Besonders, weil jeden Tag irgendein anderes Mädchen ihr Haus verlässt.", berichtete meine Mutter und wickelte sich dabei eine Strähne um den Finger.
Darauf antwortete ich nicht mehr. Wieso auch? Es interessierte mich nicht. Sie waren meine besten Freunde damals. Und die Betonung lag auf damals. Wir waren jetzt keine Freunde mehr. Wir waren jetzt nur noch alte Bekannte, die zufällig in der gleichen Straße wohnten und eine gleiche Leidenschaft teilten - Volleyball.
Nicht mehr und nicht weniger.
Und so würde es auch bleiben.

_________

Und jetzt stand ich hier. Genauso wie am Anfang. Ich stand vor der Klasse vorne beim Lehrer und alle starrten mich an. Doch besonders zwei Paar Augen schienen sich förmlich in mich zu bohren. Das eine paar grau und das andere... tja, was sollte ich sagen, seine Augen hatten immer noch diesen Braunton, den ich damals wunderschön fand. Aber jetzt war es für mich nur noch ein normales braun. Eines unter vielen.
Und während der Blick des einen eher geschockt aussah, war der des anderen voller Verwirrung, Wut und... Sehnsucht? Nein, ich musste mich geirrt haben. Es konnte nicht anders sein.
Ich setzte ein zufriedenes Lächeln auf und ging zwischen den Reihen hindurch zu meinem vorgebenen Platz. Dabei spürte ich die Blicke aller in meinem Rücken. Was Schönheit anging, kam ich ganz nach meiner Mutter.
Mein Blick streifte durch den Raum und blieb an den beiden Personen hängen, die mich über ihre Schultern her noch anstarrten.
Osamu und Atsumu Miya, es ist schön, euch wiederzusehen.

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Huhu, wie fandet ihr den Anfang meiner neuen Fanfiction?✨

Ich hoffe natürlich, es hat euch bis jetzt gefallen<3
Ich wollte schon lange eine Story mit den Miya-Zwillingen schreiben und bin jetzt auch endlich dazu gekommen🙈

   - A

Old Friends // (Atsumu x Reader) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt