22.

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ATSUMU POV

Ich lag gerade in meinem Bett, als mich V/N's Nachricht erreichte.

Müssen reden.

Sofort war mein ganzer Körper in Alarmbereitschaft, ohne, dass ich etwas dagegen hätte tun können.
Ein kleiner Teil von mir dachte, dass sie wieder weggehen wird. Dass sie mich wieder verlässt, nur diesmal mit einem richtigen Abschied.
Panik durchflutete mich bei diesem Gedanken und eilig kramte ich meine Klamotten zusammen.
Kaum war ich zu Hause angekommen hatte ich bloß eine Jogginghose angezogen und habe mich auf's Bett geschmissen. Samu hatte gesagt, dass er noch etwas erledigen musste, also bin ich allein nach Hause gegangen.
Ich zog das Erstbeste an, was ich kriegen konnte. Und das waren in diesem Fall eine alte Jeans und ein rotes T-Shirt, das ich mal als Sportshirt benutzt habe.

"Atsumu Miya, wo willst du denn noch hin? Es gibt gleich Abendessen und dein Bruder ist auch noch nicht zurück.", bemerkte meine Mutter, als ich mir im Flur hastig die Schuhe anzog.
"Ich bin kurz nochmal weg. Vielleicht wird es etwas später." Auf eine Antwort wartete ich nicht mehr, denn da war ich schon aus der Tür.
Ich warf V/N's Haus beim Vorbeilaufen einen kurzen Blick zu. Das Auto ihrer Mutter war nicht in der Einfahrt und auch keine der vielen Beleuchtungen im Vorgarten waren angeschaltet.
Aber eines musste man diesem Haus wirklich lassen - es war das Schönste in der Straße, ohne Zweifel.
In einer viertel Stunde sollen wir uns an Sporthalle 1 treffen hatte sie geschrieben, also hatte ich noch gut zehn Minuten. Bei dem Tempo würde ich vor ihr da sein.
Ein merkwürdiges Gefühl raste durch meinen Körper bei dem Gedanken, sie wiederzusehen. Seit der Sache in der Nacht auf Samstag war sie mir bestmöglich aus dem Weg gegangen und das gefiel mir überhaupt nicht.
Ich wollte sie nochmal küssen. Sie in eine Abstellkammer in der Schule ziehen und dort mit ihr das gleiche machen, wie ich es Freitagnacht in der Gasse getan habe. Ich wollte wieder das Gefühl ihres Körpers an meinen gepresst spüren, mein Kinn auf ihrem Kopf abstützen und sie einfach nur halten. Sie halten und hoffen, dass sie nicht wieder verschwindet. So wie sie es vor über fünf Jahren getan hatte.

"Scheiße.", murmelte ich bei diesem flüchtigen Gedanken, als ich in die Straße einbog, in der die Inarizaki lag. Wie erwartet war das große Schultor noch nicht abgeschlossen worden, also konnte ich ungestört das Gelände betreten.
Auf dem Weg zur Sporthalle fiel mir auf, dass die grünen Blätter der Bäume langsam anfingen, sich orange und gelb zu färben. Einige fielen in dem sanften Wind auch schon zu Boden. Der Herbst kam wohl schneller als gedacht.
Vorsichtig hob ich mein Gesicht in die Spätsommerbrise und schloss die Augen. Es war fast genauso wie wenn man in der Halle stand, den Ball in den Händen, und man wartete darauf, dass der Schiedsrichter den Anpfiff zum Aufschlag gab. Diesen Moment, wenn alle Augen auf einen gerichtet waren, vergisst man nie wieder.
"A-Atsumu?"
Ich öffnete die Augen langsam wieder und sah verwundert in die Richtung, aus der die Stimme kam.
Meine Augen weiteten sich, als ich sah, wer dort auf einer Bank unter einem der Bäume saß. "Naomi?"
"W-Was machst du hier?", fragte sie leise und wischte sich mit dem Ärmel ihrer Uniform über die Augen. So, als würde sie Tränen abwischen.
"Hast du geweint?", fragte ich vorsichtig zurück und ging langsam auf sie zu. Sie schien zu merken, dass es sinnlos war, es vor mir zu verstecken, also nickte sie kaum merklich.
"Wieso?" Langsam setzte ich mich neben sie. Ich sollte von ihrer Anwesenheit genervt sein, vor allem, da V/N jeden Moment kommen könnte, aber ich war nicht so herzlos, ein Mädchen, das geweint hatte, einfach so zu verscheuchen.
"O-Osamu hat etwas zu mir g-gesagt. Ich kann doch nichts dafür.", schluchzte sie los und ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich nicht überfordert mit der Situation gewesen war. Erst ein Mädchen hatte sich in meinem Leben bei mir ausgeweint und das war V/N, kurz nachdem ihr Vater gestorben war.

"Was hat mein Bruder zu dir gesagt?" Ich runzelte die Stirn. Osamu war nie der Typ, der jemanden Beleidigungen an den Kopf warf. Von uns beiden behielt er immer den kühleren Kopf und dachte auch immer darüber nach, was er sagte.
Nicht so wie ich.
Naomi schniefte und strich sich eine Strähne ihrer Haare aus dem Gesicht. "Er hat gesagt, dass ich entweder meine Probleme mit mir selbst klären sollte oder mit anständiger Hilfe."
Ich senkte den Blick. Ich wusste, was für Probleme Naomi hatte und dass sie es nie für nötig gehalten hatte, sich Hilfe von einem Therapeuten zu beschaffen.
"Naomi, wenn das so weiter geht, solltest du wirklich mit deinen Eltern darüber sprechen, ob es nicht besser wäre, einen Therapeuten einzuschalten.", sagte ich leise. "Die können dir helfen."
"Ich brauch keine Hilfe!", schrie sie und sprang so heftig auf, dass ich aus Reflex direkt auch aufstand und einen schnellen Schritt auf sie zuging.
Bevor sie um sich schlagen und treten konnte, umklammert ich sie mit meinen Armen und drückte sie an mich.
"Shhh, alles wird gut.", flüsterte ich in ihre Haare und der übermäßige Geruch von Deo mit ein bisschen Schweiß mischte sich in meine Nase. War sie seit dem Training nach dem Unterricht nicht Zuhause?
"Lass mich los, Atsumu.", grummelte sie dumpf in meine Brust.
"Nein, versprich mir erst, dass du dir Hilfe holst."
Es folgte ein kurzes Schweigen, bevor sie endlich nachgab. "Na schön, aber nur weil du mich darum bittest."
Ich seufzte auf und drückte sie etwas von mir. "Du solltest nach Hause gehen. Es ist schon spät."
Die Spielerin nickte und setzte wieder ihr falsches Lächeln auf, aber diesmal war es, um ihre Müdigkeit zu verstecken. "Wir sehen uns morgen,... Tsumu." Sie sah so aus, als wollte sie noch etwas sagen, aber entschied sich doch dagegen.

Ich sah ihr noch hinterher, wie sie um eine Ecke verschwand, als ich mich fragend umsah. V/N war schon fünf Minuten zu spät. Wo blieb sie nur? Sie war nicht der Typ Mensch, der zu spät kam. Darauf hatte ihre Mutter immer sehr viel Wert gelegt, obwohl diese nie eine pünktliche Person war.
Wenn ich an damals zurückdachte, war Aiko N/N immer schon sehr cool gewesen und für V/N eher eine beste Freundin als ihre Mutter.
Ich sah mich wieder um - immer noch keine Spur von ihr. Ich ging ein wenig an der Hallenwand entlang und kickte dabei kleinere Steine von mir weg, als mir etwas ins Auge stach.
Ein kleiner Anhänger in Form eines Volleyballs lag im Staub und ich bückte mich, um ihn aufzuheben.
Den hatte wohl jemand hier verloren.
Ich drehte den kleinen Plastikball zwischen meinen Fingern und fühlte dabei eine kleine Kerbe im Kunststoff. Da wurde etwas reingeritzt. Beim genaueren Hinsehen erkannte ich zwei Buchstaben. Einmal ein krakeliges A und den Anfangsbuchstaben von V/N's Namen.
"Was zum...?" Dieser Anhänger gehörte doch V/N. Ich hatte ihn ihr damals zu ihrem zehnten Geburtstag geschenkt und gemeinsam haben wir dann unsere Anfangsbuchstaben reingeschnitzt, zur Erinnerung.

Aber... was machte ihr Anhänger hier? Hatte sie ihn heute verloren? Nein, soweit ich wusste musste sie laut ihrem Stundenplan nie hier vorbei, außer sie war in den Pausen hier, aber da saß sie immer mit Misaki Shoji auf der anderen Seite des Schulhofes.
Nein. Nein, nein, nein.
Eine dunkle Vorahnung blühte mir und ich riss die Augen auf. Das dürfte doch wohl nicht war sein.
V/N musste mich und Naomi zusammen gesehen haben und ist dann abgehauen. Anders konnte ich mir es nicht erklären. Deswegen war sie auch so spät. Aber warum ist sie weggelaufen? War sie etwa... eifersüchtig?
Nein, ich konnte mir einen solchen Gedanken nicht erhoffen. Das war doch Schwachsinn.
Warum sollte V/N eifersüchtig sein? Was war zwischen Schulschluss und ihrer Nachricht an mich vorgefallen?
Ich fuhr mir durch die Haare. Ich musste sie finden und zwar dringend. Ich musste das ein für alle mal mit ihr klären. Noch einmal würde ich sie nicht entkommen lassen. Ich würde nicht zulassen, dass sie mir noch einmal entgleitet. Nochmal könnte ich das nicht mitmachen.
Nicht, wenn es so sein würde wie vor fünf Jahren...

Ich rannte vom Schulgelände.
Nach zu Hause zurück gehen würde sie nicht. Nein, V/N brauchte einen Ort, wo sie alleine sein konnte. Wo sie niemand störte und sie so ihren Gedanken freien Lauf lassen konnte. Normalerweise käme mir direkt der alte Volleyballplatz nur ein paar Straßen weiter von unseren Häusern in den Sinn, wo wir als Kinder immer gespielt hatten, aber in diesem Augenblick wusste ich ganz genau, wo sie war.
Sie musste einfach dort sein. Denn ich bezweifelte, dass sie schon dort war, seit sie wieder zurück in Japan ist. Sie hatte zu viel Angst vor diesem Ort, auch damals schon.
Und so rannte ich voller Hoffnung zu dem einzigen Ort, wo sie jetzt sein konnte - der Kobe Foreigners Cemetery.
Dort, wo ihr Vater lag.

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Huhu, ich hoffe, dieses Kapitel hat euch gefallen, ansonsten wisst ihr ja, was ihr zu tun habt✨😉

Ich versuche, das nächste Kapitel schon morgen zu veröffentlichen, ansonsten kommt es am Freitag<3

Bis dann❤️

   - A

Old Friends // (Atsumu x Reader) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt