8.

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YOUR POV

Die nächsten zwei Wochen verliefen wie jeden anderen Tag auch. Und ich wünschte wirklich, es wäre anders.
Trotz des kleinen Aufstandes, den Atsumu in der Cafeteria gemacht hatte, änderte sich rein gar nichts. Ganz im Gegenteil sogar - es wurde noch schlimmer.
Atsumu machte jetzt vor nichts mehr Halt, um mir meinen Tag zu ruinieren. So war er aber schon damals auch gewesen. Immer, wenn er zu nah an das Feuer kam, sprang er am liebsten direkt hinein. Es war so, als würde er der Gefahr und der Herausforderung förmlich nachjagen.
Ich musste bei den Gedanken an früher lächeln und fing mir dafür einige fragende Blicke von Passanten ein, die um mich herumliefen.
Vor etwas mehr als drei Wochen war ich erst hier angekommen und jetzt saß ich wieder am Flughafen von Kobe und wartete darauf, dass wohl mein einziger Lichtblick in der bis jetzt nicht so erfreulichen Zeit aus dem Gate kam.
"V/N!", hörte ich jemanden rufen und ich sprang bei dem Klang dieser Stimme sofort von den Metallsitzen auf, die hier in Reihen aufgebaut standen. Hektisch hielt ich zwischen den herausströmenden Fluggästen nach einem roten Lockenkopf und braunen Augen Ausschau.
Und da war er. Lucas Clarke, wie er leibt und lebte. Seine feuerroten Haare standen ihm in allen Himmelsrichtungen vom Kopf ab und seine schokoladebraunen Augen funkelten vergnügt mit der Spätsommersonne, die durch die bodentiefen Fenster schien, um die Wette. Sofort rannte ich auf ihn zu und riss ihn in einer stürmischen Umarmung zu Boden. Fast hätte ich dabei seinen großen Koffer mit dem albernen Sticker von der englischen Flagge mitgerissen.
"Hallo, Beautiful.", lachte Lucas in einem etwas holprigen Japanisch. Sein englischer Akzent war dabei kaum zu überhören. Aber selbst wenn man ihn schon aus der Ferne sah, konnte man genau sagen, dass er keine ostasiatischen Wurzeln hatte.
"Ich habe dich vermisst.", sagte ich auf Englisch, als wir uns wieder aufgerappelt hatten.
"Ich dich auch, V/N. Ich bin so froh, dich endlich wiederzusehen. London war einfach nicht das Gleiche ohne dich.", seufzte er und fuhr sich durch seine Locken, die in der Nachmittagssonne die Farbe eines Kaminfeuers angenommen hatten.
Unbewusst strich ich ihm eine Strähne aus der Stirn und er sah mich grinsend an.
"Na, hat mich da jemand etwas zu sehr vermisst?", neckte er mich und ich schlug ihm spielerisch gegen den Oberarm.
"Ha ha, sehr witzig. Und jetzt komm, meine Mutter will dich unbedingt kennenlernen."

Auf der Taxifahrt zu mir nach Hause redeten wir über alles mögliche. Über das, was bei uns beiden in der Zeit passiert war, seitdem ich London wieder verlassen hatte, meine neue Schule und natürlich über den Volleyballclub. Die unglücklichen Vorkommnisse während der Schultage ließ ich erstmal außen vor. Das war ein Thema, dass ich nicht so nebenbei erzählen sollte und auch nicht wollte.
"Wie ist denn der Volleyballclub der Jungen?", fragte er plötzlich und ich zögerte. Ich hatte ihm erzählt, dass Atsumu und Osamu, zwei alte Kindheitsfreunde von mir, im Volleyballclub waren, aber mehr auch nicht.
"Ich weiß nicht. Ich kenn die einzelnen Mitglieder nicht wirklich. Nur einen von ihnen, aber das ist auch schon lange her. Ich habe ihn damals zusammen mit den Zwillingen in einem Volleyball-Workshop kennengelernt, sein Name ist Aran Ojiro."
"Ist sein Name japanisch?"
Ich musste kichern. "Nein, ist er nicht. Er hat auch ausländische Wurzeln, genau wie du."
Wir redeten noch lange so weiter, sodass ich nicht bemerkte, dass wir auf einmal schon da waren.
Selbst als wir aus dem Taxi stiegen, hörten wir nicht auf, zu reden. Wir hatten uns einfach so viel zu erzählen.
Nachdem ich den Taxifahrer bezahlt hatte und er wieder weggefahren war, bemerkte ich, wie sich Lucas neugierig in der Straße umsah.
"Wow, wirklich schön habt ihr es hier.", staunte der Spieler und ich musste wieder kichern. Wieso kicherte ich bloß so viel? Lag bestimmt an der Hitze.
"Also, wenn du diese Häuser und Gärten schon schön findest, dann komm mal mit." Ich führte ihn zu dem Tor, dass auf unser Grundstück führte, welches bis jetzt hinter der Mauer versteckt gewesen war, und somit Lucas den Blick darauf verweigerte.
Als der Rothaarige vor dem Tor stand, riss er die Augen auf. Er hatte wahrscheinlich noch nie ein traditionell japanisches Haus aus der Nähe gesehen. Und war bestimmt auch noch nie in einem drinnen.

Ich wollte gerade klingeln, damit meine Mutter wusste, dass wir bereits da waren, als wir Stimmen etwas weiter die Straße runter hörten. Erst dachte ich, es seien nur gewöhnliche Anwohner, aber als ich den Kopf drehte, wäre ich vor Schreck am liebsten weggerannt. Atsumu und Osamu verließen gerade ihren Vorgarten und gingen auf die Straße und direkt auf uns zu.
"Sind das nicht die Zwillinge, mit denen du so gut befreundet warst?", fragte Lucas und ließ meinen Arm sinken, der kurz vor der Klingel in der Luft verharrt geblieben war. Selbst wenn ich jetzt sturmklingeln würde, meine Mutter wäre niemals rechtzeitig an der Tür, bevor die beiden Miya-Zwillinge, die gerade zum Glück in irgendein Gespräch vertieft waren, uns bemerkten.
Lucas musterte die beiden mit fragendem Blick, so als müsste er sich selbst davon überzeugen, dass einer von ihnen als der beste Oberschulen-Zuspieler Japans bekannt war. Ich erkannte den Blick auf Lucas' Gesicht und das gefährliche Funkeln in seinen Augen.
Oh-oh.
Er sah dabei nur Atsumu an. Vielleicht, weil er in dem aufbrausenden und arroganten Zuspieler eine Gefahr sah.
Oder eher einen... Rivalen.
Ich war so auf den Volleyballer an meiner Seite fokussiert, dass ich überhaupt nicht bemerkt hatte, dass uns die Zwillinge schon längst bemerkten.
"Sieh mal einer an. Wen haben wir denn da?", sagte Atsumu mit einem Grinsen, aber es sah fast schon... gezwungen aus. Auch seine Stimme hatte ein bisschen an Arroganz verloren.
"Osamu, Atsumu.", begrüßte ich die beiden mit erhobenem Kinn. Wenn wir schon unter uns waren, dann konnte ich das auch mit gespieltem Selbstbewusstsein regeln.
"Wer ist denn dein Freund?", fragte Osamu und sein ruhiger Blick glitt von mir zu Lucas. Die Augen seines Bruders verengten sich minimal und wurden auch eine Spur dunkler. Ob er in Lucas auch einen Rivalen sah? Kein Wunder, schließlich konnte jeder Blinde erkennen, dass Lucas ebenfalls Volleyballspieler war.
"Mein Name ist Lucas. Lucas Clarke." Lucas streckte seine beiden Hände zu den Zwillingen und lächelte dabei frech. Ich musste bei seiner Begrüßung ein Schmunzeln unterdrücken, weil sie mich an James Bond aus Casino Royale erinnerte, einen Film, den wir mal zusammen geguckt hatten.
Auch wenn Osamu seine Hand nur gelangweilt betrachtete und sie schließlich annahm, Atsumu schien das gar nicht lustig zu finden. Ohne der ausgestreckten Hand vor ihm auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen, verschränkte er die Arme vor der Brust und musterte den Rothaarigen gefährlich.
"Sag mal, Lucas, du bist kein Japaner. Woher kommt du also und warum bist du ausgerechnet hier?"
"Atsumu." Ich starrte den Blonden wütend an. Er hatte extra etwas schneller und auch tiefer gesprochen, damit Lucas Probleme hatte, ihn zu verstehen. Aber Lucas war nicht schlecht in Japanisch, und auch wenn er einige Sachen noch nicht wusste, so müsste er Atsumus Frage gut verstanden haben.
"Ich bin Engländer und habe V/N während ihres Lebens in London kennengelernt. Als sie wieder geflogen ist, hat es mir mein Herz gebrochen, aber zum Glück wurde ich vom japanischen Komitee der U18 Volleyball League hierher eingeladen. Ich muss schon sagen, V/N und ich sind jetzt sehr gute Freunde.", beendete Lucas schamlos seine Ansprache in einem perfekten Japanisch und schlang einen Arm um meine Schultern. Atsumus Augen wurden noch schmaler und er biss die Zähne kaum merklich zusammen.
"Du wurdest von der U18 League eingeladen?", fragte Osamu und auch er klang überrascht. Mit einem letzten Seitenblick zu Atsumu wandte sich der Rothaarige nun an dessen Zwilling und zuckte unschuldig mit den Schultern.
"Was soll ich sagen, ich bin nunmal nicht ganz so schlecht in Volleyball, wie manche denken würden."
"Und welche Position spielst du?", fragte Atsumu leise und bei seinem Ton stellten sich mir die Nackenhaare auf. Seine vorherige Wut hatte er wieder durch ein jungenhaftes Grinsen verdeckt, aber Anzeichen davon waren immer noch in seinen schon fast völlig schwarzen Augen zu erkennen.
Das Grinsen auf Lucas' Gesicht verschwand jedoch und seine Aufmerksamkeit lag wieder auf Atsumu. Es war, als würden sich zwei Raubtiere gegenseitig ein Blickduell liefern.

Doch dieser Moment war genauso schnell vergangen, wie er gekommen war, und das übliche, zufriedene Lächeln schlich sich wieder in die Gesichtszüge des Rothaarigen.
"Ich bin Zuspieler.", gab er als Antwort und aus den Augenwinkel konnte ich sehen, wie Osamu beide Augenbrauen hob. Von Atsumu jedoch kam überraschenderweise keine Reaktion. Er starrte Lucas nur weiter ruhig an, als würde er hoffen, dass dieser jeden Moment wieder ans andere Ende der Welt verschwand.
"Was für ein lustiger Zufall.", sagte der blonde Zwilling plötzlich und seine Augen hatten jetzt eine endgültige Schwärze angenommen. "Ich nämlich auch."

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Huhu, ich hoffe, dieses Kapitel hat euch gefallen, ansonsten gerne Kritik in die Kommentare✨

Ich versuche so gut es geht, das nächste Kapitel direkt übermorgen zu veröffentlichen, nur wie so oft ist es bei mir leider wieder etwas stressig zur Zeit, aber spätestens Samstag sollte es auf jeden Fall da sein<3

Bis dann❤️

- A

Old Friends // (Atsumu x Reader) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt