21.

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OSAMU POV

Ihr ganzer Körper zitterte, als sie sich ganz zu mir umdrehte. Aber wenn das der einzige Weg war, um sie zum Reden zu bewegen, dann war es eben so. Es war schließlich nur die Wahrheit.
Tsumu war nie gut darin, es zu verstecken. Zu seinem Glück war V/N immer nur die einzige, die es nie bemerkte. Abends durfte ich mir dann immer anhören, wie schön V/N an diesem Tag mal wieder aussah oder wie gut sie den Ball abfangen konnte. Mein Bruder war ein Idiot. War er schon immer und würde er auch immer bleiben, aber wenn er liebte, dann mit seinem ganzen Herzen. Und auch wenn er V/N nach ihrer Ankunft auf die nicht ganz so feine Art behandelt hatte, so musste er selbst in diesem Moment damit klarkommen, dass die Person, die er über die letzten fünf Jahre hinweg zu vergessen versucht hatte, plötzlich wieder vor ihm stand.
V/N war damals seine ganze Welt - neben Volleyball - und als sie gegangen war, nahm sie seine Welt mit sich.

"Osamu?", fragte V/N leise und setzte sich erneut neben mich. "Was meinst du mit... lieben?"
Ich seufzte. Dafür wird er mich hassen. Aber dieser Trottel hätte es ja nie selbst zugegeben.
"Als du mit deinen Eltern in das Haus deiner Großeltern gezogen bist, stand Atsumu die ganze Zeit in unserem Vorgarten und hat über den Zaun hinweg beobachtet, wie du deinen Eltern beim Verladen der Kisten geholfen hast." Ich schüttelte leicht lächelnd den Kopf bei der Erinnerung. "Du warst gerade erst fünf geworden und hattest die ganze Zeit einen kleinen, pinken Koffer mit dir. Er hatte sich den ganzen Tag lang gefragt, was du wohl in diesem Koffer hattest."
"Ich hatte dort alte Sporthefte über Volleyball drin. Mein Vater hat sie mir geschenkt und weil ich Angst hatte, dass sich andere Kinder darüber lustig machten, weil sie Volleyball für blöd hielten, habe ich die Hefte immer in diesem pinken Köfferchen mit mir rumgetragen.", sagte sie leise und scharrte mit den Füßen auf dem erdigen Boden.
"Tagelang wollte Tsumu dich ansprechen, sich mit dir anfreunden, aber er war zu schüchtern."
Sie lachte sanft auf. "Ich weiß noch, wie du eines Tages zu mir kamst und mir sagtest, dass dein Bruder mich etwas fragen möchte."
"Er hasst mich immer noch dafür.", erwiderte ich. Eigentlich hatte ich das damals nicht für meinen Bruder getan, sondern nur, um endlich sein Gejammere nicht mehr hören zu müssen.
"Er hatte sich so gefreut, als wir in der Grundschule in die gleiche Klasse kamen." V/N's Stimme war leise, aber in ihr schwang auf einmal so viel Klarheit mit. "Wieso habe ich es damals nicht gesehen? Es war doch so deutlich vor mir."
Ich sah in den Himmel, der sich langsam orange färbte. "Ihr beide wusstet damals noch nicht, was Liebe überhaupt ist. Niemand von uns wusste das. Wir waren schließlich noch Kinder."
"Kinder, die einem Traum hinterherjagten. Und zwar die Besten in Volleyball zu werden." Sie kicherte. "Ich weiß noch, wie Atsumu mal gesagt hatte, dass wir später, wenn wir groß sind, in der großen Tokio-Arena gegeneinander spielen werden. Damals wussten wir auch noch nicht, dass wir offiziell nie gegeneinander spielen könnten, wegen der Geschlechteraufteilung." Sie wurde still und ihr Blick traurig. "Warum ich? Ich habe ihm doch mit meiner Abreise so viel Kummer bereitet."
"Ich schätze, man kann sich nicht aussuchen, in wen man sich verliebt. Manchmal hat man Glück, manchmal hat man Pech."
V/N sah mich an und ich wusste, was sie jetzt fragen würde. "Und findest du, er hatte bei mir eher Glück oder eher Pech?"
"Ich finde, bei dir hatte er Glück. Denn durch deine Abwesenheit konnte er erwachsen werden und über die Sachen nachdenken, die er tun würde, wenn du wiederkämst." Ich verzog das Gesicht. "Aber offensichtlich hatte er nicht nachgedacht. Überhaupt nicht."
Was zuerst mit einem kleinen Glucksen anfing, entwickelte sich schnell zu einem lauten Lachen, und als ich überrascht zu V/N sah, konnte sie sich kaum noch aufrecht halten. Erst nach mehreren Augenblicken, als sie sich noch mit dem Abklingen des Lachen die Tränen aus den Augen wischte, wurde sie wieder leiser.
"Wann hatte Atsumu schon einmal so richtig über etwas nachgedacht?", fragte sie, das Lachen immer noch nachschwingend.
"Auch wieder wahr.", grummelte ich und sah sie nachdenklich von der Seite an.

Old Friends // (Atsumu x Reader) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt