Kapitel 43

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[TW: Andeutung sexualisierter Gewalt]

Louis pov.

Immer wieder hört man Geschichten im Fernseher über Menschen, die sexuell genötigt und ohne Einverständnis berührt wurden. Menschen, die nie erwartet hätten, dass genau ihnen, sowas passieren könnte. Die immer vorsichtig waren, aufgepasst hatten und sich am Ende fragten, wieso ich? Es war nicht fair. Sie verdienten es nicht.

Keiner verdient diese Hölle.

Zu verstehen, dass es auf dieser Welt Menschen gibt, die sich das Recht rausnehmen, andere Menschen zu beschmutzen, sich an ihnen zu vergreifen, ist eine Sache, die unglaublich schwer zu begreifen ist und die nie einen Platz in meinem Kopf gefunden hat. Leider passieren solche Vorfälle aber tatsächlich öfter, als wir eigentlich glauben. Die Person, die neben dir im Starbucks steht, ein Lächeln auf den Lippen trägt und von Grund auf glücklich aussieht, weint die halbe Nacht und versucht die Gedanken zu verdrängen, das Erlebte aus dem Kopf zu streichen und damit abzuschließen.

Nicht vorstellbar, welche Kräfte man tagtäglich dafür aufbringen muss.

Und nicht nur auf der Arbeit passieren solche Vorfälle. Im Club, in einer dunklen Gasse, vielleicht im eigenen Familienhaus. Völlig gleichgültig ob es einer Frau oder einen Mann passiert. Mit tat es immer unendlich leid, weil sie nichts dafür konnten und trotzdem gaben sie sich die Schuld. Was ich nie verstand.

Denn es lag nie an dem angeblich zu kurzem Kleid, oder daran, dass man es angeblich viel zu spät erkannte. Und trotzdem verachteten sie sich, selbst nach Jahren.

„Wenn ich doch nur an dem einen Abend nicht feiern gegangen wären."

„Wenn ich doch nur mit dem Taxi gefahren wären."

„Wenn ich doch nur gekündigt hätten.."

Ja.. hätte ich das doch nur getan.

...

Mit Tränen in den Augen lag ich auf dem kalten, dreckigen Boden des Büros meines Chefs.

Ich war allein. Er war vor Stunden gegangen und ließ mich hier liegen wie ein Häufchen Elend, als wäre ich Abfall und nichts wert. Ein Stück totes Fleisch, mit dem man machen konnte, was man wollte. Ohne Gefühle. Ohne Empfinden.

„Schließ ab, wenn du gehst Tomlinson, bis morgen."

Die letzten Worte, die er mir zuwarf, bevor er endlich den Raum verließ.

Mein Körper zitterte. Seit Stunden tat er das. Ich hatte mich keinen Zentimeter von der Stelle bewegt. Mein Kopf schrie mich an aufzustehen, weit weg zu rennen, zu verschwinden aus diesem Höllenraum, aber meine Beine fühlten sich kraftlos an, ohne jegliche Energie. Mein gesamter Körper war kraftlos. Ich wollte so sehr hier weg, aber schaffte es einfach nicht.

Tränen liefen über mein Gesicht und schienen nie aufhören zu wollen.

Jetzt verstand ich es, ich verstand die Menschen. Es war meine Schuld. Ich hätte es wissen müssen. Spätestens nach Freitag, hätte ich es wissen müssen. Das mulmige Gefühl, als ich den Raum betrat. Ich hätte drauf hören sollen. Verdammt, es war meine Schuld.

Zum dritten Mal klappte ich zusammen bei dem Versuch aufzustehen. Ich schloss die Augen. Atmete tief durch. Aber die Bilder der letzten Stunde verfolgten mich und sicherlich würden sie das auch die nächsten Monate tun. Ich wollte ihn nicht sehen. Sein Gesicht. Sein dreckiges Grinsen. Nie wieder. Immer noch spürte ich seine Hände auf meiner Haut, das Gefühl als er in mich eindrang. So heftig es ging, schüttelte sich mein Kopf. Ich versuchte die Bilder rauszuschleudern, den Film zu stoppen, aber es gelang mir nicht. Innere Panik machte sich in mir breit.

It's ok to be with you | - Larry -Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt