11. Bruder

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Ich hatte gar nicht bemerkt, wieviel Zeit vergangen war, als Josh die Türe aufriss. Er sah mich mit weit aufgerissenen Augen an und sein Blick glitt über das ganze Chaos im Zimmer. Und ich saß mittendrin und sah mir die Bilder an. „Scheiße, was hast du hier angestellt? Er wird mich umbringen wenn er erfährt, dass wir nicht richtig auf dich aufgepasst hatten!“, sagte er aufgebracht.

Im nächsten Moment betrat dann auch schon Nathan sein Zimmer. „Was zur Hölle ist hier passiert?“, fragte er und sah Josh an. „Ich wollte nach ihr schauen und hatte sie eben so vorgefunden!“, sagte er unschuldig. Nath fuhr sich seufzend durch die Haare und schickte Josh dann raus.

„Wie ich sehe hast du meinen Schrank entdeckt. Und somit auch die privatesten Dinge meines Lebens. Und das kann ich dir nicht mal übel nehmen“, sagte er und sah mich an. Er bahnte sich einen Weg durch das Chaos und kniete sich neben mich. „Zeig mal her. Was hast du denn da gefunden?“, fragte er. Ich zeigte ihm das Foto seiner Familie.

Sein Blick wurde traurig als er das Bild sah. „Deine Familie? Wo ist sie?“, fragte ich behutsam. „Tod. Sie sind alle vor Jahren bei einem Autounfall umgekommen. Ich war der einzige überlebende“, erzählte er ruhig. Ich zeigte auf den größeren Jungen. „Er lebt“, sagte ich. Er sah mich kurz an. „Nein, auch mein großer Bruder ist auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben“, sagte er, aber ich schüttelte den Kopf.

„Nein, falsch. Er lebt. Ich kenne ihn“, sagte ich nochmal. Diesmal sah er mich länger an und schien zu überlegen. „Aber das ist doch unmöglich! Mir wurde gesagt er wäre Tod“, meinte er und sah mich ernst an. Wieder schüttelte ich den Kopf. „Ich habe ihn mehrmals im Labor gesehen. Er ist ein Werwolf“, sagte ich zu ihm. „Was? Wie ist das möglich? Warum wusste ich nie etwas davon? Bist du dir da wirklich sicher?“, fragte er. Ich nickte. Jetzt ging sein Blick ins Leere. „Weißt du seinen Namen?“, fragte er. Wieder nickte ich.

„Jackson“, sagte ich und seine Augen würden größer. „Du kennst ihn also tatsächlich!“, meinte er. „Sind an dem Tag wo du geflogen bist noch mehr entkommen? Weißt du ob er entkommen ist?“, fragte er. „Viele wurden getötet. Aber einige konnten entkommen. Ich habe ihn an dem Tag aber nirgends gesehen...“ Er stand auf und drückte fest das Foto in seiner Hand. „Es könnte also tatsächlich sein, dass mein Bruder Jackson noch irgendwo da draußen ist. Ich muss nach ihm suchen!“, beschloss er. Auch ich stand auf. „Ich helfe dir!“, meinte ich entschlossen. Er lächelte mich dankbar an und drückte mich an sich.
Dann erzählten wir es den anderen.

„Ihr wisst also nicht mal zu 100% ob Jackson noch lebt und wollt trotzdem nach ihm suchen? Ich hoffe das kommt jetzt nicht falsch rüber, aber was ist wenn er schon tot ist?“, fragte Will. „Es gibt keine Beweise, also müssen wir auf unsere Hoffnung vertrauen“, meinte Nath. Ich nickte als Zustimmung.

Am Abend ging ich in mein Zimmer und öffnete das Fenster. Kühler Wind flog mir entgegen und ich schloss die Augen. Der Wind trug immer so viele verschiedene Gerüche mit sich. Draußen scheinte der Halbmond mir hell entgegen und die Sterne funkelten zwischen den Wolken. Von hier aus konnte ich die ersten Bäume des Waldes sehen. Ich hatte Lust den Wald nachts zu erkunden, aber es wäre besser wenn ich hier bleibe, meinte Nath ja.

Also schloss ich mein Fenster wieder und sah auf die Uhr. Tatsächlich war es mittlerweile schon ziemlich spät geworden. Ich sah mein Bett an. Dann dachte ich an letzte Nacht und wie schön warm es an Nath's Seite war. Also schlich ich mich wieder in sein Zimmer. Er schlief schon. So leise wie möglich krabbelte ich über ihn drüber.

„Hey, was machst du denn schon wieder hier?“, fragte er mit müder Stimme. Ich sah ihn nur mit meinen schimmernden Augen an. Stumm kuschelte ich mich unter seine Bettdecke und rutschte so nah wie möglich an ihn ran. Ich spürte wie er sich leicht anspannte, als ich ihn berührte. Er hob leicht die Decke hoch um mich besser zu sehen. „Hör mal Cara, du kannst nicht jede Nacht bei mir schlafen. Immerhin hab ich eine Freundin. Und der würde das sicher nicht gefallen“, erklärte er.

Schonwieder diese dämliche Freundin! Er gehört mir! Ich drückte mich nun fest gegen seine Brust und ließ ihn nicht los. Er seufzte und legte die Decke wieder über mich. „Na schön. Aber nur noch eine Nacht!“, sagte er und legte dann auch seine Arme um mich. Sofort musste ich lächeln. Diese Ellie wird ihn mir nicht wegnehmen!

Als ich aufwachte spürte ich die Wärme immer noch neben mir. Sanft fuhr ich über Nath's Brust. Dieser schien davon wach zu werden und sah mich an. „Du bist echt anhänglich, weißt du das?“, sagte er mit rauer Stimme und streichelte mir sanft über meine zerzausten Haare. Plötzlich kam Will reingeplatzt und sah uns verdutzt an. „Aja. Ähm, was macht denn sie in deinem Bett?“, fragte er. Nath richtete sich auf und sah ihn an. „Sie ist ziemlich anhänglich und will nicht bei sich schlafen“, sagte er. Will's Blick landete auf mir. Ich schaute ihn nur mürrisch an und umarmte dann Will von hinten.

„Siehst du?“, sagte Nath. „Ich sehe das du wohl eine kleine Verehrerin hast, die zu einem großen Problem für dich werden könnte.“ Nath nickte.
„Gut, kommt jetzt. Es gibt Frühstück“, meinte er und ging wieder. Ich ließ Nath wieder los und krabbelte etwas ungeschickt über ihn drüber und landete dann auf dem Boden, wo er mich auslachte. Schnell stand ich auf und ging runter.

Nach dem Frühstück musste Nath wieder gehen. Ich wollte ihm wieder hinterherlaufen, wurde aber von Will aufgehalten. „Du bleibst hier. Aber keine Sorge, heute kommt er früher, da wir noch einen neuen Fernseher kaufen müssen“, erklärte er. „Ja, dank dir“, fügte Josh noch hinzu. Ich knurrte kurz in seine Richtung und verschwand dann in meinem Zimmer.

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