12. Platzangst

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Ich wartete und wartete und wartete... Solange bis Nath wieder zurück kommen würde. Ich starrte aus meinem offenen Fenster. Plötzlich öffnete sich ein Fenster des Gegenüber liegenden Hauses und ein junger Mann sah mich an. Genau mich. Ich schnüffelte in die Luft, um ihn zu riechen. Ich kannte ihn nicht.

Er wunk mir lächelnd zu. In einer Hand hielt er eine Tasse mit Kaffee drin. Ich konnte den bitteren Geruch bis hierher riechen. Plötzlich fing er an mich zu ihm zu winken. Er will das ich komme? Warum? Die Neugier trieb mich trotzdem aus dem Haus.

Ich stieg auf das Fensterbrett und rutschte das Dach hinunter. Mit einem Sprung landete ich perfekt auf der Wiese. Er sah mich verwundert an. Ich hatte schon bemerkt, dass du Reflexe von Menschen echt lahm sind. Ich lief über die Straße und blieb vor seinem Haus stehen. Ich konnte hören, dass er die Treppe runterlief. Er machte dir Türe auf und lächelte. „Hey! Wir sind hier neu eingezogen und da dachte ich ich sollte mal die neue Nachbarin kennenlernen!“, fing er an. Ich schnüffelte nochmal in seine Richtung. Er roch nicht nach Gefahr, aber er war nervös. „Ich heiße Luke. Und du?“, fragte er und hob seine Hand hin.

„Cara“, sagte ich knapp und ignorierte die Hand. Etwas verwirrt zog er sie zurück und lächelte mich weiterhin nervös an. „Ähm... Willst du vielleicht reinkommen?“, fragte er. Ich schüttelte den Kopf. Ich kenne ihn nicht und ich vertraue ihm nicht. „Also... Willst du dann vielleicht spazieren gehen?“

„Bringst du mich zu Nathan?!“, fragte ich sofort. „N-Nathan? Wer ist das?“, fragte er. Plötzlich wurde ich an der Schulter berührt. Sofort drehte ich mich um. Es war Will. „Heyyyy... Cara. Hier bist du also! Wir haben dich schon gesucht.“
Ich sah ihn nur stumm an. „Du musst unser neuer Nachbar sein. Schön dich kennenzulernen! Ich bin Will. Ich wohne mit ihr Nathan und Josh in diesem Haus dort“, erklärte er und zog mich etwas weg.

„Ah, verstehe! Ich bin Luke und mit meiner Mum hier vor kurzem eingezogen.“ „Schön. Na dann, wir haben noch zutun“, meinte Will und zog mich mit sich. „Cara, du sollst doch nicht ohne uns raus gehen! Diese Menschen dürfen auf keinen Fall herausfinden was du bist“, sagte er. Widerwillig ließ ich mich wieder ins Haus zerren.

Im Haus setzte ich mich aufs Sofa und sah Will böse an. „Du brauchst mich nicht so anschauen. Du weißt ganz genau, dass du nicht alleine raus sollst!“, sagte er mit verschränkt Armen. Ich schnaubte ihn nur abfällig an und verschwand dann in Nath's Zimmer. Hier roch es immer nach ihm und ich liebte seinen Geruch. Also rollte ich mich unter seiner Bettdecke zusammen und blieb solange dort bis er wieder da war.

Sobald ich die Türe zuschlagen hörte, stürmte ich runter und rannte ihn fast um. „Hey, ganz ruhig, Wirbelwind!“, meinte er und tätschelte meinen Kopf. Ich ließ ihn wieder los und lächelte ihn an. „Dieser Wirbelwind war heute schon unseren neuen Nachbar begrüßen. Ohne Erlaubnis“, sagte Will und betonte die letzten Worte besonders. „Aha, du weißt aber das du das nicht sollst. Aber egal. Lass uns jetzt erstmal einen Fernseher kaufen gehen“, sagte Nath. „Ja, und den darfst du nicht kaputt machen, klar?“, sagte Will und sah mich ernst an.

„Cara, du kommst mit. Du solltest langsam lernen unter Menschen zu kommen“, meinte Nath. Die drei Jungs stiegen in ein Auto. Josh am Steuer. Will daneben und Nath hinten. Er deutete auf dem Platz neben ihm. Ich soll in dieses enge Teil rein? Im Leben nicht! Sofort wich ich einen Schritt zurück. „Keine Angst. Wir sind alle da und dir wird nichts passieren“, sagte Nath. Ich schnüffelte an dem Auto und umrundete es einmal. Es erinnerte mich an den Käfig in den ich oft gesteckt wurde. In engen Räumen bekam ich sofort Panik und hatte keine Kontrolle mehr über mich.

Nath stieg nochmal aus und nahm meine zitternde Hand. „Du wirst nicht alleine sein. Ich werde die ganze Zeit bei dir sein“, sagte er und zog mich zum Auto. Er platzierte mich auf einen Sitz und setzte sich neben mich. Dann schlug die Türe zu. Der Schlag hallte noch in meinem Kopf wieder und sofort versteifte ich mich am ganzen Körper. Der Motor startete und ich zuckte zusammen. Wir fuhren.

„Du kannst dich entspannen. Es passiert nichts“, meinte Nath immer wieder. Ich konnte den nervösen Blick von Will auf mir spüren. Mein Herzschlag beschleunigte sich immer mehr und mein Puls stieg. Ich atmete hastig und versuchte bereits die Verwandlung aufzuhalten. Bei so viel Stress schien es mich aber fest zu zerreißen. „Halt an...“, flüsterte ich so leise das es kaum jemand gehört hatte. Meine Krallen waren schon ausgefahren und bohrten sich nun in die Kunstledersitze. „Ähm... Nath“, sagte Will und deutete auf meine Krallen, während ich wie in Schockstarre auf meine Füße starrte.

„Cara? Alles in Ordnung?“, fragte Nath. Seine Stimme klang extrem gedämpft und es war so wie als wäre er ganz weit weg. Meine Atmung klang mittlerweile mehr wie ein knurren. „Nath, ihre Augen glühen! Sie verwandelt sich gleich!“, rief irgendwer doch ich bekam es nicht mehr mit. Mein Körper veränderte sich und ihm nächsten Moment stand ich als Wolf da. Die Panik brach aus und ich knurrte alle zähnefletschend an. Ich sah alles nur noch verschwommen und konnte kaum etwas wahrnehmen. Josh drückte die Bremse durch und ich flog gegen den Sitz. Verwirrt  schüttelte ich den Kopf.

Ich wollte nur noch raus hier. Ich bekam keine Luft mehr. Ich sah zum Fenster und erkannte den Wald. Ich zögerte nicht lange und sprang durch das Fenster des Autos und rollte einen kleinen Abhang hinunter. Ich hörte wie sie aus dem Auto aussteigen und meinen Namen riefen. Als ich wieder zum liegen kam, stand ich auf und schüttelte mich. Scherben flogen aus meinem Fell und ich schwankte kurz. An einzelnen Stellen tropfte mein Blut zu Boden. Es waren aber nur einige kleine Schnittwunden.

Ich atmete tief durch und kam langsam wieder zu Sinnen. Ich hörte wie plötzlich jemand neben mir stand und knurrte sofort. „Alles ist gut. Ich bins nur, Nathan“, sagte er mir ruhiger Stimme. Nach einigen Sekunden konnte ich Nath endlich erkennen. Ich stellte meine angelegten Ohren wieder auf und knurrte nicht mehr. Nath kniete sich hin und hielt seinen Arm in meine Richtung. Sofort kam ich auf ihn zu und drückte entschuldigend meinen Kopf gegen seine Brust. Ich hätte sie fast alle umgebracht.

„Alles ist jetzt gut. Du bist jetzt draußen. Du musst nicht mehr ins Auto. Wir werden eine andere Lösung finden“, beruhigte er mich. Ich verwandelte mich wieder zurück und umarmte ihn fest. „Tut mir leid... I-Ich bekomme Panik in engen Räumen“, sagte ich und drückte mein Gesicht an ihn. Er streichelte sanft über meinen Rücken. „Das muss dir doch nicht leid tun. Was hältst du davon, wenn wir Auto fahren und du uns als Wolf verfolgst? Wenn du aufpasst das dich keiner sieht würde das gehen. Und anhand deines guten Geruches findest du uns sicher. Wir treffen uns dann wieder am Parkplatz, okay?“, fragte er. Ich nickte. So ist es viel besser als in dieses Auto zu gehen.

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