XXXIV

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"Sich verlieben ist nicht das Dümmste, was der Mensch tut - die Gravitation kann aber nicht dafür verantwortlich gemacht werden." - A. Einstein

Hogwarts, 1945

Vergessen war die Stimme, oder die Tatsache, dass Tom Riddle unnatürlich erschöpft wirkte, denn in diesem Moment hatte ich nur Augen für den Ring, während seine Worte einen komischen Nachhall in meinem Inneren erzeugten. Fast schien es so, als würde sich die Zeit krümmen, bis sie endlich vollends zum Stillstand kam, während ich nur auf den Mann vor mir schauen konnte, der mir noch immer diesen kostbaren Ring präsentierte, als wäre es ein Teil seiner Seele, den er mir anbieten wollte. Doch dann schien sich dieser Bann zu lösen und die Zeit nahm wieder ihre ursprüngliche Geschwindigkeit an und ich erwachte aus meiner Trance.

„Natürlich möchte ich dich heiraten", brachte ich hervor, noch immer überwältigt von dieser Wendung, aber inzwischen hatte ich die Aussage hinter seinen Worten so einigermaßen begriffen und eine unglaubliche Freude strömte durch meinen Körper. Rasch überbrückte ich die wenigen Zentimeter an Abstand, die zwischen uns lagen und zog ihn in eine enge Umarmung, die er, nach kurzem Zögern, erwiderte. Allerdings hätte ich schwören können, dass ich am anderen Ende des Steges eine Silhouette erkennen konnte, die sich kurz darauf in einzelne Nebelschwaden verflüchtigte, ehe ich erneut ein bedrohliches Wispern vernehmen konnte. Ich versuchte allerdings es als Einbildung abzustempeln, da ich mir diesen fantastischen Augenblick nicht durch irgendwelche Halluzinationen verderben lassen wollte.

Noch nie war ich so schnell zurück ins Schloss gerannt. Denn nach Toms überraschendem Heiratsantrag waren wir noch eine ganze Weile unten am See gesessen und hatten über meine UTZ-Prüfungen geredet, wobei er mir einige Tipps gegeben hatte, wie ich besser durch die Prüfungen gelangen würde. Außerdem hatte er das erste Mal von seiner Arbeit in der Nokturngasse erzählt und dass er dort eine sehr reiche Hexe namens Hezipah Smith kennen gelernt hatten, deren Sammlung an teuren Gegenständen er höchst interessant fand. „Kennst du sie?", hatte er mich gefragt, woraufhin ich nur ein Kopfschütteln antworten konnte, denn tatsächlich hatte ich ihren Namen noch nie gehört. Er schien etwas enttäuscht darüber zu sein, denn offenbar wollte er mehr über ihre privaten Schätze herausfinden, die sie offenbar hütete, wie ihren Augapfel. Doch als er merkte, dass ich ihm bei dieser Angelegenheit nicht helfen konnte, wechselte er das Thema zurück auf die Schule.

So kam es also, dass es bereits weit nach Mitternacht war, als ich den Turm der Ravenclaws erreichte, glücklicherweise ohne gesehen zu werden, und vor dem schlaftrunkenen Türklopfer stand, der nur schwer sein Rätsel hervorbrachte. „Ich steige und gleichzeitig falle ich, was bin ich?", das Rätsel klang etwas halbherzig, was vermutlich an der fortgeschrittenen Uhrzeit lag und dennoch fiel es mir äußerst schwer eine Lösung für dieses zu finden. Denn der Gedanke daran gleich Ane von dieser unglaublichen Wendung zu erzählen, erfüllte mein ganzes Gedächtnis, weswegen ich erstmal tief durchatmen musste, bevor ich eine Antwort gab.

„Eine Treppe", entgegnete ich der Tür, die daraufhin mit einem leisen Knarzen aufsprang und das Innere des Gemeinschaftsraumes freigab. Im Kamin glühten die letzten Holzscheite, wodurch es angenehm warm war, was eine wahre Wohltat für meinen durchgefrorenen Körper war. Allerdings fiel mein Blick sofort auf eine schlafende Gestalt, die in einem gemütlichen Ohrsessel neben dem Kamin saß. Es war Ane, die offenbar auf mich warten wollte, während sie sich weiter durch die Berge an Stoff arbeitete, denn auf ihrem Schoss lag ein aufgeschlagenes Exemplar von Zaubertränke für Fortgeschrittene.

„Ane?", wisperte ich, während ich sie vorsichtig an der Schulter anstupste, woraufhin sie zusammenzuckte und rief: „Ich bin wach! Ich bin wach! Juliet! Du hast mich aber erschreckt!", ehe sie für einen Moment innehielt, in dem ihr wohl aufgefallen war, weswegen wir beide um diese Uhrzeit noch auf den Beinen waren. „Wie war es?", und fast so als hätte ich nur auf dieses Zeichen gewartet, sprudelten sämtliche Ereignisse des Abends aus mir heraus, ehe ich ihr stolz den teuren Ring zeigte, der an meiner Hand prangte, allerdings hatte ich zusammen mit Tom beschlossen, dass ich ihn erst nach meinem Abschluss offiziell zur Schau stellen würde. Natürlich war meine Freundin völlig aus dem Häuschen und erkundigte sich nach jedem einzelnen Detail des Antrages, worauf ich ihr gerne Rede und Antwort stand, denn ich spürte, wie meine eigene Begeisterung nur noch größer wurde, je mehr ich darüber sprach.

Afterglow - TOM RIDDLE Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt