IX

2.9K 120 0
                                    

"A sister can be seen as someone who is both ourselves and very much not ourselves - a special kind of double." - T. Morrison

Alnwick Castle, 1942

„Wir sollten dann losgehen", erklang es etwas peinlich berührt von ihm, während er auf eine imaginäre Uhr tippte. Rasch verabschiedeten meine Schwester, Mutter und ich uns von Sarah, ehe wir nach unten liefen und dort in eines der Fahrzeuge stiegen, das dort auf uns wartete. Das Automobil war ebenfalls mit Blumen und Kränzen geschmückt, selbst wenn ich mich fragte, ob diese bei dieser Kälte lange hielten, außer sie waren natürlich verzaubert. Glücklicherweise hatte es in den letzten Tagen etwas geschneit, weswegen der Weihnachtszauber, den Sarah sich so sehnlichst gewünscht hatte, perfekt war. Trotzdem war ich ganz froh, dass heute die Sonne schien, denn somit war es nicht ganz so eisigkalt und außerdem funkelte der gefrorene Schnee romantisch im Sonnenlicht. „Ist es nicht komisch, dass wir dieses Jahr eine Hochzeit feiern, anstatt Weihnachten?", kam es belustigt von Mary, nachdem wir zusammen im Wagen Platz genommen hatten. Hinter uns waren Mutter und die alte Duchess von Northumberland eingestiegen und man konnte erkennen, dass beide Frauen den Tränen nahe waren. „Keine Sorge, ich habe den Hauselfen gesagt, dass sie die Geschenke trotzdem unter den Baum legen sollen, wir können sie ja morgenfrüh öffnen", erklärte ich ihr und augenblicklich zeichnete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht ab.

Es war wirklich ein herrlicher Morgen an diesem 25. Dezember, was durchaus auch an den Umständen unseres Beisammenseins lag. Die meisten Gäste waren bereits in der Carlisle Cathedral eingetroffen, als meine Schwester und ich aus dem Wagen stiegen und durch einen kleinen Seiteneingang zu unseren Plätzen kamen. Nervös nahm ich neben meiner Großmutter Platz, die sich ein wenig gelangweilt mit ihrem Sitznachbarn unterhielt. Lady Roslyn Cavendish war eine sehr beeindruckende Frau, die trotz ihres hohen Alters immer sehr elegant gekleidet war, zudem hatte sie eine unglaubliche Ausstrahlung und ich hoffte immer inständig, dass ich niemals ihren Zorn auf mich ziehen würde. Allerdings konnte man ihr deutlich ansehen, dass ihr gar nicht gefiel, dass so viele Muggel anwesend waren, denn sie schenkte den meisten Lords und Ladies, die sie begrüßten, nur abfällige Blicke. „Was für ein Aufruhr, nur damit alle zufrieden sind", wandte sie sich an mich, woraufhin ich nur schwach nickte. „Mary, mein Schatz", fuhr sie dann fort und beugte sich etwas weiter nach vorne, wobei sie sich auf ihren goldenen Gehstock stützen musste, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren und vom Stuhl zu fallen. „Ja, Großmutter?", kam es trällernd von meiner Schwester, obwohl ich wusste, dass Roslyn die einzige Person war, mit der Mary nicht klarkam. „Du hast zugenommen, das sehe ich deutlich. Vielleicht solltest du zur Vernunft kommen und endlich diese unbedeutende Arbeit im Sankt Mungo's aufgeben. Ich hätte schon den passenden Ehemann für dich, mein Liebes", ihre Worte klangen ziemlich harsch, zumindest für einen Außenstehenden, allerdings wusste ich, dass meine Schwester sich davon nicht klein kriegen ließ, weshalb sie nur gehässig grinste.

Glücklicherweise betraten genau in diesem Moment der König von Großbritannien und seine Frau die Kirche, weshalb ein allgemeines Raunen durch die Reihen ging. „Stattlicher Mann, nur leider ein Muggel", kommentierte meine Großmutter sein Erscheinen und musterte abschätzig die Verzierungen der Kirche. Nachdem sich die allgemeine Unruhe gelegt hatte, wurde Mendelssohns Hochzeitsmarsch auf der Orgel angestimmt, weswegen sich ein andächtiges Schweigen in dem großen Raum ausbreitete. Vorne am Altar stand bereits Henry, der zugegebenermaßen ziemlich nervös wirkte, weswegen wohl sein Bruder und gleichzeitig Trauzeuge etwas auf ihn einflüsterte. Wobei Henry immer wieder an seiner Fliege zupfte, als würde sie nicht bereits perfekt sitzen. Ursprünglich hatte Sarah sich gewünscht, dass Mary und ich ihre Brautjungfern werden, allerdings hatte ihre Schwiegermutter es nicht für gut befunden, dass lauter Hexen diesem religiösen Ritual beiwohnten, weswegen sie sich für eine junge Adlige entschieden hatte, mit der sie früher einmal befreundet gewesen war. Zudem wäre ich sowieso noch zu jung gewesen und Mary hatte sich auch nicht um den Posten bemüht.

Afterglow - TOM RIDDLE Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt