XVII

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"Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich, jede unglückliche Familie ist unglücklich auf ihre Weise" - L. Tolstoi

Chatsworth House, 1943

Das Wetter in Derbyshire spiegelte meinen Verlust und meine Trauer nur zu gut wieder. Dicke Wolken hingen über dem prächtigen Anwesen und es schien fast so als wäre alles in seinen Kummer vertieft. In den leeren Gängen von Chatsworth House hing eine bedrückende Einsamkeit und der einzige Raum der momentan häufig genutzt wurde, war der Salon, in dem wir schweigend unseren Tee zu uns nahmen, sowie sämtliche Mahlzeiten, denn Vater hatte gesagt, dass ihm im Augenblick nicht danach war im Dining Zimmer zu essen. Es lag an Mary, natürlich lag es an ihr, so wie alles in den vergangenen drei Tagen, seitdem ich zusammen mit Nigel, ziemlich überstürzt, hier angekommen war. Meine mittlere Schwester hatte Feste im Kreise der Familie geliebt, weswegen es uns nun grausam erschien an dem großen Esstisch zu sitzen – ohne sie.

Manchmal sah ich auch, wie Sarah im ehemaligen Zimmer unserer Schwester verschwand und als ich einmal nachgesehen hatte, was sie dort tat, hatte ich gesehen, wie sie stumm weinend auf Marys Bett gesessen hatte. Auch unsere Mutter wirkte wie ausgewechselt, oft verschwand sie für stundenlange Spaziergänge irgendwo auf dem Anwesen oder sie besuchte, die Familienkrypta in der Mary morgen bestattet werden würde, wo sie zwischen den Marmorstatuen unserer Vorfahren umher wandelte. Ich hatte fruchtbare Angst vor der morgigen Beerdigung und schon beim bloßen Gedanken daran, hätte ich augenblicklich anfangen können zu weinen, denn ich wollte nicht das unschuldige Gesicht meiner Schwester sehen, dass in den hellen Stein gemeißelt war, genauso wie das unserer Urgroßeltern, die wenigstens ein langes und erfülltes Leben gehabt hatten. Und noch weniger wollte ich vor dem geöffneten Sarg meiner geliebten Mary stehen, um in ihr leichenblasses Gesicht zu sehen, das nie wieder ein Lächeln hervorbringen würde.

Wer mich aber am meisten entsetze, war Nigel, der sich oftmals stundenlang in seinem Zimmer verkroch, nichts aß, weswegen er auch dementsprechend abgenommen hatte und wenn er sich dann einmal blicken ließ, funkelte der pure Hass in seinen Augen, weshalb wir kaum noch mit ihm sprachen. Vater hatte einmal versucht ihm gut zu zureden, da er dachte, dass unser Bruder nicht wusste, wie er mit seiner Trauer umgehen sollte, daraufhin hatte Nigel „Stupor!", quer durch den Gang geschrien, mit dem Ziel unseren Vater zu treffen, was dieser natürlich gekonnt abgeblockt hatte. Allerdings hatte seither keiner mehr versucht auch nur einen Satz mit ihm zu wechseln und es schien auch so als wäre mein Bruder nicht sonderlich erpicht auf unsere Gesellschaft. Viel mehr sah ich, wie er jeden Abend zur Eulerei lief, um dort eine Eule loszuschicken. Jedoch wusste ich nicht wohin sie flog, oder welchen Inhalt die Briefe hatten, die er ihr ans Bein band und ich traute mich auch nicht ihn danach zu fragen.

Am Abend vor Marys Beerdigung reiste unsere Tante Rosamunde aus London an, die theatralisch meiner Mutter um den Hals fiel, da sie sich so große Vorwürfe machte – das taten wir alle, vor allem Sarah, da sie meiner Spekulation mit der Ahnenmagie keinen Glauben geschenkt hatte. Meine Eltern hatten natürlich schreckliche Gewissensbisse, da sie dachten, dass sie Mary früher nach Chatsworth House hätten holen müssen. Doch wie die Ermittlungen ergeben hatten, war es ein tragischer Unfall gewesen. Einer der verwirrten Patienten des Sankt Mungos hatte offenbar Marys Zauberstab entwendet und ihn gegen sie gerichtet. Er konnte sich aber im Nachhinein nicht mehr an seine Tat erinnern oder weshalb er es getan hatte, weswegen er weiterhin in der geschlossenen Abteilung verweilte und nicht nach Askaban geschickt wurde. „Ein Arbeitsunfall, der hätte verhindert werden können!", jammerte Rosamunde beim Abendessen, wofür sie einen vorwurfsvollen Blick unserer Großmutter erntete, jedoch wusste ich, dass auch ihr Marys Ableben ziemlich nahe ging.

Ich befand mich in einem komischen Strom der Gefühle als ich nach dem Dinner zurück in mein Zimmer ging. Das Abendessen hatte ich wie üblich links liegen gelassen, denn beim besten Willen konnte ich nun auch nur einen Bissen runterbringen.

Afterglow - TOM RIDDLE Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt