XI

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„Wenn wir dort sind,
wo du jetzt bist,
werden wir uns fragen,
warum wir geweint haben." - Unknown

Hogwarts, 1943

„Was?", platze es ungläubig aus mir heraus, während ich zwischen beiden Mädchen hin und her sah. Aber ihre Gesichter zeigten mir deutlich, dass es sich nicht um einen schlechten Scherz handelte. „Aber wie?", stammelte ich, denn ich hatte immer angenommen, dass Hogwarts einer der sichersten Orte der Welt war. Und selbst wenn ich Myrte Warren nie sonderlich hatte leiden können, fühlte ich mich hundeelend, denn sie war trotz allem eine Ravenclaw gewesen und zudem hatte sie drei Jahre im selben Schlafsaal genächtigt. „Man weiß es noch nicht", erklärte Evangeline. „Es tut mir so unendlich leid", schniefte Ane und fiel mir mit ihrem nassen Gesicht um den Hals. „Was tut dir leid?", kam es verwundert von mir, denn ich konnte die Reaktion meiner Freundin beim besten Willen nicht deuten. „Ich habe dir doch gesagt, dass du mir helfen sollst sie zu suchen und du warst gerade auf den Weg in den zweiten Stock. Stell dir nur vor was passiert wäre, wenn du nicht ohnmächtig geworden wärst. Dann....dann hättest du Myrte gefunden oder noch schlimmer...wärst vielleicht auch gestorben", sprudelte es aus ihr heraus, wobei noch immer Tränen über ihre verquollene Haut rollten. „Ich habe ihr gesagt, dass das Schwachsinn ist, aber sie wollte nicht hören", warf Eva trocken ein und reichte der Ravenclaw ein Taschentuch. „Da stimme ich Eva vollkommen zu. Woher hättest du denn wissen sollen, was mit Myrte passiert ist und außerdem ist mir ja nichts passiert. Naja zumindest nichts schlimmes, aber das war ja im Nachhinein wohl eher von Vorteil", versuchte ich Ane zu beruhigen, was sogar Wirkung zeigte, denn ihr hektischer Schluckauf ließ langsam nach und sie schenkte mir sogar ein schwaches Lächeln.

„Woran ist sie... nun ja", ich brachte es nicht fertig die Worte auszusprechen, da sie dann offensichtlich real werden würde. Nennt mich eine Heuchlerin doch es erschütterte mich tatsächlich bis in Mark, dass so etwas in Hogwarts möglich war. „Man weiß es noch nicht", antwortete mir Eva, obwohl ich meine Frage nicht vollends über die Lippen gebracht hatte. „Allerdings ist die Schule in heller Aufregung und es wurde sogar schon über eine Schließung gesprochen, falls man den Täter nicht bald finden sollte", fuhr Evangeline fort, weswegen mir ein kalter Schauer über den Rücken kroch. Meine beiden Freundinnen nickten daraufhin nur stumm. „Und was ist mit Tom Riddle?", durchbrach ich unser eisiges Schweigen nach einigen Minuten, denn ich hielt es fast nicht aus nur dumm in meinem Krankenbett zu liegen, während dort draußen die pure Hölle ausgebrochen war. „Nun ja, soweit ich weiß hat er dich hergebracht und war auch so lange bei dir, bis ihn die Nachricht von Myrtes Tod erreicht hatte. Natürlich ist er sofort los gegangen, um einige Nachforschungen anzustellen, immerhin ist er ja Vertrauensschüler und wir sind kurz darauf gekommen, also warst du nur kurz alleine und du warst ja sowieso nicht bei Bewusstsein", erklärte mir Eva und bekam dafür einen bösen Blick von Ane, aber es war mir egal, dass ich alleine im Krankenflügel gewesen war. „Er war also die ganze Zeit bei mir?", hakte ich unsicher nach. „Oh ja, er war offenbar ziemlich besorgt um dich. Schließlich bist du einfach so zusammengebrochen", versicherte mir meine schottische Freundin, weswegen mein Herz einen Schlag aussetzte. Tom war also wirklich besorgt um mich gewesen. Doch nur einen Augenblick später machte sich ein schreckliches Schuldgefühl in meinem Körper breit, vielleicht hätte ich Myrte ja noch retten können, wenn ich nur nicht ohnmächtig geworden wäre. „Naja, jetzt geht es mir ja wieder gut", meinte ich kleinlaut und schaute auf die schneeweiße Bettdecke. „Bestimmt darfst du morgenfrüh schon wieder gehen", versuchte Ane mich aufzubauen. „Ja vielleicht, ich wäre nur froh, wenn Myrte auch einfach nur aus dem Krankensaal entlassen werden müsste", murmelte ich traurig und eine einzelne Träne rann über mein Gesicht. „Das wären wir alle", wisperte Eva. „Vielleicht sollten wir kurz eine Schweigeminute für sie einlegen", schlug Ane vor, was wir anderen mit einem Nicken bejahten. So fasten wir uns also gemeinsam an den Händen und saßen schweigend im Krankenflügel. Im Nachhinein wusste ich nicht mehr genau, wie lange wir so dagesessen hatte, doch irgendwann mussten meine Freundinnen zurück in ihre Gemächer. Ich bekam ein leichtes Schlafmittel, das mir einen traumlose Nacht bescherte und am nächsten Morgen durfte ich wirklich wieder am Frühstück teilnehmen.

Afterglow - TOM RIDDLE Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt