Kapitel 28

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Die winterliche Atmosphäre ist überall zu erkennen. Die Läden sind mit Weihnachtslichter geschmückt. Die Luft riecht nach Weihnachtsgebäcke und Zimt. Die Menschen sind fröhlich und warten gespannt auf Weihnachten.

Ich dagegen fühle mich wie der Grinch höchstpersönlich. Harrys Aktion hat mich verändert. Ich habe mich verändert.

Im Büro erledige ich meine Aufgabe, wie immer, mit dem einzigen Unterschied, dass meine Kollegen Angst vor mir haben. Ist mir eigentlich Recht, denn nur so respektieren sie mich.
Der Auftrag von ‚Angel' ist voll im Gange, alles läuft perfekt, bis auf die Tatsache, dass ich mein Herz verschlossen habe.

Ist mir aber auch egal, solang ich so vermeiden kann, dass mich irgendjemand erneut verletzt.
Harry hat diese Nachricht auf WhatsApp gelesen, darauf geantwortet hat er aber nie.
Soll mir auch recht sein. Ich lüge, wenn ich sage, dass ich die Trennung gut überstanden habe, habe ich nicht, aber meine Emotionen auszuschalten verhindern, dass ich in Grund und Boden versinke.

Jetzt sitze ich hier im mein eigenes Auto und überfahre die Grenze, die mich in Holmes Chapel willkommen heißt.

Ich bin zu Hause.

Die kleinen Häuser sind mit Schnee bedeckt und kleine Kinder bauen kleine Weihnachtsmänner.

Alles wie beim Alten.

Knappe zehn Minuten später parke ich in der Einfahrt meines Hauses.
Ich atme einmal tief durch und steige aus.

An der Türschwelle geht dir Tür schwungvoll auf und meine Familie ist vor ihr versammelt: meine Mum, mein Vater, Sofia und mein Opa.

Zum ersten Mal nach Monate bildet sich ein echtes Lächeln auf meine Lippen.
„Willkommen zu Hause.", singen sie wie auf Knopfdruck.
Ich schließe sie alle in den Armen und genieße die Zuneigung meiner Familie.

Ich nehme ein bekanntes Geruch wahr und grinse vor mich hin.
„Nein! Ist nicht wahr?", frage ich überrascht.
„Was für ein Weihnachten wäre es ohne ‚Pittule'?!", sagt meine Mum. Kaum hat sie die Worte ausgesprochen flüchte ich in der Küche wo DAS ESSEN schlechthin steht.

Jemand soll mich kneifen und jemand soll schleunigst mein Sabber abwischen.
Ich habe Mamas Küche mindestens genau so vermisst wie sie selbst.

Ich nehme Sofia auf mein Schoß, die viel größer geworden ist. Das letzte Mal ist sie kaum gelaufen und jetzt rast sie durch die Gegend wie eine Wilde.
Ich schimpfe mit mir selber als meine Gedanken auch an Harry schwanken.

Harry ist Tabu in London und erst recht hier in Holmes Chapel.
Der Abend verläuft schnell, vor allem wenn Papa und Opa ihre legendären Geschichten erzählen. Da kann die Zeit nur wie im Flug vergehen, oder?

„...und dann hat sich Grandpa umgedreht und so getan als wäre diese Fremde ihre Tochter.", sagt mein Vater unter Tränen.

„Natürlich mein Sohn. Weißt du wie peinlich es sonst gewesen wäre. Wenigstens kann ich jetzt sagen, dass ich eine Tochter habe." fügt mein Opa hinzu.

Die Gelächter im Raum sind nicht zu überhören und ich kann mich auch nicht mehr zurückhalten. Zwar ist diese ‚Tochter' frisch dazu gekommen, aber es ist doch immer schön die Familie zu erweitern.

Als ich kaum die Augen offen halten kann, kündige ich mein Rückzug an. Ich nehme Sofia in den Armen und schleppe sie in mein altes Zimmer.
Ich habe sie wirklich vermisst und das einzige was ich will, ist jetzt neben ihr zu schlafen und ihrem ruhigen Schlaf wahrzunehmen.

...

„Frohe Weihnachten", schreie ich durch das Wohnzimmer.
Alle waren hellwach, naja bis auf Sofia, die sich müde in mein Schlafanzug verkrochen hat.

Heute ist Heilig Abend.
Der Tag, den man mit der Familie verbringt und genießt und das werde ich auf jeden Fall tun.

„Schatz?..." meine Mutter schaut mich an und nimmt Sofia in den Armen „könntest du noch vor zwölf Uhr Brot holen? Ich habe es Gestern beim Einkaufen vergessen und später macht alles dicht.", fragt sie.

Ich nicke und gehe schnell in mein Zimmer. Ich greife nach einer Jeans und ein Pullover und schon bin ich wieder im Eingangsbereich. Ich ziehe mir meine geliebte Dr.Martens an und flitzte auf die Straße.

Ich zünde eine Zigarette an und latsche durch die Straßen von Holmes Chapel. Nichts, rein garnichts hat sich verändert.

Als ich vor dem ‚W Mandeville' stehe, schnippe ich die Reste meiner Zigarette weg und betrete die kleine Bäckerei, die ich als Kind geliebt habe.

„Guten Morgen.", rufe ich etwas lauter, damit mich Enisa gut hören kann.
„Guten Mor- Das ich nicht umfalle. Olivia bist du es?", fragt die rundliche, mittlerweile etwas älter gewordene Enisa.
„Ja, die bin ich." und lächle sie an.
„Kleines, lass dich mal anschauen. Du bist so groß geworden. Ich erinnere mich noch als du das erste Mal durch diese Tür hineinspaziert bist. Du warst so klein, dass ich dich fast übersehen habe.", sagt sie verträumt, während sie sich hundert prozentig eine kleine Olivia vorstellt.
Das macht sie jedes Mal und jedes Mal finde ich ihre Reaktion mehr als nur goldig.

Nachdem Oma gestorben ist, ist sie zu meiner Ersatzoma geworden.
„Na ich Schussel. Was kann ich dir anbieten? Vielleicht eine Zuckerstange, wie damals als du noch klein warst.", „Nein, danke. Nur etwas Brot." sie nickt eifrig und übergibt mir eine Papiertüte. „Obwohl, doch! Ich will die Zuckerstange auch haben."
„Manche Dinge ändern sich nie.", stellt sie zufrieden fest.

Ich bezahle, wünsche ihre noch frohe Weihnachten und liefere mich wieder der Kälte aus.

Ich spaziere entlang des Parks als es anfängt zu schneien. Anstatt nach Hause zu rennen, genieße ich die Schneeflocken auf meine Haare und beobachte wie einzelne Straßen noch weißer werden.

Ich biege eine Straße ab, als mir ein bekanntes Gesicht vorbei joggt.

Das kann doch nicht sein!
Was macht er hier?

Harry...

„HARRY", schreie laut durch die Gegend um ihn klar zu machen, dass er stehen bleiben soll.
Du wirst noch ein blaues Wunder erleben Styles!

Doch als er es nicht tut, renne ich los.
„HARRY BLEIB STEHEN!", sage ich noch lauter, doch nichts.

Als ich dann die Straße abbiege, die er auch abgebogen ist, sehe ich ihn nicht mehr.

Aber wie ist das möglich, das hier ist eine Sackgasse!

Ich drehe durch.
Ich muss durchdrehen. Es gibt doch keine andere Erklärung.

„Fahr zur Hölle Styles!Halluzinationen sind das einzige was mir noch gefehlt haben!", sage ich laut.

„Und Selbstgespräche führe ich seit Neustem auch noch!" und mache mich wieder auf dem Heimweg.

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