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Emily war nun doch ziemlich verwirrt.
Warum lachte Mikael denn nun so?
Und warum brachte er sie in eine Engelsschule?
Da endlich beruhigte er sich wieder und sah sie amüsiert an.
„Die Prüfungen der inneren Haltung bestehst du mühelos, Emily, jedoch ist es letztlich nicht an dir zu entscheiden wer oder besser gesagt was du bist. Ob du nun ein Engel sein möchtest oder nicht... Du bist es schon längst.
Also gehe nun mit Metadron. Ich werde morgen nach dir sehen."
Emily sah zu dem Fremden Engel auf und runzelte die Stirn. „Aber ich möchte wirklich nicht lernen menschliche Seelen in ihrem Glauben und ihren Hoffnungen zu zerstören und ihnen jede Perspektive und Zukunft zu verweigern. Sowas tue ich nicht! Ganz egal was ihr sagt.
Wenn es solche schlechten Regeln hier gibt und ich mich daran halten soll, sage ich lieber jetzt gleich das ich es nicht werde. Also wieso auf eine Schule gehen, die schlechte Engel hervorbringt? Was soll ich da lernen?"
Metadrons Brauen schnellten bis zu seinem Haaransatz hinauf.
„Schlechte Engel? - Wo? ... Was ist geschehen, Bruder?", fragte er Mikael erstaunt.

Der seufzte leise auf und trat wieder zu Emily hin die nun betrübt aber auch trotzig zu Boden blickte. „Ohne jemanden beleidigen zu wollen... Doch diese Engelwächter am Baum der Erkenntnis gehören in meinen Augen viel eher zu den Dämonen. Sie machen sich sogar offen lustig über die wartenden Menschenseelen. Die sollten dort nichts entscheiden dürfen.
Denn selbst wenn jene Seelen dort launenhaft und ungeduldig waren, nach 1000 Leben oder sogar noch mehr, würde ich das sicher auch sein, wenn man mich dort immer wieder zurückschicken und abweisen Würde., obschon ich sogar all meine weiteren Leben damit verbringe alles um mich herum so gut wie möglich zu tun und alles Leben zu ehren.
Sie müssen so verzweifelt sein. Das ist wirklich nicht recht. Es nimmt dem Himmel seinen Glanz und den Engeln ihre Heiligkeit."

Mikael legte einen Finger unter ihr Kinn und hob es sachte an. Sein Ausdruck war nun wieder vollkommen ernsthaft. „Dann sage mir doch Emily, was würdest du mit jenen Engeln tun, welche in deinen Augen versagt haben. Was würdest du ihnen zur Strafe auferlegen, wenn du die Macht dazu hättest zu entscheiden?"
Emily sah ihn gerade heraus an.
„Meine Oma hat nur die Volksschule abgeschlossen. Als Frau konnte sie früher nie so viel lernen wie sie wollte und auch nicht studieren. Aber sie war sehr klug.
Und sie hat immer zu mir gesagt, was du nicht willst das man dir tu, das füge keinem anderen zu.
Das finde ich gerecht und richtig. So habe ich bisher immer gelebt. Wenn ein Obdachloser auf der Straße lag, habe ich ihm etwas zu essen oder zu trinken gekauft, denn ich habe mir vorgestellt wie es für mich wäre dort am Boden zu sitzen und zu sehen wie alle an mir vorbeigehen, und ich langsam verhungern oder verdursten muss.

Das wollte ich auf keinen Fall.

Also habe ich ihm etwas von meinem Taschengeld abgegeben. Selbst wenn sie davon vielleicht Alkohol gekauft haben, statt etwas zu essen, sie hatten zumindest die Wahl sich mit meinem Geld etwas Gutes zu gönnen - oder auch nicht.
Meine Oma hat dann immer gesagt, dass ich zu gut für diese Welt wäre. Und dass ich auch nicht Sankt Martin sei. Ich sollte bloß nicht auf den Gedanken kommen auch noch meine Jacke zu teilen. Aber sie meinte, wenn ich Kleidung hätte aus der ich heraus gewachsen sei, dann könnte ich diese Spenden, damit andere sie noch tragen könnten, die Ärmer sind als ich.
Oma hat immer gesagt der Himmel ist kein Privileg für die reichen. Er ist eine Verantwortung für alle. Doch was ich heute hier gesehen habe, lässt mich ehrlich gesagt daran zweifeln und auch erschrecken.
Also warum sollte ich in eine Schule gehen, die Engeln beibringt schlimm zu sein und böse und gemein? Warum willst du mich nun dazu zwingen, Mikael?", fragte sie ihn verwirrt und er trat wieder näher zu ihr hin.

„Du bist hier ganz alleine und ungeschützt, wenn ich einen Auftrag erhalte und dass ist ständig der Fall, Emily. Zudem kennst du die himmlischen Regeln noch nicht und bist neu hier. In der Schule achten sie auf dich, schon um meinetwillen. Du kannst in der Weltenbibliothek studieren was auch immer du willst, oder Bücher lesen, die du schon immer lesen wolltest. Wissen und Weisheit zu erringen ist eines wahren Engels höchstes Ziel..."
Emily sah ihn nur an und seufzte schließlich traurig auf und schüttelte den Kopf.
Mikael stutzte erneut. „Was ist? Lernst du nicht gerne?", fragte er sie leise.
„Das ist es nicht, Mikael... sondern das höchste Ziel der Engel. Das... ist nicht gut.", gestand sie ihm allmählich finster fühlend.
Metadron runzelte nun ebenfalls die Stirn.
„Wissen und Wahrheit zu erlangen sind für Dich also nicht erstrebenswert, junge Anwärterin?", fragte er sie fast schon dröhnend.

Emily sah ihn nur ernsthaft zweifelnd an, und dann wieder Mikael.

„Ich möchte wirklich nicht hier bleiben, Mikael, flüsterte sie schließlich und er ergriff sofort ihre Hand, die nun leicht zitterte.
„Was ist es, was Dich an meinen Worten verängstigt, Emily?", erkannte er sofort den Grund.

„Ihr holt euch eure Wahrheit aus Büchern, die von Personen geschrieben wurden, die sich geirrt haben könnten. Ebenso was das Wissen betrifft.
Vor Tausend Jahren lehrte einer die Welt ist eine Scheibe mit einem Ende von dem man hinunter fällt. Es war Gewissheit, weil es geschrieben stand.
Doch es war falsch.
Es war nicht Wahr!
Also sollte man Weisheit besser nicht aus Büchern lernen, sondern seine Erfahrungen machen. Wesentlich, wirklich... und dann erst ist es Wahrhaftig. Und das höchste Ziel eines Engels sollte nicht Wissen und Weisheit sein, sondern eine gute reine Seele zu haben. Sonst lässt man die Menschen mit der inneren Kälte, die nur das Wissen und die Weisheiten anderer beinhaltet im Stich ... und damit am Seelenbaum stehen und warten... für immer.
Weil irgendjemand vielleicht mal aufgeschrieben hat das eine Seele mit tausend gelebten Leben unbedingte Geduld braucht, oder noch diese und jene Fertigkeit, oder die Reinheit einer Engelseele haben sollte. Dabei wollen die Menschen doch einfach nur... Frieden finden. Nichts sonst.
Mikael sieht ihnen in die Seele, wenn sie sterben. Er hat mir in meine Seele gesehen... und mich gerettet.
Ich hatte erst ein einziges kurzes Leben, doch ich weiß anscheinend besser als die Engel, dass es nichts höheres geben kann als mit guten Absichten und gutem Gewissen gutes zu tun und auch hin und wieder Mitleid zu empfinden.
Das sollte diese Schule also lehren und nicht kaltes, trockenes Wissen, das in manigfaltiger Weise interpretiert werden kann.
So wie auch die Bibel.
Die wurde von alten, voreingenommenen Männern geschrieben, die ein schlechtes Bild auf den Stellenwert von Frauen in ihrer Gesellschaft hatten. - Der damaligen Zeit angepasst, in der sie lebten.
Und von wann genau ist eure Bibliothek?
Welche Wahrheiten stimmen so schon längst nicht mehr, weil sich inzwischen alles verändert hat?", forderte sie Metadron heraus, der sie nur überrascht anblinzelte und schließlich so wie auch Mikael breit zu grinsen begann.

„Sie lebte nur dies eine kurze Leben... und besitzt aber bereits die Weisheit von Tausenden Studienjahren."
Mikael nickte zustimmend. „...das man echte Weisheit nicht in Büchern findet.", strich er ihr sachte über die Schulter und den Arm hinab.
„Dennoch ist es hilfreich über die Wesen der himmlischen und den sieben Welten zu lesen, und dadurch eventuell Beleidigungen oder Fehlverhalten vorzubeugen bevor man ihnen begegnet... und sich eine eigene Meinung bildet. Findest du nicht auch?"

Emily errötete ein wenig und zog die Brauen hoch. „Meine Oma sagte immer, man lernt am besten von den Menschen selbst, denen man offen begegnen sollte und dann ehrlich um deren Hilfe bitten, um nicht allzuviel falsch zu machen.
Bitte lieber 1000 mal um Verzeihung, statt vor lauter Angst gar nichts zu tun."

Dark Wings #15chaptersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt